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Das war 2023 in KölnStillstand auf Baustellen, Sanierungsdrama der Bühnen, fehlende Schulplätze

Lesezeit 8 Minuten
Die Oper am Offenbachplatz.

Die Oper am Offenbachplatz.

Im ersten Teil unserer Chronik schauen wir auf Bauten und Bauprobleme. Denn auch im zurückliegenden Jahr dauerte manches Vorhaben etwas länger.

Stillstand auf Kölner Baustellen

So richtig traut sich keiner mehr aus der Deckung. Da, wo eigentlich mit der dringendste Handlungsbedarf besteht, herrscht weitgehend Stillstand: Die Projektentwicklung für den Wohnungsbau ist 2023 in weiten Teilen zum Erliegen gekommen. Das einst hochgesteckte Ziel von 6000 neuen Wohnungen pro Jahr liegt selbst für die hartnäckigsten Optimisten außer Sichtweite. Mittlerweile nennt die Stadt gar keine Zahl mehr, nachdem die Dezernenten im Rundschau-Interview von der ehemaligen Größenordnung abgerückt waren. Auch die GAG, größte Vermieterin der Stadt, nimmt Abstand von neuen Projekten.

Die Gründe sind vielfältig. Corona-Nachwirkungen, der Krieg in der Ukraine, Facharbeitermangel, Nahost, Energiekrise, vor allem aber die sprunghaft hochschnellende Inflation und die damit verbundenen Zinsanstiege machten der Wohnungswirtschaft zu schaffen. Und alles hängt irgendwie zusammen. Für sich genommen ist jeder einzelne Faktor ein Problem, zusammengenommen kaum noch handhabbar.

Investoren geht das Geld aus

Die Investoren fallen reihenweise aus, zu viel Risiko bei zu wenig nachhaltigem Geschäftsgebaren führen selbst bei vermeintlich kleinen Einbrüchen zu einem Domino-Effekt, der selbst – oder gerade – die Großen der Branche ins Wanken bringt. Köln bekommt dies ganz besonders beim Laurenz-Carré zu spüren, dessen offene Wunde nach der Insolvenz der Düsseldorfer Gerch-Group noch einige Zeit mitten in der Stadt bluten wird. Wie es direkt am Dom weitergehen wird, steht zurzeit noch in den Sternen.

Allerdings: Die großen Kölner Player scheinen ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Zumindest mehren sich die Anzeichen, dass eine eher konservative Strategie die Einschläge geringer hält als bei Hochrisiko-Investments. Doch auch hier ist eine deutliche Zurückhaltung bei Neueinstiegen zu erkennen.

Und eine Konfliktlinie der Kölner Wohnungsbauwirtschaft mit der Stadtverwaltung war gerade beim eigentlich so sinnvollen Wohnungsbauforum sichtbar: Dort setzte die Köln AG die Gespräche mit der Stadt aus. Zur Köln AG zählen 57 Wohnungsunternehmen sowie 15 fördernde Unternehmen aus dem wohnungswirtschaftlichen Dienstleistungsumfeld inklusive der GAG. Grund: Man fühlte sich von Politik und Verwaltung nicht ernst genommen, habe ausgefertigte Vorlagen zur „Diskussion“ vorgelegt bekommen. Das Interesse an einem echten Austausch, für den das Forum einst eigentlich gegründet wurde, sei nicht mehr erkennbar gewesen. Inzwischen redet man wieder miteinander, die grundsätzliche Kritik am Verhalten der Stadt aber hält die Köln AG seitdem aufrecht.

Doch keimt Hoffnung auch ausgerechnet dort auf, wo die Stadt selbst in die Erschließung neuer Projekte geht. Am Deutzer Hafen etwa. Dort wird das neben Parkstadt-Süd und Kreuzfeld wichtigste Kölner Bauprojekt der nächsten Jahre schon bald konkrete Formen annehmen. 3000 Wohnungen, 6000 Arbeitsplätze, Kitas und Schulen hat sich die Entwicklungsgesellschaft „moderne stadt“ auf dem Filetstück schräg gegenüber der Altstadt auf die Fahnen geschrieben. Sie ist eine städtische Tochter und hat unter anderem den Rheinauhafen, die Clouth-Werke und die neue Mitte Porz realisiert.

Ruf nach dem Erhalt vorhandener Bausubstanz

Man wird sehen, inwieweit die hochtrabenden Pläne für den Deutzer Hafen Wirklichkeit werden und wie viel davon von der Kölner Realität wieder eingefangen wird. Tatsache ist aber auch: Die Entwicklung geht ungeachtet der schwierigen Bedingungen weiter. Auch wenn, anders als erhofft, die Stadt wohl mit einem Minus daraus hervorgeht. Sich auf den einen großen oder auch mehrere mittlere Investoren zu verlassen, ist riskant – zuletzt nicht nur beim Laurenz-Carŕe sichtbar, sondern etwa auch in Mülheim-Süd.

