Tierheim ZollstockOhne dickes Fell geht’s nicht

Ein Tier ist der bessere Partner, meint Valentina Kurscheid. Dackeldame Berta würde kaum widersprechen.
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Köln – Im Tierheim am Südstadion in Zollstock ist ein Virus ausgebrochen, deshalb entfällt meine Führung durchs Gehege. Auch Valentina Kurscheids Dackel, die 14 Jahre alte Berta, bleibt bei uns im Büro.
Hier wird von morgens bis abends gebellt. Wie im Büro und auf der Baustelle?
Wird da auch gebellt? (lacht) Naja, es gibt durchaus einige Tiere bei uns, die sich lautstark bemerkbar machen. Der große Unterschied zur Baustelle ist, dass man hier nicht nur seine Arbeit abliefert, sondern tagtäglich mit zum Teil hoch emotionalen Geschichten konfrontiert wird.
Zum Beispiel?
Es kann passieren, dass morgens eine große Tüte vor der Tür steht, in der acht unterernährte Katzenwelpen stecken. Oder ein Karton mit zwölf Kaninchen, weil sich jemand nicht traut, die offiziell abzugeben.
ZUR PERSON
Valentina Kurscheid wurde 1970 geboren und wuchs im schwäbischen Calw auf. In ihrem Elternhaus gab es 24 Katzen, fünf Hunde, zahlreiche Kleintiere, Vögel und drei Affen. Nach dem Abitur ließ sie sich zur Fotografin ausbilden, studierte Geographie, Medien- und Kommunikationswissenschaften und Germanistik. Seit 1999 arbeitet sie beim ZDF als Redakteurin und Reporterin für verschiedene Tiersendungen. Auch für frauTV liefert sie Beiträge. Außerdem veröffentlichte sie mehrere Bücher, unter anderem „Tierisch kreativ! Selbstgemachtes für Hunde“.
Seit 2015 Jahr fungiert sie als 1. Vorsitzende des 1868 gegründeten Kölner Tierschutzvereins.
Valentina Kurscheid lebt mit Mann, Kind und Dackeldame Berta im Kölner Süden.
www.valentina-kurscheid.de
www.tierheim-koeln-
zollstock.de
Und werden die dann hier gebraten?
Ja, aber wir warten damit bis Ostern . . . Nein, als erstes rufen unsere Mitarbeiterinnen den Tierarzt. Viele Tiere kommen total verlaust und verwurmt an, die müssen erstmal untersucht werden. Wer hier arbeitet, bekommt mit der Zeit ein dickes Fell.
Ihr Standort am Südstadion ist nicht gesichert. Wie kam das Heim überhaupt an diesen Ort zwischen Stadion, Bahngleisen und Großparkplatz?
Die Lage ist für uns ausgezeichnet. Der alte Baumbestand schützt unsere Tiere im Sommer vor der Hitze, und hier gibt es keine Nachbarn, die sich beschweren könnten übers Gebell der Hunde oder etwa das Meckern von Ziegen.
Ziegen im Sinne von Geißböcken gehören ja auch eher nach Müngersdorf als zur Fortuna.
Eigentlich schon, ja. Übrigens hat der verstorbene Fortunapräsident Klaus Ulonska einen unserer Hunde bei sich aufgenommen.
Sie selbst sind im Elternhaus mit dutzenden Hunden, Katzen und sonstigen Haustieren aufgewachsen.
Das stimmt. Meine Eltern waren sehr tierlieb, und mein Vater war zwar kein Veterinär, aber Arzt.
Wie kamen die drei Affen ins Haus?
Das waren Makaken, wie man sie zuweilen auf Orgeln in Fußgängerzonen sieht. Es gab in unserer Nähe eine psychiatrische Klinik, die zum emotionalen Ausgleich der Patienten Tiere hielt. Mit dem Makakenpärchen kamen sie allerdings nicht zurecht, deshalb gaben sie es an meine Eltern ab. Und bei uns fühlten sich die beiden so wohl, dass sie bald Nachwuchs bekamen.
Hätten Sie mal besser nur einen Affen genommen.
Viele Affenarten, die als Paar leben, bleiben, im Gegensatz zu Menschen, ein Leben lang zusammen. Die darf man nicht trennen, sonst sterben sie. Außerdem hatten wir eh einen Affenstall zu Hause, ich habe noch vier Geschwister. (lacht)
Sie stammen aus Calw, das kenne ich nur als Tischtennisverein.
Hermann Hesse ist dort geboren! Aber jenseits dessen herrschte bei uns eine sehr schwäbische Engstirnigkeit. Meine Eltern sind auch keine Schwaben, sondern zugezogen. Und ich wusste sehr früh dass ich vom „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ weg wollte.
Was sind denn die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Schwaben und dem Rheinländer?
Die Schwaben sind sehr kritisch. Wenn sie einen länger kennen, mögen sie ihn irgendwann. Die Rheinländer sind oberflächlicher. Die mögen einen gleich, aber wenn man sie länger kennt, werden sie ernst.
