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„Werden uns anpassen müssen“Köln wird immer trockener - Pilotprojekte starten

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Aktivisten machen in der Schildergasse auf die Hitzetoten aufmerksam.

Köln – Auch wenn in den letzten Tagen ein paar Regentropfen gefallen sind – es reicht nicht. Noch sehen die meisten Straßenbäume einigermaßen gesund aus, und auch das selbst gezogene Gemüse im Schrebergarten hält sich wacker. Aber Baum und Strauch stehen bereits jetzt wieder ordentlich im Stress – und die Zeichen stehen weiter auf durchgängige Trockenheit.

Im Winter und Frühling hatte es Anzeichen einer Entspannung gegeben. Zwar deutlich zu warm, aber immerhin feucht und nass genug, dass sich die Vegetation etwas erholen konnte. „Leider nicht genug, um uns aufatmen zu lassen“, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Kölner Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen.

Starkregen bringt keine Entlastung

„Wir mussten schnell erkennen, dass es nicht grundlegend und nachhaltig genug war.“ Die ersten Bäche fallen bereits trocken, auch in den Seen fallen die Wasserstände. Die Ressourcen im Boden waren nicht ausreichend.

Von Juni an war es deutlich zu trocken, gelegentliche Gewitter und Starkregen hinterlassen nichts als punktuelle Überschwemmungen: Der trockene Boden kann das kostbare Nass gar nicht mehr aufnehmen. Es verdunstet, bevor es in die tieferen Schichten vordringen kann. Wer einen Garten sein Eigen nennen darf, legt mittlerweile vielfach schon regelrechte Versorgungswege für Bäume und Beete an.

Und auch bei der Stadt Köln hat man dies erkannt und die ersten Umsetzungsprozesse bereits angestoßen. Nach drei Jahren extremer Trockenheit und wenig Aussichten auf Besserung begegnet man der Entwicklung teils mit Technik, zum wesentlich größeren Teil aber mit biologischer Anpassung. Es ist noch gar nicht so lange her, da machte man sich diese Gedanken gar nicht: Wasser war genug da, gelegentliche Trockenperioden wurden spätestens im Herbst und Winter wieder ausgeglichen.

Pilot-Projekt „Drain-Rinnen“ bei Neuanpflanzungen

Heute eben nicht mehr. Technisch gesehen geht man beispielsweise mittels eines PilotProjektes mit dem passenden Namen „Wasser zum Baum“ neue Wege: Bei Neuanpflanzungen werden nicht mehr wie bislang nur klassische Baumscheiben angelegt, die gerade bei Starkregen kaum Wasser aufnehmen können. Stattdessen werden zusätzlich sogenannte „Drain-Rinnen“ in den Gehwegbereich eingebaut, längliche Ablaufgitter, die das Oberflächenwasser in das Erdreich und weiter an die Wurzeln leiten. Im Herbst soll es damit losgehen.

Viel einschneidender aber ist nach Bauers Worten die Neuausrichtung bei den Anpflanzungen selbst: „Wir werden uns anpassen müssen. Der meiste Baumbestand etwa stammt noch aus den 80er, 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. So würde man heute sicher nicht mehr pflanzen.“ Das große Problem ist dabei nicht, dass die Stadtbäume bei zu langer Trockenheit direkt absterben. Sondern dass sie geschwächt sind, angreifbar. Pilze und Krankheiten setzen ihnen zunehmend zu, das Ergebnis ist oft erst ein oder gar zwei Jahre später zu sehen.

Kühlung und Hitzetage

Je heißer es ist, desto mehr braucht auch ein Baum „Kühlung“. Über die Wurzeln nimmt er Wasser auf, über Spaltöffnungen an der Unterseite (Stomata) seiner Blätter gibt er es wieder ab. Weil das Wasser beim Verdunsten Wärme verbraucht, kühlen Bäume ihre Umgebung auf diese Weise ab. Dieser Verdunstungseffekt sorgt nicht nur beim Baum selbst, sondern auch in der unmittelbaren Umgebung für kühlere Temperaturen.

Damit die Stomata nicht ständig geöffnet sind und das gesamte Wasser der Pflanze verdunstet, gibt es Schließzellen. Sie umgeben die Stomata und sind für die Öffnung und Schließung der Poren zuständig. Was für ein Potenzial Bäume als natürliche Klimaanlagen in Städten haben, belegen inzwischen diverse Studien angesehener Institute – an einem heißen, sonnigen Tag können die Pflanzen bis zu 400 Liter Wasser verdunsten.

Die höchsten Temperaturen in diesem Jahr lagen am Dienstag, 19. Juli, in Stammheim bei 37,9 Grad und am Flughafen bei 38,0 Grad. In Stammheim wurden an zehn Tagen über 30 Grad, gemessen, an 36 Tagen über 25 Grad. (two/sim)

Bereits jetzt wird unter realen Bedingungen mit Pflanzen experimentiert, die mit deutlich weniger Wasser auskommen oder insgesamt widerstandsfähiger sind. Der Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz hat unter maßgeblicher Mitwirkung Bauers in seiner Broschüre „Zukunftsbäume für die Stadt“ eine ganze Reihe möglicher Neuankömmlinge aufgelistet. Die stammen aus aller Herren Ländern, die im Wesentlichen nur eines gemeinsam haben: Sie müssen längere Trockenperioden überstehen. Wobei es nicht die eine Wunderpflanze geben kann und wird. „Entscheidend ist die Vielfalt. Monokulturen sind immer kontraproduktiv – in der Stadt wie in der Landwirtschaft“, so Bauer.

Entscheidend wird aber nicht nur das sein, was oben herauskommt – es geht auch um die Anlage selbst, die Bodenbeschaffenheit, die Wasserversorgung unter der Oberfläche, überhaupt darum, auf sich verändernde Klima-Realitäten zu reagieren.

Aufwand für Unterhalt des städtischen Grüns wird größer

Der Aufwand für den Unterhalt des städtischen Grüns wird größer werden, liebgewonnene Anblicke stellenweise verschwinden. Allerdings nicht ohne dass andere, angepasstere Vegetation nachwächst oder gezielt angepflanzt wird.

„Unausweichlich“ nennt das Bauer, der bei aller naturgegebenen positiven Einstellung dunkle Wolken aufziehen sieht – besser gesagt, gerade das eben nicht. Was Folgen haben wird: „Es ist eine Frage der Geschwindigkeit. Wenn in es in den nächsten vier, fünf Jahren weiter deutlich zu trocken bleibt, werden viele einheimische Pflanzen Probleme bekommen. Und einiges wird nicht überleben.“