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Thema im Kölner BeschwerdeausschussWer Abfall vermeidet, muss in Köln trotzdem voll zahlen – was soll das?

Lesezeit 4 Minuten
Mitarbeiter der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) bei der Leerung von Mülltonnen.

Mitarbeiter der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) bei der Leerung von Mülltonnen.

Ein Kölner Bürger möchte weniger Gebühren für seinen Restmüll zahlen, da er seit vielen Jahren Müll vermeidet. Doch eine kleinere Tonne zu bestellen, ist mitunter gar nicht möglich. Was derzeit gilt, erklären wir hier.

Die Altpapiertonne quillt über, neben der Wertstofftonne stapeln sich Säcke mit Verpackungsmüll. Die grauen Restmüllbehälter sind dagegen bloß zur Hälfte gefüllt. Ein solcher Anblick bietet sich an Leerungstagen in vielen Kölner Haushalten. Da fragt sich mancher: Können wir nicht kleinere Restmülltonnen bestellen und so bares Geld sparen? Doch das ist nicht ohne Weiteres möglich. Denn in Köln gibt es vorgeschriebene Restmüllmengen. Nur: Sind die noch zeitgemäß? Am Montag befasst sich der Beschwerdeausschuss des Stadtrats mit dem Thema. Ein Überblick.

Worum dreht sich der Streit?

Ein Bürger aus Rath fordert von der Stadt, die festgelegten Mindestbehältergrößen sofort zu reduzieren. Begründung: Die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) hätten 2022 von ihm verlangt, auf eine 120-Liter-Restmülltonne umzustellen, obwohl seine Familie seit 2015 dank Mülltrennung und -vermeidung stets mit der vorhandenen 60-Liter-Tonne ausgekommen sei. Nun müsse er mehr bezahlen, obwohl die Tonne stets weniger als halb voll sei. So werde „abfallwirtschaftlich sinnvolles Verhalten durch eine erhöhte Gebührenbelastung bestraft“ und kinderreiche Familien würden „zusätzlich belastet“, betont der Vater.

Wie ist die Rechtslage?

Die Mindestbehältergröße in Köln wird durch die Stadt in der Abfallsatzung festgelegt. Als Grundlage dient eine Hausmüllanalyse, die zuletzt 2015/2016 durchgeführt wurde und dieses Jahr wieder ansteht. Zurzeit gilt: Pro Einwohner und Woche müssen Behälter für mindestens 35 Liter Restmüll vorgehalten und bezahlt werden. Werden Bioabfälle und Wertstoffe getrennt entsorgt, reduziert sich das auf 20 Liter. Die Familie aus Rath hatte 2015 zwei Kinder, heute sind es vier. Da die AWB turnusgemäß anhand des Melderegisters überprüfen, wie viele Personen in einem Haushalt gemeldet sind, wurde die Behältergröße der Familie auf 120 Liter (sechs Personen à 20 Liter) erhöht.

Kann das Mindestvolumen nicht reduziert werden?

Das sei aktuell nicht möglich, erläutert Umweltdezernent William Wolfgramm. Er verweist auf die in diesem Jahr geplante Abfallstudie: „Im Ergebnis kann es zu späteren Anpassungen der Satzung hinsichtlich des Mindestbehältervolumens kommen, die auch Anreize zur weiteren Abfallvermeidung unterhalb des aktuell gültigen Mindestbehältervolumens setzen.“ Dieses Volumen sei ein Durchschnittswert, basierend auf Daten über die durchschnittliche Menge und Zusammensetzung des Kölner Abfalls. Manche Haushalte lägen darüber, andere darunter, so Wolfgramm.

Wie sehen Umweltschützer das Thema?

