Locationscout Rüdiger Jordan fahndet mit Scannerblick nach filmreifen Orten in Köln. Heute ist Martina Windrath zu Besuch bei Rüdiger Jordan - dessen Wohnung selbst schon eine gute Location abgibt.
Serie zu Film & Fernsehen in KölnImmer auf der Suche – unterwegs mit einem Locationscout in Köln
Köln hat den Dreh raus, sagt die Stadt. In lockerer Folge stellt die Rundschau kreative Menschen der Film- und Fernsehlandschaft in Köln vor.
Rüdiger Jordan läuft meistens mit suchendem Blick durch Städte. Er scannt Häuser und Straßen, Restaurants und Wohnungen ab – immer die Frage im Kopf: Ist das ein Ort mit Potenzial für einen Film? „Das ist so eine Art Deformation professionelle, eine Berufskrankheit“, sagt der Kölner Drehortsucher, der nach geeigneten Locations fahndet, viel in ganz NRW recherchiert und Fotos macht. „Ich suche oft das, was es eigentlich genauso nicht gibt“, so der 53 -Jährige.
„Rocky Mountains“ im Siegtal gefunden
Für Lars von Triers „Antichrist“ musste zum Beispiel eine Waldlichtung ähnlich wie in den Rocky Mountains gefunden werden, samt Hütte und Eiche. Jordan entdeckte eine solche Lichtung tatsächlich im Siegtal, die fehlende Hütte und der Baum wurden gebaut. Ganz einfach war es in diesem Fall: Die Beziehungsgeschichte „Gut gegen Nordwind“ wurde nach dem Email-Roman fürs Kino in Jordans Kölner Mietwohnung in Szene gesetzt. Die Maisonette unterm modernen Glasdach bietet freien Blick auf den Rhein und die Mülheimer Brücke, individuell eingerichtet mit Midcentury-Möbeln auf Betonböden. „Hier ist einer meiner Lieblingsplätze“, sagt Jordan am Panoramafenster. Aussicht und Ausstattung – filmreif.
Der Kölner arbeitet im Auftrag von TV- und Kinoproduktionen „an der Schnittstelle zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, an der Umsetzung von fiktiven Stoffen an realen Orten. „Eine Polizeiwache aus den 70er Jahren zum Beispiel wird man sicher nicht mehr finden – dann muss ich überlegen, wo man Räume entdeckt, die mit möglichst wenig Aufwand als alte Wache hergestellt werden können, was der Illusion möglichst nahekommt und für Dreharbeiten auch zur Verfügung steht“, erläutert Jordan, Vizepräsident des Bundesverbands der Locationscouts.
Er kann in seiner Datenbank mit 570 000 verschiedenen Fotos auf einen großen Fundus zurückgreifen. Arztpraxen und Anwaltskanzleien, Gefängnis und Krankenhaus: Der Locationscout hat schon unzählige Drehorte gesucht und gefunden, ob für öffentlich-rechtliche Produktionen, Miniserien oder auch Werbe- und Musikvideos. Herausragende Objekte wie die früher noch leerstehende alte Eisenbahndirektion am Rhein gebe es jedoch immer seltener. Es gebe kaum noch Leerstand. In etliche kämen die Filmteams auch immer seltener hinein, weil die Eigentümer oft nicht die Zeit dafür hätten. Jordan wünscht sich „mehr Bereitschaft drehen zu lassen und weniger Immobiliendruck, so dass die Kulturszene günstige freie Nischen für Zwischennutzungen findet“.
Bei der Recherche sind statt allzu plakativen Wahrzeichen wie dem Kölner Dom universellere Locations gefragt. Ein toller Ort ist für Jordan das Rheinische Eisenbahnmuseum an der Longericher Straße mit verwilderten Gleisanlagen und historischen Bahnen. Eine gute Location für einen konspirativen Treff junger Leute etwa oder Ort, wo Drogendeals inszeniert werden könnten.
Viele Szenen werden in Villen und Wohnungen produziert. Zu-vor müssen die „Motivgeber“ allerdings aus ihrer Bleibe zeitweise ausziehen und akzeptieren, wenn vorübergehend die Einrichtung geändert und Wände anders gestrichen werden. „Das wird natürlich alles wieder in den originalen Zustand zurückversetzt“, versichert Jordan. Er muss dafür nicht selten zuvor erst einmal Überzeugungsarbeit leisten. „Ich sage den Motivgebern dann immer: Da kommt ein kleiner Wanderzirkus auf sie zu, das können durchaus 40 bis 50 Leute in der Crew sein, die anrücken.“
Zur Person
Rüdiger Jordan (53) ist Vizepräsident des Bundesverbands der Locationscouts mit rund 70 Mitgliedern. Nach einem Kunstgeschichtestudium arbeitet er seit rund 30 Jahren in der Filmbranche, zunächst als kaufmännisch-organisatorischer Produktionsleiter im TV- und Kinobereich und seit 20 Jahren auch als Locationscout und Motivexperte. Wer Motivgeber werden und sein Haus, Büro, Garten oder andere Objekte (ab 80 qm) anbieten möchte (gegen Entgelt), kann sich an den Verband wenden. (MW)
Von den ersten Vorschlägen für Drehorte bis zur filmischen Umsetzung vergehen zwei bis vier Monate. So wie beim gerade abgedrehten Mehrteiler der ARD Degeto über den früheren mächtigen Bankmanager Alfred Herrhausen, eine filmische Auseinandersetzung mit der jüngeren Zeitgeschichte. Orte mit Stimmungen wie in den späten 80er Jahren waren dafür gefragt. „Und wenn man auf die Suche geht, merkt man an sehr vielen Details, wie viel sich im Lauf der Zeit geändert hat“: Die Telefonzellen sind verschwunden, es gibt keine Parkuhren mehr. Stattdessen gehören viele Poller zum Stadtmobiliar, die im Zweifel für den Dreh abzubauen sind, damit es authentisch rüberkommt. Teils werden unstimmige Details elektronisch herausretuschiert oder eingefügt.
Auch für den Kinofilm „Manta Manta ¬ Zwoter Teil“ war Rüdiger Jordan für die Drehort-Recherche zuständig. „Ich bin ja als Locationscout immer lange schon wieder mit anderen Produktionen befasst, bevor die eigentlichen Dreharbeiten losgehen“, sagt er mit Blick auf die aktuellen Schlagzeilen zu Drehbedingungen am Set des Films von Til Schweiger. Der Bundesverband der Scouts setze sich grundsätzlich „schon seit vielen Jahren dafür ein, dass die Arbeitsbedingungen vernünftig werden und bleiben. Filmbusiness ist Teamwork - und gegenseitiger Respekt sehr, sehr wichtig.“