Mit ihrem Angebot hilft die Telefonseelsorge teils Menschen in akuter Gefahr. 2024 starten wieder Ausbildungen für Ehrenamtliche.
TelefonseelsorgeWelche Ängste treiben die Kölnerinnen und Kölner um?
Der letzte Strohhalm kann unterschiedlich aussehen. In manchen Fällen nimmt er die Form von Zahlen auf einem Display an. Die Telefonseelsorge Köln rettet Leben: Über 23.000 Menschen haben in diesem Jahr bisher die kostenlosen Nummern gewählt - um Suizidgedanken ging es bei rund 2300 Anrufen. Am anderen Ende der Leitung sitzen hauptsächlich ausgebildete Ehrenamtliche. Nach ihnen ist das Kölner Team auch im kommenden Jahr wieder auf der Suche.
Bei der Telefonseelsorge ist immer jemand da - und es ruft immer jemand an. Ausnahmen gibt es nur nachts vereinzelt. Die Stimmen in der Leitung sprechen über intimste Probleme: Von Stress in der Ehe bis hin zu Depressionen ist fast alles dabei. Jeder Anruf bleibt streng anonym. Die Telefonseelsorge ist ein Angebot der evangelischen und katholischen Kirche, beide haben eine eigene Zweigstelle in Köln.
Nummern der Telefonseelsorge: 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222
Seit dem Krieg in der Ukraine gibt es einen neuen Trend unter den besprochenen Themen: Ängste. Mittlerweile stehen sie auf Platz Zwei. „Die Krisen scheinen die persönlichen Ängste stärker zu machen“, erklärt Annelie Bracke, Leiterin der katholischen Seelsorge Köln. Finanzielle Ängste, Zukunfts- oder Verlustängste können darunter vorkommen. „Zuvor, vor allem während der Pandemie, wurde öfter über Isolation und depressive Stimmung gesprochen.“ Auf Platz Eins stehen nach wie vor Beziehungsprobleme.
Nichts Geringeres als ein Menschenleben kann während eines Telefonats auf dem Spiel stehen: „Eine akut suizidale Frau hat bei uns angerufen. Dank des Gesprächs hat sie sich dazu entscheiden, selbst einen Krankenwagen zu holen und sich in eine Klinik bringen zu lassen“, erzählt Dorit Felsch, Leiterin der evangelischen Telefonseelsorge Köln. Dann die Erleichterung: Die Frau habe sich später gemeldet. „Sie hat sich bedankt, weil das Gespräch ihr Leben gerettet hat.“
Auch per Mail oder im Chat ist die Telefonseelsorge Köln zu erreichen. Das Thema Suizidalität ist hier stärker ausgeprägt als am Telefon: 24 Prozent aller Mails und 23 Prozent aller Chatnachrichten drehen sich darum. Und: Die Hilfesuchenden sind hier meistens jünger. Das Telefon sei aber nach wie vor gefragt, sagt Bracke. Seit 2022 habe es eine Steigerung von 17 Prozent bei den Anrufenden zwischen 20 und 29 Jahren gegeben.
„Wir schließen eine Lücke in der Gesellschaft, die sonst niemand füllen kann.“ Das zeigt auch die Menge der Anrufe: „Die Leute müssen sich leider oft darauf einstellen, dass sie beim ersten Anruf nicht durchkommen.“ Um mehr Hilfesuchende zu betreuen, fehlt den beiden Kölner Zweigstellen die technische und räumliche Kapazität - an Personal mangelt es aktuell nicht.
Einjährige Ausbildung
15 Stunden pro Monat arbeiten die Ehrenamtlichen bei der Telefonseelsorge. Bevor sie alleine den Hörer abnehmen, bekommen sie eine einjährige Ausbildung, die 130 bis 150 Stunden dauert. Dabei lernen die Ehrenamtlichen, mit den Krisen anderer umzugehen, sowie sich zu Hause davon abzugrenzen.
An den Telefonen der Seelsorge sitzen die unterschiedlichsten Menschen. Sie kommen aus fast allen Berufsgruppen und sind zwischen 25 und 80 Jahren alt. Ihre Motivation haben sie jedoch alle gemeinsam: „Die Arbeit bei der Telefonseelsorge fühlt sich enorm sinnvoll an“, fasst Felsch zusammen.
Die nächsten Ausbildungen starten bei der katholischen Telefonseelsorge im Januar und bei der evangelischen im August. Alle Infos gibt es auf der jeweiligen Website.