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Steinmetz Rainer WalkIn der Heimatstadt verewigt

Lesezeit 5 Minuten

Die Werkstatt von Rainer Walk liegt am Höninger Platz; inzwischen führt seine Tochter den Betrieb in vierter Generation.

Köln – Ein Samstagmorgen am Südfriedhof: Trauernde machen sich zur Grabpflege auf, eine Bahn der Linie 12 steht an ihrer Endstation. Wie in den Blumengeschäften, so herrscht auch in der Steinmetzwerkstatt von Rainer Walk schon reger Betrieb: Seine Tochter bearbeitet einen zukünftigen Grabstein mit dem Elektromeißel.

In der Altstadt steht der von Ihnen geschaffene „Fischmarkt-Brunnen“. Wie kam es dazu?

Anlässlich eines Jubiläums der Kreishandwerkerschaft wurde in den 1980ern ein großer Handwerkermarkt veranstaltet. Wir von der Steinmetz- und Bildhauer-Innung hatten dort einen Sandsteinblock aufgestellt, an dem auch das Publikum arbeiten durfte. Unsere Idee war, ein Brunnenbecken entstehen zu lassen und es der Stadt zu spenden.

So entstanden damals öffentliche Kunstwerke?

Ja, die Stadt hat gesagt: Das ist aber nett von euch, wir hätten am liebsten einen Brunnen für den Fischmarkt.

Und dann kamen Sie ins Spiel?

Das war natürlich eine Herausforderung. Nach einigem Hin und Her und diversen Entwürfen waren wir uns irgendwann einig. Der Brunnen orientiert sich in seiner Gestaltung an den romanischen Formen von Groß St. Martin, die Kirche ragt ja im Hintergrund auf.

Was mir gefällt: Ihr Brunnen kommt weder so idealisiert noch so folkloristisch daher, wie man das andernorts in Köln kennt. Die Fischweiber wirken realistisch erschöpft von ihrer Arbeit.

Ja, wobei die vier Frauen vier verschiedene Typen verkörpern. Eine reißt marktschreierisch den Mund auf, eine andere scheint schon fast zu schlafen, und eine dritte träumt still vor sich hin.

Und schlussendlich haben sie sich dann doch ein paar kleine Scherze erlaubt.

(lacht) Ja, wer genau hinsieht, findet ein Fischskelett, ein Papierschiffchen und eine „Meerjungfrau“. Im Moment ist der Brunnen leider nicht mehr gut in Schuss, der müsste dringend überholt werden.

Sehen Sie sich als Künstler oder Handwerker?

Als es damals um den Brunnen ging, kam auch die Frage auf, ob man statt eines Handwerkers nicht einen Künstler damit beauftragen sollte. Ich sehe mich irgendwo dazwischen, sowohl – als auch.

Waren sie beim Rathausturm auch schon in der ersten Runde dabei?

Ja, ich habe mich an der Ausschreibung für die heilige Ursula beteiligt und diese dann auch gewonnen. Konrad von Hochstaden und Gerhard Unmaze kamen über die Kreishandwerkerschaft hinzu, die beiden stehen auf einer Zwillingskonsole.

Fiel Ihre Ursula dann wegen der mangelhaften Schutzbehandlung auch peu à peu aufs Pflaster?

Nein, die erste Fassung steht bis heute bei der Kreishandwerkerschaft, im Foyer vom Stapelhaus. Diese Sache war nicht gerade erfreulich. Alle Figuren wurden deshalb erneuert.

Welches Gesicht haben sie Ursula gegeben? Das Ihrer Frau?

Nein, das ist eher abstrakt. Außerdem müssen Sie bedenken: Die Heiligen stehen ganz oben am Turm, da muss man wegen der Perspektive völlig andere Proportionen herstellen.

Nämlich?

Wenn Sie vor so einer Figur Auge in Auge stehen, sagen Sie sich: Mein Gott, was für ein Bummskopf! Auch die Augen sind riesengroß. Aber weil Sie ja so weit nach oben schauen müssen, gleichen sich die Proportionen wieder aus.

Wie fühlt man sich, wenn man in seiner Heimatstadt mehrfach verewigt ist?

Das macht mich schon stolz. Der Brunnen und die Rathausfiguren sind die bisherigen Highlights meines Berufslebens. Aber der Schwerpunkt meiner Arbeit ist immer die Gestaltung des Grabmals. Dort will ich Zeichen setzen.

Wie macht man das?

Die heutige Uniformität der Alltagswelt spiegelt sich auch auf dem Friedhof wider. Aber jeder Mensch ist etwas Einzigartiges, und das sollte man auch an seinem Grab spüren können. Folglich sollte ein Grabmal mehr als ein simpler Schriftträger sein à la „Hans Schmitz, geboren, gestorben“. Stattdessen sollte sich etwas Individuelles zur Person oder zur Lebensanschauung des Verstorbenen finden.

Gibt es hier nebenan auf dem Südfriedhof ein besonders auffälliges Grabmal von Ihnen?

Auf dem Hauptweg, linke Seite, liegt die Grabstätte von Berlin, die seinerzeit einiges Aufsehen erregte: Auf einem dreistufigen Postament wächst ein großer Bogen, in dessen Durchgang eine schlanke Kreuzstele steht. „Et Himmelspöötzje vom Südfriedhof“, schrieben die Zeitungen damals sinngemäß.

Haben Sie ein Lieblingsgestein?

Grob gesagt, unterscheidet der Steinmetz zwischen weichen Steinen wie Marmor oder Kalkstein und harten wie Granit. Mit modernen Werkzeugen können sie die heutzutage auch gut bearbeiten. Aber von der Gestaltung her bevorzuge ich einen weichen Stein, an dem man eben ganz traditionell manuell arbeiten kann.

Grabblumen werden gern von Karnickeln gefressen. Haben Steine auch natürliche Feinde?

Nein, Granit sowieso nicht. Sandsteine dunkeln nach, aber die übliche Laufzeit eines Grabes von 20, 30 Jahren überstehen die auch locker.

Trotzdem scheinen harte Steine bevorzugt zu werden.

Die Leute stellen sich einen Grabstein gern als unverwüstlich vor und bestellen deshalb harte, polierte Steine. Andererseits: Die biologische Patina auf einem handwerklichen Stein erzeugt auch einen gewissen Charme. Und warum soll man einem Stein nicht ansehen, dass er altert? Schließlich entwickelt man mit der Zeit doch auch einen gewissen Abstand zum Tod des Angehörigen.

In einem Buch über Schreiner las ich, dass die sich bereits in jungen Jahren ihren Sarg zimmern. Existiert eine solche Tradition auch bei Steinmetzen?

Nein. Mancher Kollege mag sich schon zu Lebzeiten seinen Grabstein gestalten. Aber für mich kommt das nicht in Frage.

Warum?

Wir haben eine Familiengrabstätte auf Melaten, deren Stein mein Großvater gemacht hat. Objektiv betrachtet hat diese Grabstätte einige Mängel. Aber es ist natürlich schwer für mich, dem Opa sozusagen ins Handwerk zu pfuschen.

Wie sähe Ihr eigener Stein aus?

Ich hatte schon Schwierigkeiten mit den Ergänzungen für meine Eltern. Das Problem ist: Der Mensch ändert sich, auch ich werde mich weiter verändern, man lernt nie aus. Manches meiner älteren Gräber würde ich heute anders gestalten, und auch der Stein, den ich jetzt bauen würde, sähe in ein paar Jahren anders aus. Ich strebe da nach einer Perfektion, die praktisch für mich selbst nicht zu erreichen ist.