Uni-Center wird 40Ungeliebt und hoch gelobt

Ein Dorf auf 45 Etagen: Das Uni-Center ist 133 Meter hoch. Edith Reschke wohnt in der 36. Etage.
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Köln – Franz-Jürgen Schrowangen hat Domblick, Rheinblick und freie Sicht bis in die Eifel. Er wohnt mitten in Köln, doch vom Lärm der Stadt dringt zu ihm nur ein beruhigendes Rauschen. Er liebt sein Zuhause. Viele Kölner nennen es hässlich: Schrowangen wohnt im Uni-Center. In der 34. Etage. In einer von 954 Wohnungen des Hauses. Unter 1600 Bewohnern mit derselben Adresse. Schrowangen kennt die Vorurteile. Und er kennt die Vorteile.
Vor 40 Jahren sind die Kritiker noch in der Minderheit gewesen. Das Uni-Center galt damals als architektonisch herausragend für Köln, als zukunftsweisend für den Wohnungsbau, als vorbildlich für die Sanierung der Städte. Der damalige Bundesbauminister Lauritz Lauritzen klopfte am 11. Februar 1971 persönlich auf den Grundstein. Und er sagte einen wahren Satz: „Das Uni-Center ist eine städtebauliche Dominante.“
Ebendas ist das Problem. Das Uni-Center ist riesig: Das höchste seiner Gebäudeteile ist 133 Meter hoch. Das Haus stapelt die Menschen in bis zu 45 Etagen. Es ist eines der größten Wohnhäuser Europas und das fünfthöchste Hochhaus Nordrhein-Westfalens. Das Uni-Center ist nicht zu übersehen. Die Zahl seiner Kritiker ist deshalb groß. Sie nennen das Gebäude Bausünde und Betonklotz. Selbst Maklern fällt es schwer, über den
Anblick des Uni-Centers etwas Gutes zu sagen. Das Immobilienunternehmen Rheingold sucht Käufer für mehrere Wohnungen des Gebäudes. Es argumentiert: Wer im Uni-Center wohnt, sieht sein Äußeres nicht.
In der Tat. Schrowangen blickt aus Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichen. Und er zählt die Argumente auf jenseits des optischen Empfindens: Im Uni-Center wohne es sich verkehrsgünstig. Dort sorge sich 24 Stunden am Tag ein Portier um die Sicherheit der Bewohner. Dort seien die Wände so dick, dass von den 1600 Mitbewohnern fast nie etwas zu hören sei.
Schrowangen sagt, es lebten im Uni-Center Hochhaus-Fans, und es gebe Bewohner, die schnell wieder raus wollten. Er selbst gehört ohne Frage zu den Fans: Schrowangen war einer der ersten Bewohner des Hauses. Im September 1973 zog er ein. Seitdem ist der heute 71-Jährige einmal umgezogen. Er hat sich im Jahr 1977 hochgearbeitet im Sinne des Wortes: Aus der Single-Wohnung zog er in ein 142-Quadratmeter-Heim, aus der 13. in die 34. Etage. Die Kinder gingen in die Kindertagesstätte, die es damals noch im Uni-Center gab.
Es passiert was im Uni-Center
Schrowangen schwärmt. Auch Edith Reschke schwärmt. Ihr Ausblick ist noch zwei Stockwerke besser. Ihre Meinung vom Uni-Center mindestens so gut wie die von Schrowangen. Reschke sagt: „Hier passiert was.“
Die Bewohner des Uni-Centers veranstalteten Vernissagen. In dem Haus lasse es sich anonym leben. Doch wer wolle, könne den Kontakt mit den Nachbarn pflegen. Reschke hat zusammen mit anderen den „Arbeitskreis Wohnen im Uni-Center“ gegründet. Er setzt sich dafür ein, dass das Hochhaus zu einer Art Altenwohngemeinschaft wird – mit Pflegedienst und als Alternative zum Altenheim.
Das allerdings soll nichts daran ändern, dass das Uni-Center ein Haus für alle ist. Reschke sagt: „Wir sind ein Dorf.“ Im Uni-Center lebten Alte und Junge, Familien und Alleinstehende. Denn auch die Wohnungen sind völlig unterschiedlich: Es sind in den U, N, I genannten Gebäudeflügeln 35 verschiedene Wohnungstypen – Appartements mit 25 Quadratmetern und 160-Quadratmeter-Lofts zum Beispiel. Rund ein Drittel des Uni-Centers gehört dem Studentenwerk: Der I-Flügel ist ein Studentenwohnheim.
Es passiert was im Uni-Center. Manchmal allerdings ist in den vergangenen 40 Jahren mehr passiert, als es den Bewohnern recht war. Als die RAF im Jahr 1977 den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer in ihrer Gewalt hielt, vermutete die Polizei das Versteck im Uni-Center. Die Polizisten kletterten mit Maschinen-Gewehren die Fassade hinauf – doch sie fanden Schleyer nicht.
Das Uni-Center sei alles andere als ein sozialer Brennpunkt, sagt Dietlind Selbach. Sie ist seit fünf Jahren die Uni-Center-Beauftragte bei der Hausverwaltung Foncia Immonova. Schwierigkeiten seien in dem Gebäude selten, sagt sie. Und: „Es gibt keinen Leerstand.“
Die Bewohner des Uni-Centers feiern am Sonntag, 28. Oktober, den 40. Jahrestag des Richtfests. Teil der Feier ist ein Treppenlauf über 613 Stufen. Die Feuerwehr plant Vorführungen. Außerdem zeigen die Eigentümer des Uni-Centers Filme über ihr Gebäude. Am 28. Oktober wird auch die Aussichtsplattform in der 38. Etage des Uni-Centers geöffnet sein. (hv)