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„Sie brauchen Zusammenhalt“Jüdische Kinder in Köln haben es gerade besonders schwer

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Jungen mit Kippa auf Treppenstufen

Jüdische Kinder gehen derzeit weniger als sonst zu ihren Treffen in der Synagogengemeinde, weil viele Eltern Angst haben.

Die Leiterin des Jugendzentrums der Synagogengemeinde Köln sieht, wie schwer die Lage der jüdischen Kinder und Jugendlichen in Köln derzeit ist.

„Jedes jüdische Kind, und wenn es noch so klein ist, ist ein Teil und betroffen davon“, sagt Ariella Dumesch über den Überfall der Hamas auf Israel. Als Leiterin des Jugendzentrums der Synagogengemeinde Köln sieht sie, wie schwer die Lage der jüdischen Kinder und Jugendlichen in Köln derzeit ist: „Kleine Kinder sehen ihre Eltern telefonieren und weinen.“ So sei die Verunsicherung selbst für die jüngsten Mitglieder der Gemeinde spürbar. Vor dem verstörenden Wissen, dass die Hamas teilweise sogar Babys enthauptete, könne man kleine Kinder noch schützen – „aber wenn sie Zugriff auf Instagram und Tiktok haben, dann sehen sie es“. Und das trifft nun einmal auf die meisten Kinder ab einem gewissen Alter zu.

Appell an die Gesellschaft: Solidarität zeigen

Im Gemeindezentrum versucht Dumesch, den Kindern und Jugendlichen einen Raum zu bieten, wo sie reden, weinen oder miteinander singen können. So einfach ist das allerdings nicht, da einige Eltern momentan Sorge haben, ihr Kind in die Roonstraße zu bringen, um es dort in die Synagoge gehen zu lassen. Das sei verständlich – und doch bräuchten die Kinder eigentlich Treffen in Präsenz. „Sie brauchen Zusammenhalt und das Gefühl, dass sie nicht alleine sind. Deswegen ist mein Appell an die demokratische Gesellschaft, jetzt Solidarität zu zeigen.“

Um die Sicherheit der Kinder zu erhöhen, ohne sie zu sehr einzuschränken, werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen: „Kein Kind geht alleine, aber sie gehen auch nicht in großen Gruppen, um nicht aufzufallen.“ Äußere Glaubenssymbole in der Öffentlichkeit fallen auch für die Kinder weg, „Auch ich selbst verzichte auf meine Davidstern“, sagt die Jugendzentrumsleiterin. Ihre Erfahrung: „Wenn man ihn trägt, überlegen Leute immer: „Ist sie Jüdin – oder nicht?’ Und jetzt hat man Angst um sein Leben und um seine Familie.“

Ein Thema, das man nicht „satt haben“ darf

Antisemitismus gehöre für jüdische Kinder zum Alltag, sagt sie: „Früher oder später ist jedes jüdische Kind damit konfrontiert.“ Die 31-Jährige erinnert sich noch gut an ihre eigenen Schulzeit, als die Klasse „Damals war es Friedrich“ gelesen hat, die Geschichte eines jüdischen Jungen in der NS-Zeit. Der Lehrer habe gefragt, wer einem jüdischen Kind helfen würde, auch wenn man sich damit selbst in Gefahr brächte. „Alle, selbst meine Freundinnen, sagten, dass sie lieber sich selbst schützen würden.“ Heute sind es Kommilitoninnen, die sagen: „Dieses Thema habe ich satt“, wenn es um den Holocaust geht. Aber es sei so notwendig, in der Schule immer wieder darüber zu sprechen: „Sonst können Kinder als Erwachsene gefährliche Perspektiven entwickeln.“

„Einige aus der Kölner Gemeinde waren zur Zeit des Überfalls selbst in Israel. Jeder kennt jemanden, der ermordet oder entführt wurde oder an der Front dient.“ In ihrer eigenen Verwandtschaft war es ein angeheirateter Cousin, aber sie betont darüber hinaus die Verbundenheit des Volkes: „Wir alle haben in Israel sieben Millionen Brüder und Schwestern.“

Jetzt trifft es die Synagoge, aber wann die Kirche? Politiker müssen jetzt schnell handeln.
Ariella Dumesch

Ihre aktuelle Sorge gilt jedoch nicht nur dem jüdischen Leben, sondern allen Institutionen und Menschen, die nicht den radikalen Vorstellungen derer entsprechen, die bei Pro-Palästina-Demonstrationen antisemitisch auftreten: „Jede Woche gehen Zehntausende in Europa auf die Straße. Jetzt trifft es die Synagoge, aber wann die Kirche? Politiker müssen jetzt schnell handeln.“