Die Kölner Sängerin Sonia Liebing hat schon mit vielen Stars zusammengearbeitet. Mit Bernd Imgrund sprach sie über ihre Lust am deutschen Schlager.
Schlagersängerin Sonia Liebing„Ich habe eine Kölner Schnauze“

Sonia Liebing (35) kommt aus Bickendorf und erobert aktuell die Schlagerszene.
Copyright: Manfred Liebing
In der Realschule waren Sie Mitglied einer Schülerband.
Wir haben kölsche und Karnevalsmusik gespielt. Aber das ist verdammt lange her, da war ich 13, 14. Ich war auch im Schulchor, und mein Papa hat mich bei den Lucky Kids angemeldet.
In der Band waren Sie die Frontfrau?
Ja, aber mit einer Freundin zusammen. Ich habe mich nie getraut, alleine zu singen. Es musste immer jemand mit mir vorne stehen, sonst hätte ich meinen Mund nicht aufbekommen.
Sie waren schüchtern?
Wenn ich singen sollte, habe ich mich umgedreht. Ich hatte nie den Glauben an mich selbst. Ich habe immer gedacht, meine Stimme ist nicht so schön, ich nerve die Leute.
Gab es einen Schlüsselmoment, in dem sich das änderte?
Die Wende kam am 30. Geburtstag meines Mannes. Ich hatte ihm eine Überraschungsparty organisiert, habe mir Mut angetrunken und über den Wendler drübergesungen. Ein Bekannter meinte, du gehörst auf die Bühne. Der ist mir dann drei Jahre hinterhergelaufen, weil ich auf seinen Festen in Stolberg auftreten sollte. Irgendwann habe ich „Ja“ gesagt, den Leuten hat's gefallen, und dann kamen die ersten Veranstalter auf mich zu.
Was ist ein Schlager?
Das ist deutsche Musik. Wir singen sehr viel über die Liebe. In der Schlagerwelt kann man seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Schlager holen dich aus dem Alltag raus, du vergisst deine Sorgen. Schöne Musik, die ich verstehe und die mich glücklich macht. Und auch der Sound, der Beat lässt mein Herz höher schlagen.
Warum sind Schlager so beliebt?
Ich kenne niemanden, der sich nicht mit dem Schlager identifizieren kann. Und wenn es nur ein Song aus seiner Kindheit ist. Viele spotten über die Schlagermusik und sagen „Um Gottes Willen, hau mir ab damit.“ Ist aber das erste Glas Kölsch intus, können sie alles mitsingen.
Was antworten Sie, wenn jemand sagt, Schlager sind seicht, oberflächlich und verlogen?
Ich lasse ihm seine Meinung. Ich muss niemanden belehren oder bekehren. Ich mache das, was mir gefällt. Und ich habe sehr viel Zuspruch. Deswegen ist das so in Ordnung für mich.
Ich kann auch mindestens 50 Schlager mitsingen. Ältere allerdings, Dieter Thomas Heck-Ära.
Na, sehen Sie.
Woran erkennt man einen guten Schlager?
Wer entscheidet, was gut und was schlecht ist? Manch einer findet meinen Stil nicht so gut, weil er mit konservativen Schlagern besser klarkommt. Oder weil er's noch poppiger oder ballermannlastiger will. Jedem das Seine!
Jemand schrieb über Sie: „Sie scheut sich nicht, auch jene Herzensthemen anzusprechen, die wehtun.“
Ich singe nicht nur über die Liebe, über das rosarote Leben, Ich lieb dich, du liebst mich. Ich singe auch über das Verlassenwerden, über Einsamkeit, über gebrochene Herzen und übers Fremdgehen.
Ein neueres Lied von Ihnen heißt „Sag ihr nichts von mir“.
Das ist eine Story von zwei Freundinnen, und eine verguckt sich in den Typen der anderen. Das Lied knüpft an „Grüße an Sarah“ von Vicky Leandros aus den 70ern an. Ein wunderschöner Song: Grüße an Sarah, aber sagt ihr nichts von mir.
Wer schreibt Ihre Lieder?
