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Staatsschutz ermitteltWahlplakate in Köln beschmiert, zerstört und angezündet

Lesezeit 3 Minuten
Ein von Unbekannten verunstaltetes  Plakat des Kölner CDU-Direktkandidaten Daniel Otte.

Ein von Unbekannten verunstaltetes  Plakat des Kölner CDU-Direktkandidaten Daniel Otte.

Im laufenden Bundestagswahlkampf erleben die Parteien in Köln zunehmenden Vandalismus gegen ihre Wahlplakate

„Zusammen“ steht auf einem Wahlplakat von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „In den Untergang“ hat jemand in großen Lettern darunter gekritzelt. Auf einem anderen Plakat von Baerbock geht es um das Thema Frieden. Ein kleines Stück ist abgerissen, darauf prangt der Kommentar eines Unbekannten: „Frieden, Du?“

Eher humorvoll kommt die Kritik an FDP-Chef Christian Lindner daher. Ihm hat man einfach eine gelbe Pappnase aufs Plakat gemalt. Dagegen geht es bei Sahra Wagenknecht (BSW) ebenso brachial wie frauenfeindlich zur Sache, sie wird auf mehreren Plakaten als „Putin-Schlampe“ verleumdet, Hitlerbärtchen inklusive.

Dass Wahlplakate beschmiert, verunstaltet, abgerissen und zerstört werden, ist nicht neu. Dennoch stellen die Parteien diesmal Unterschiede zu früheren Wahlkämpfen fest. Das betrifft insbesondere die CDU. Seit der umstrittenen Abstimmung im Bundestag am 29. Januar, bei der CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz in Kauf nahm, dass sein Antrag zur Migrationspolitik nur dank der AfD eine Mehrheit erhielt, kam es bundesweit zu Protesten gegen die Union, aber auch die FDP. Es gab Sachbeschädigungen in CDU-Geschäftsstellen, am Wahlkampfbus des FDP-Abgeordneten Alexander Müller wurden Radmuttern gelockert.

Köln: CDU-Wahlplakate häufiger beschmiert als früher

CDU-Plakate werden seitdem deutlich häufiger beschmiert als früher – auch in Köln, wo die Kandidaten etwa als Lügner oder Brandstifter bezeichnet werden. „Es ist definitiv mehr geworden“, bestätigt Kölns CDU-Kreisgeschäftsführer Bastian Ebel. Viele Plakate seien übelst beschmiert und zerstört worden. Das sei kein Kavaliersdelikt, man dokumentiere jeden Fall und bringe ihn zur Anzeige.

Ein von Unbekannten verunstaltetes Wahlplakat von Friedrich Merz (CDU) an der Inneren Kanalstraße in Köln.

Ein von Unbekannten verunstaltetes Wahlplakat von Friedrich Merz (CDU) an der Inneren Kanalstraße in Köln.

„Wir versuchen, beschädigte Plakate möglichst schnell zu ersetzen“, erklärt Ebel. Bei Großplakaten, den so genannten „Wesselmännern“, erfolge das durch die Firma, die diese aufstelle. Bei kleinen Plakaten an Laternen müssten erneut die Ehrenamtler aus den Ortsvereinen ran.

„Man kann über alles streiten und unterschiedlicher Meinung sein, aber Gewalt darf niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Wahlplakate sollten tabu sein“, betont Ebel. Er sieht auch die Mahnwache, die nach Merz' Beschluss vor der CDU-Geschäftsstelle in der Altstadt stattfand, kritisch. Die Protestierenden hätten die Eingangstür blockiert, Mitarbeiterinnen eingeschüchtert und einen Sarg vor der Geschäftsstelle platziert. „Das ist zu weit gegangen.“ Übergriffe an Wahlkampfständen habe es aber keine gegeben.

SPD-Plakate in Köln-Brück angezündet

Auch Kölns SPD-Chefin Claudia Walther berichtet von zahlreichen beschmierten und zerstörten Plakaten. „Die Zerstörung hat zugenommen. Unsere Plakate werden mitunter großflächig abgerissen.“ In Brück seien sogar mehrere SPD-Plakate angezündet worden und verbrannt, hier ermittele der Staatsschutz. Angesichts der vielen Schäden müsse man teilweise Plakate nachordern. Die SPD dokumentiert ebenfalls alle Fälle von Vandalismus und behält sich Anzeigen vor. An den Wahlkampfständen habe es keine Probleme gegeben, so Walther.

Ein von Unbekannten verunstaltetes Wahlplakat von Sarah Wagenknecht (BSW) hängt unter einem Plakat von Sanae Abdi (SPD) an der Neusser Straße in Köln.

Ein von Unbekannten verunstaltetes Wahlplakat von Sarah Wagenknecht (BSW) hängt unter einem Plakat von Sanae Abdi (SPD) an der Neusser Straße in Köln.

Plakat der Kölner Grünen mit Axt und Hammer zerstört

Die Grünen registrieren ebenfalls viele verunstaltete und beschädigte Plakate, bestätigt Wahlkampfmanagerin Carolin Sprick. „Es sind aber nicht wesentlich mehr Fälle als bei der Europawahl im Juni 2024.“ Damals habe die Beschädigung von Plakaten der Grünen bereits stark zugenommen. An bestimmten Standorten gebe es immer wieder Probleme, dort würden neue Plakate sofort wieder beschädigt. Am Engelshof in Porz habe jemand ein selbstgemaltes Großplakat gar mit Axt, Hammer und einem Eimer Farbe vollständig zerstört.

Kölns FDP-Chef Lorenz Deutsch berichtet, nach dem Merz-Beschluss habe die Plakatbeschädigung kurzzeitig zugenommen, bewege sich insgesamt aber auf dem Niveau früherer Wahlkämpfe. AfD-Chef Christer Cremer sagt, „mindestens 80 Prozent“ der AfD-Plakate würden von Unbekannten abgehängt. Angriffe auf Plakate hätten zugenommen, zu tätlichen Angriffen an Wahlkampfständen sei es aber nicht gekommen.

Der Kriminalinspektion Staatsschutz der Polizei Köln, die auch für Rhein-Erft, Rhein-Berg und Oberberg zuständig ist, liegen derzeit 78 Strafanzeigen im Zusammenhang mit der Beschädigung von Wahlplakaten vor. 37 Sachbeschädigungen davon fanden auf Kölner Stadtgebiet statt, hieß es auf Anfrage.