„Gerecht ist das Kölner System derzeit nicht. Wer Müll vermeidet und seine Abfälle gut trennt, wird bestraft. Denn er muss für diejenigen mitbezahlen, die viel Abfall produzieren“, sagt Michael Cieslik (45), Vorstandsmitglied des Vereins „Zero Waste Köln“, der sich für „ein müllfreies und verschwendungsfreies Köln“ einsetzt. Der Verein fordert kleinere Tonnen, weniger Leerungen und die Mindestmenge von 20 auf 10 Liter abzusenken. In Kiel seien 10 Liter bereits per Ausnahmegenehmigung möglich, in Köln nicht. Laut Cieslik produziert jeder Kölner im Durchschnitt 225,29 Kilo Restmüll pro Jahr, was bei wöchentlicher Leerung 4,3 Kilo entspricht.

Wie argumentieren die AWB?

Die AWB betonen, dass mit der Restmüllgebühr auch die kostenlose Biotonne (siehe Infotext) mitfinanziert wird, außerdem die Wertstoffsammlung sowie politisch gewollte kostenlose Leistungen wie Sperrmüll-Abholung und Wertstoffcenter. Das werde in der Debatte „leider oftmals vergessen“. Klar ist: Wenn das vorgeschriebene Restmüllvolumen abgesenkt würde und in der Folge viele Kölner Haushalte kleinere und günstigere Restmüllbehälter bestellen würden, hätten die AWB deutlich weniger Einnahmen oder die Gebührensätze müssten stark erhöht werden. Denkbar wäre auch, dass für Leistungen, die bisher kostenlos sind, in Zukunft Gebühren fällig werden.

Das aktuelle Gebührenmodell, bei dem nur die Restmüllbehälter bezahlt werden müssen, setze „hohe Anreize für die Wertstofftrennung“, betont eine AWB-Sprecherin. „Zusätzlich schafft es ein niedrigschwelliges Angebot für die sachgerechte Entsorgung von zum Beispiel Sperrmüll. Ein anderes Gebührenmodell müsste dies erst einmal besser leisten und gleichzeitig keine Anreize zu wilden Müllablagerungen setzen, was zum Beispiel der Fall bei kostenpflichtigem Sperrmüll wäre.“

Könnte man nicht die exakte Müllmenge abrechnen?

Das würde laut Stadt zu viel Aufwand bedeuten. „Eine Einzelfallbetrachtung oder individuelle Bemessung des Restabfallbehältervolumens ist in einer Großstadt wie Köln praktisch nicht umsetzbar und wäre mit einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand verbunden, der zu deutlich höheren Gebühren führen würde“, so Wolfgramm. Die Stadt hat übrigens ein „Zero Waste“-Konzept zur Müllvermeidung erstellen lassen, das bald präsentiert wird.


Bioabfälle

87 000 Biotonnen gibt es derzeit in Köln. Damit sind nach Angaben der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) knapp 65 Prozent der Kölner Haushalte an die Sammlung organischer Abfälle angeschlossen. 2022 haben die AWB rund 46 000 Tonnen Biomüll gesammelt und verwertet. Die Menge steigt seit Jahren mit der wachsenden Zahl an Biotonnen. Zum Vergleich: Die Restmüllmenge betrug in Köln zuletzt 239 000 Tonnen pro Jahr. Bis zu 40 Prozent der Abfälle im Restmüll sind Bioabfälle.

In den Außenbezirken, etwa im Bezirk Chorweiler, gibt es laut AWB deutlich mehr Biotonnen als im Zentrum. In der Innenstadt ist die Anschlussquote die niedrigste. Seit 1995 werden Bioabfall und Grünschnitt aus Köln in Niehl kompostiert. Eine Vergärungsanlage produziert rund zwei Millionen Kubikmeter Biogas pro Jahr.

Zurzeit bereiten die AWB auf Beschluss der Stadt ein Pilotprojekt zur Einführung einer Biopflichttonne vor. Ziel ist laut AWB, „möglichst viel zusätzlichen Bioabfall zu erfassen und hochwertig zu nutzen, das heißt im Rahmen der Kompostierung und Nutzung in der Landwirtschaft und zur Vergärung zu Treibstoff“. (fu)