Die ersten Alben wurden für mich maßgeschneidert. Ab dem dritten Album habe ich mitgeschrieben, und das vierte wird fast komplett aus meiner Feder stammen. Wenn mir eine schöne Textzeile einfällt, eine Idee zu einem Song, sichere ich die sofort in meinem Handy.
Haben Sie aktuell eine Idee?
Ich möchte über einen Engel singen, über eine Lebensretterin. Eine alte Dame verwickelt mich am Bahnhof in ein Gespräch, ich verpasse meinen Zug, und der Zug verunglückt. Dieser Frau habe ich dann mein Leben zu verdanken.
Sind Sie auf der Bühne jemand anderes?
Nein, ich bin da sehr authentisch. Ich habe eine Kölner Schnauze und bringe immer gern mal einen Gag. Ich versuche, die Leute mitzunehmen, mitsingen zu lassen. Mein Ziel ist es, dass jeder mit einem Lächeln nach Hause geht und sich an meinen Namen erinnert.
Florian Silbereisen oder Andy Borg?
Andy Borg, weil ich ihn seit meiner Kindheit höre. Mit seiner Musik bin ich groß geworden.
Wie ist er als Moderator von Schlagersendungen?
Super witzig, er ist sich für nichts zu schade. Hält das Mikro beim Playback falsch rum, das ist einfach Andy Borg.
Andrea Berg oder Helene Fischer?
Fiese Frage, aber da würde ich aus dem selben Grund Andrea Berg sagen. Sie ist die Schlagerikone, die mich für diese Musik begeistert hat. Meine Schwiegermutter hatte ein Café in Bickendorf, da liefen nur Schlager und sehr oft Andrea Berg.
In Bickendorf sind Sie auch aufgewachsen.
Meine Kindheit habe ich draußen verbracht. Wir haben Fußball gespielt und sind auf Bäume geklettert. Meine Beine sind voller Narben.
Wenn jemand schreibt, Sie seien Helene Fischers optisches Abziehbild: Ist das schmeichelhaft oder doof?
(lacht) Das ist billig. Bis vor drei Tagen hatte ich noch rote Haare, und man hat mich mit Andrea Berg verglichen. Andererseits: Wenn man mit einer Helene Fischer verglichen wird, ist das natürlich ein großes Kompliment.
Eine Parallele von Ihnen beiden ist der östliche Familienhintergrund. Ihre Eltern sind Polen.
Ja, und ich spreche auch Polnisch. Wir waren gerade erst dort, um meine Großeltern zu besuchen. Ich genieße das sehr. Die Menschen in Polen sind einfach anders, viel freundlicher, kinderfreundlicher, gastfreundlicher. Es ist einfach schön dort.
Gibt es in Polen Schlager?
Na klar. Letztes Jahr war Patrick Lindner da, die wollten mich auch buchen. Aber zu der Zeit konnte ich leider nicht.
Apropos Auslandsgigs: Lieber mit Michael Holm nach Mendocino oder mit Roberto Blanco nach Amarillo?
(lacht) Eher nach Mendocino. Michael Holm ist ein ganz toller Kerl. Ich durfte mit ihm bei Giovanni Zarella auf einer Bühne stehen und mit ihm gemeinsam singen. Er ist sehr charmant, sehr höflich. Man spürt, wenn er einen Raum betritt, der Mann ist wirklich eine Erscheinung. Er wollte mit mir ein Duett machen, aber leider hat sich das damals mit meinem Album überschnitten.
Sie haben auch ein Duett mit Bernhard Brink gesungen.
Ein Mensch wie du und ich. Der sagt, was er denkt, auch wenn es dem Gegenüber vielleicht nicht gefällt.
Mit welcher kölschen Musik sind Sie aufgewachsen?
Mit den Bläck Fööss und den Höhnern, vor allem an Karneval. Ich muss aber sagen, dass die kölsche Musik mich nie so berührt hat wie der Schlager. Meine polnischen Eltern haben immer Schlager gehört, aber eben nichts Kölsches. Bei meinem Mann ist das anders, durch ihn kenne ich Lieder wie „Ich han ´nen Deckel“ von den Fööss.