Wie bei Ihnen zu Hause wird auch hier im Tierheim alles aufgenommen, was ankommt. Warum aufpäppeln statt einschläfern?
Weil es den Versuch immer wert ist. Rein juristisch wird ein Tier leider als Sache angesehen, aber Tierschützer denken anders. Wenn es eine Überlebenschance gibt, wird sie wahrgenommen. Tierheime sehen wir als Zwischenstationen: Wir versuchen, den Tieren ihren Aufenthalt lebenswert zu machen und sie wieder zu vermitteln.
Acht kleine Katzen im Karton bedeuten sehr viel Arbeit und auch einiges an Geld über viele Jahre. Und wenn sie größer sind, nimmt sie auch keiner mehr.
Das hat sich in den letzten Jahren ein wenig geändert. Durch die vielen sozialen Foren im Internet steigt auch unsere Vermittlungsrate, das bringt uns - auch über Köln hinaus - sehr viel. Gott sei Dank gibt es durchaus viele tierliebende Menschen, die bereit sind, auch mal ein älteres Tier aufzunehmen.
Und es gibt jene, die es sich zu einfach machen.
Stimmt. Für die ist es irgendwie „in“, einen Hund zu haben und den dann acht oder zehn Stunden am Tag allein in der Wohnung zu lassen. Dann zerreißt der das Sofa oder ähnliches, und die Hundetrainer bekommen neue Aufträge.
So ein Tier landet dann später hier?
Ja, oftmals. Leider! Eine Geschichte, die mich sehr berührt hat, war die von dem Dackel, den sein Herrchen auf offener Straße fast totgetreten hätte. Zum Glück hatte das eine Polizeistreife beobachtet. Und später stellte sich heraus, der Täter war eigentlich der Vater des Herrchens und hatte den Hund nur während des Urlaubs betreut.
Menschlich recht verzwickt. Wie wurde das Problem damals gelöst?
Der Dackelbesitzer brach seinen Kanarenurlaub sofort ab und holte seinen Hund ab. Soweit ich weiß, ist das Verhältnis zum Vater seither zerrüttet.
In Ihrem Buch „Tierisch kreativ“ geht es um Spielzeug nicht nur für Dackel wie Ihre Berta. Wie erfindet man sowas?
Wenn Sie einen Hund haben und täglich beobachten, wissen Sie, was er will. Übrigens geht es dabei nicht nur um den Auslauf, sondern auch um die geistige Beschäftigung.
Lösen Sie mit Berta Kreuzworträtsel?
Ja, und wir diskutieren intensiv. (lacht) Geistige Beschäftigung erschöpft ein Tier mehr als ein Spaziergang. Ich verstecke zum Beispiel das Futter gern so, dass mein Dackel Nase und Kopf aktivieren muss, um sein Essen zu finden.
Im Fernsehen erklären Sie unter anderem, wie man Hunde richtig frisiert.
Dabei geht es aber nicht ums Aussehen. Mein Dackel mit seinem starken Unterfell springt zum Beispiel gern in jeden See. Da lohnt es sich, wenn man das Oberfell kurz hält, damit er schneller trocknet und sich nicht erkältet.
Präsentieren Sie bei frauTV im WDR auch Themen aus der Schnittmenge Frau und Haustier?
Überhaupt nicht. Ich bin sogar dankbar, dass ich da in eine andere Welt eintauche.
Themen gäbe es jedoch genug. Warum etwa arbeiten fast ausschließlich Frauen in der Tierpflege?
Weil wir vorausschauend denken, weil wir gern helfen und gern streicheln. Und wenn dann noch weiches Fell mit im Spiel ist: ein Traumberuf!
Harte Jungs hingegen wollen nicht zugeben, dass sie das eigentlich auch schön finden?
Ein paar Männer haben wir durchaus hier. (lacht)
Wie wird ein tierischer Neuankömmling sozial eingegliedert?
Wir wissen nicht, was das Tier erlebt hat. Deshalb ist das Wichtigste erst einmal Ruhe. Wir haben zur Zeit einen Chinchilla hier, einen kleinen Nager, der kommt aus dermaßen schlechten Verhältnissen, dass er keinerlei sozialen Stress vertragen kann.
Im Tierreich herrscht das Recht des Stärkeren, im Grunde ein permanenter Krieg. Kann man das so sagen?
Fressen und gefressen werden ist die Regel, ja. Aber ist das nicht bei den Menschen genauso?
Deshalb haben wir ja eine Art Gesellschaftsvertrag geschlossen und uns Gesetze gegeben. Können wir uns aus der Tierwelt dennoch etwas abgucken?
Als Hundeliebhaber sage ich: Ein Hund ist ein treuer Begleiter, und er wird nie sauer.
Berta ist nie beleidigt?
Tiere verzeihen schneller. Ein Mensch, den ich anpflaume, will danach keinen Kaffee mehr mit mir trinken. Berta hingegen lächelt mich spätestens nach zwei Minuten schon wieder an und geht mit mir Gassi. Von daher ist ein Tier der bessere Partner. (lacht)