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Thomas BaumgärtelWie der Bananensprayer zur krummen Südfrucht kam

Lesezeit 4 Minuten
Thomas Baumgärtel sitzt vor einem seiner Werke.

Thomas Baumgärtel

Auf mehr als 4000 Institutionen weltweit hat Thomas Baumgärtel schon seine Banane gesprüht. Wie wurde er zum Bananensprayer? 

Die Jesusfigur war schuld. Wäre die nicht vom Kreuz gefallen, wer weiß, ob die Banane eine so zentrale Rolle im künstlerischen Werk von Thomas Baumgärtel erhalten hätte. „Während des Zivildienstes im katholischen Krankenhaus in Rheinberg habe ich spontan die abgefallene Jesusfigur durch eine Banane ersetzt und die ans Kreuz genagelt“, erzählt Baumgärtel. Das war vor 40 Jahren. Dem jungen Zivi war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, wohin seine berufliche Reise gehen sollte. Die Banane am Kreuz − das „Boah-Erlebnis“. „Da hab‘ ich gemerkt, so was will ich machen. Das erzeugt Wirkung. Dafür brannte ich dann.“

Ordensschwestern leicht pikiert

Bei den Ordensschwestern im Krankenhaus sorgte die Aktion zwar nicht unbedingt für pure Begeisterung, aber sie mochten den jungen Künstler weiterhin. „Dieses Provozieren gehört zu meiner Kunst. Immerhin hat sich nach gut 25 Jahren eine der Schwestern noch mal bei mir gemeldet und mir zu meinem Erfolg gratuliert“, sagt der inzwischen 62-Jährige.

Immer wieder hat er mit seinen Bananenbildern öffentliche politische Statements abgegeben. Für Klimaschutz. Gegen den Krieg − „War is banane“ −, gegen Diktatoren oder Demagogen. Seitdem Putin den Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hat, hängt an einer Hauswand an der Aachener Straße ein riesiges sechs mal zehn Meter großes Banner mit der Forderung „Put in prison“, Putin gehört ins Gefängnis. „Das Banner soll da hängen so lange bis Putin im Knast ist“, sagt der Künstler.

Baumgärtel, der in Köln sowohl Kunst als auch Psychologie studiert hat, will sich mit seiner Kunst im öffentlichen Raum einmischen und Statements setzen. „German Urban Art“, nennt er das. Dabei ist die Banane sein Markenzeichen. „Die Banane enthält alles. Sie ist eine zutiefst deutsche Frucht“, sagt er und erinnert daran, dass Deutschland lange als einziges Land EU-weit zollfrei Bananen einführen durfte.

Morddrohung nach Erdogan-Darstellung

Seine gesprühte Banane kann als Instrument dienen, mit dem Kritik ausgedrückt wird. So als Zipfelmütze beim Sträfling Putin, als Ausgewürgtes aus dem Mund von Trump oder gar im Allerwertesten von Erdogan. Wobei die Darstellung des türkischen Präsidenten dem Künstler Morddrohungen und Staatsschutz einbrachte.

Baumgärtel nutzt die gesprühte Banane allerdings auch seit Jahrzehnten als Symbol, um Orte auszuzeichnen. An Galerien weltweit ist sie gesprüht. Das Gebäude der Stadtbibliothek markierte er jüngst in der Diskussion um einen möglichen Abriss durch die Darstellung einer Banane zwischen zwei Buchdeckeln als schützenswert. „Ich bin immer noch ein Rebell. Wenn ich Missstände sehe, dann möchte ich die aufdecken. Da muss ich direkt reagieren“, sagt Baumgärtel.

Überblick über das Atelier von Thomas Baumgärtel.

Thomas Baumgärtel hat sein Atelier im Leskan-Park in Köln-Dellbrück.

Ich bin vieles: Maler, Sprayer, Zeichner, Konzeptkünstler. Und ich mache Installationen. Ich bin ein Kind der 70er.
Thomas Baumgärtel

Auch wenn er jetzt seit 40 Jahren Bananen darstellt, ist längst nicht alles in seinem Werk Banane. „Ich bin vieles: Maler, Sprayer, Zeichner, Konzeptkünstler. Und ich mache Installationen. Ich bin ein Kind der 70er“, sagt der Künstler über sich. In seinem geräumigen Atelier, einer Halle im Leskan-Park in Dellbrück, wird deutlich, wie vielfältig das Werk ist. Porträts von Kölner Köpfen von Carolin Kebekus über Wolfgang Niedecken bis hin zu Heinrich Böll hängen dort. Im Auftrag der Ludwig-Galerie fertigt Baumgärtel gerade Porträts von Irene und Peter Ludwig. Irene ist schon fertig. Sie prangt auf einfachem Karton, neben sich − eine große Banane. Im Fall der Kunstsammlerin eine dicke Auszeichnung.

Brandenburger Tor ist noch ein Projekt

Ein metallenes Modell, das er auf dem Gelände des Leskan-Parks gefunden hat, hat Baumgärtel als Parabel für Demokratie und Diktatur umgestaltet. Setzt man das Gebilde, an dem zahlreiche Bananen hängen, in die eine Richtung in Bewegung, schwingen alle Südfrüchte synchron. „Das nenne ich dann Diktatur“, sagt Baumgärtel und ändert die Bewegungsrichtung. Die Folge: Jede Banane schwingt nun individuell.

Thomas Baumgärtel in einem seiner Werke mit schwingenden Bananen.

Thomas Baumgärtel in der Installation "Demokratie und Diktatur"

„Mir gehen nicht die Idee aus. Ich will noch so viel machen“, sagt Thomas Baumgärtel. Durchs Brandenburger Tor möchte er unbedingt eine überdimensionale Banane legen.   Symbol für die Wiedervereinigung. Derzeit bereitet der „Bananensprayer“ fünf Ausstellungen vor. Ausgewählt wird aus mehr als 2600 Werken, die sein Werksverzeichnis inzwischen umfasst. Gezeigt wird auch die „Ur-Banane“, jene mit Lack mumifizierte Südfrucht am Kreuz, die vor 40 Jahren im Krankenhaus die Jesusfigur ersetzte.


Mehrere Ausstellungen in Köln

40 Jahre Banane feiert Thomas Baumgärtel mit mehreren Ausstellungen in und um Köln. Den Auftakt macht die Messe Discovery Art Fair. Sie findet vom Donnerstag, 20 April, bis zum Sonntag, 23. April, in der XPost am Gladbacher Wall 5, statt.

Gezeigt wird dort am Stand von Art-Limited von Stefan Piekarski unter anderem die bekannte Baumgärtel-Interpretation der Vostell-Plastik „Ruhender Verkehr“. Zum Jubiläum erstellt Baumgärtel zwei neue Editionen. Die „Ur-Banane“ und die „Original-Banane 2023“ als 40 handgesprayte Exemplare auf Büttenpapier.

Eine weitere Ausstellung in Köln ist vom 29. bis zum 30 April bei der „Artconnection Köln“ in den Kunsträumen den Michael-Horbach-Stiftung, Wormser Straße 23.

Die Vernissage der Baumgärtel-Ausstellung „Billboards Extended“ ist am Sonntag, 30. April, um 19 Uhr in einer Tankstelle, im Ektra Offspace in Porz-Lind. Im Anschluss an die Vernissage in Porz-Lind findet eine Party mit einem Tanz in den Mai statt. Mehr Informationen gibt es online.