Sie sind gelernte Einzelhandelskauffrau. Warum haben Sie Mitte der 2010er eine weitere Ausbildung als Kosmetikerin gemacht?
Ich habe im Betrieb meines Mannes und meiner Schwiegereltern gelernt und gearbeitet. Ich verstehe mich sehr gut mit ihnen, aber ich wollte mein Glück nicht herausfordern, sondern was Eigenes machen. 2017 habe ich ein Heidengeld in die Hand genommen und ein kleines Kosmetikstudio eröffnet, aber dann kam parallel der erste Plattenvertrag. Ich musste mich entscheiden und habe alles auf die Musik gesetzt.
Ist Schlagersängerin ein harter Job?
Sehr hart. Dir werden viele Steine in den Weg gelegt, viele Menschen meinen es nicht ehrlich mit dir. Du kommst naiv da rein, die bauen dir Luftschlösser und nehmen dich danach aus wie eine Weihnachtsgans. Ich bin schon betrogen worden, ich musste mich aus Verträgen rauskaufen und mir einen Anwalt nehmen. Aber ich bin auch selbst schuld, schließlich habe ich die Verträge unterschrieben. Inzwischen bin ich schlauer geworden.
Gibt es im Schlagergeschäft noch tragische Figuren wie Rex Gildo oder Roy Black, die eigentlich jemand anderes waren, die was anderes wollten?
Die Schlagerszene ist offener und ehrlicher geworden, finde ich. Es wird immer Leute geben, die nur auf den Zug aufspringen, um erfolgreich zu sein. Bei mir ist das anders, ich liebe und lebe Schlager. (An dieser Stelle krempelt Sonia Liebing ihren Ärmel hoch und zeigt mir den eintätowierten Schriftzug „Schlager“ auf ihrem Unterarm.) Ich bin eine Schlagernudel, durch und durch, man nennt mich auch „die laufende Jukebox“. (lacht)
Haben Sie Rituale vor dem Auftritt?
Ich gehe in mich, rede mit mir und atme ganz ruhig. Ich fasse auch gerne noch mal die Stufe an, die ich gleich hochgehe. Und ein kleiner Kurzer darf es auch sein.
Polnischer Wodka?
Nein, eher ein Jägermeister oder Underberg.
Wie geht es bei Schlagerfestivals hinter den Kulissen zu?
Man hat seine Lieblinge, du kannst nicht mit jedem klarkommen. Wenn ich auf einer Veranstaltung Leute wie Marina Marx, Oli P. oder Anna-Maria Zimmermann treffe, setzen wir uns nach der Show zusammen. Wir haben Spaß, lachen zusammen und versacken auch gerne mal an der Bar, das kommt auch vor.
Sie sind gut gebucht, aber noch nicht ganz oben. Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?
Ich hoffe, ich darf weiterhin erfolgreich Musik machen. Das reicht mir schon, ich muss gar nicht ganz oben mitspielen. Ich kann hier in Pulheim ganz gemütlich meinen Kaffee trinken, ohne belagert zu werden. Ich genieße mein Familienleben, und verbringe sehr viel Zeit mit meinen Kindern. Das soll auch weiter so bleiben.
Sie haben zwei Töchter, 2011 und 2014 geboren. Welche Musik hören die?
Auch Schlager. In ihren jüngeren Jahren hatten sie letztlich gar keine andere Wahl, weil bei uns eben Schlagermusik läuft. Aber unsere Große entwickelt inzwischen ihren eigenen Geschmack. Sie ist Ariana Grande-Fan.
Der französische Gangsta-Rap kommt dann in ein, zwei Jahren.
Oh Gott, hoffentlich nicht. Ich glaube, dass unsere Kinder lernen, gute und schlechte Musik zu unterscheiden.
Haben Sie sich schonmal beim ESC beworben?
Nein, da kannst du als Deutscher ja nur verlieren. Und dann bist du am nächsten Tag der Depp der Nation. Das mache ich nicht.