Immer lauter wird auch der Ruf nach dem Umbau und Erhalt vorhandener Bausubstanz – Stichwort „graue Energie“. Was nichts anderes heißt, als bestehende Hochbauten zu erneuern. Was sich mitunter aber als tückisch erweist, denn in Köln wurde in den 50er und 60er Jahren viel gebaut mit dem, was da war – das Wort „Substanz“ bekommt hier schnell eine andere Bedeutung.

Geht es in den Bereich Denkmalschutz, wird es ganz schwierig. Als Beispiel mag die Bastei am Rheinufer herhalten, seit Jahren baufällig. Mittlerweile so sehr, dass die Streben gestützt werden müssen. Besserung ist kaum in Sicht, theoretisch müsste das Gebäude abgetragen und neu aufgebaut werden. Angesichts anderer Aufgaben eher illusorisch.


Kölner Bühnen: Sanierungsdrama geht weiter

Die Zahlen sind jetzt schon episch: Zwölf Jahre wird die Sanierung der Bühnen gedauert und mit knapp 700 Millionen Euro zu Buche geschlagen haben – mindestens, wenn die Sanierung endlich abgeschlossen ist. Geplant waren für die Instandsetzung am Offenbachplatz mal 253 Millionen Euro. Und dennoch steht vor diesen Zahlen ein großes Fragezeichen. Denn ob unter Kölns Dauerbaustelle Nummer 1 im kommenden Jahr ein Schlussstrich gezogen werden kann, ist offen. Im November folgt der nächste Tiefschlag in dieser an Rückschlägen nicht armen Baugeschichte.

Die Oper am Offenbachplatz.

Die Oper am Offenbachplatz.

Chefsanierer Bernd Streitberger gibt bekannt, dass die geplante Schlüsselübergabe im März 2024 nicht zu halten sein wird. Der Grund: schwer wiegende Probleme im Bauablauf, wie es im Monatsbericht der Bühnen heißt. „Eine Übergabe der Häuser mit so vielen Ausnahmen macht keinen Sinn“, sagt Streitberger, „wir hatten leider keine andere Wahl“. Nun ist die Fertigstellung für den 28. Juni 2024 geplant. Damit wird der Zeitpuffer für eine Rückkehr zum Offenbachplatz zum Start der Spielzeit 2024/25 zu einem schmalen Korridor. Und bis heute ist unklar, ob es überhaupt einen Spielbeginn am Offenbachplatz in einem Guss geben wird. Möglich wäre auch die zeitlich versetzte Inbetriebnahme von Schauspiel und Oper.

Opernintendant Hein Mulders betont im Kulturausschuss, dass man ein Haus schlecht leer stehen lassen könne, nur weil man doch lieber auf das Jahr 2025 warten will. Derzeit sind zusätzliche Ingenieure auf der Baustelle, die als Experten für die Koordination in finalen Bauphasen gelten. Ob das Werk bis zum Juni vollendet ist, will Streitberger nicht garantieren. Seit diesem Monat laufen die Sachverständigen-Abnahmen. Dies soll laut Streitberger rund fünf Monate dauern, bis zum 17. Mai 2024. Die Stadt hatte mal den 13. bis 15. September als möglichen Termin für ein Eröffnungsfest genannt. Gesetzt ist der nicht. Denn sicher ist am Offenbachplatz nichts.


Kölner Zentralbibliothek: Sanierung für 140 Millionen Euro

Es war eine hitzige Debatte über Monate, doch am Ende stimmte eine große Mehrheit im Stadtrat für die Sanierung der Zentralbibliothek am Neumarkt – trotz stark gestiegener Kosten. Vor fünf Jahren hatte der Rat die Modernisierung der 1979 eröffneten Bibliothek für geplante 81,15 Millionen Euro beschlossen. Nun veranschlagt die Stadt 139,8 Millionen Euro – inklusive Risikozuschlag von 8,9 Millionen Euro und 24,13 Millionen für den Generalunternehmer, der die Bibliothek schlüsselfertig übergeben soll. Wann das soweit sein wird? Frühestens wohl 2028.

Die Zentralbibliothek am Neumarkt.

Die Zentralbibliothek am Neumarkt.

Zuvor zieht die Bibliothek in ein Interim an die Hohe Straße. Das Geschäftshaus wird derzeit hergerichtet. Der Baudezernent der Stadt, Markus Greitemann, hätte gerne die Debatte geführt, ob dieser Standort in der City nicht auch langfristig geeignet wäre. Doch eine breite Bewegung aus der Kulturszene stemmt sich gegen das Ansinnen, bevor eine Diskussion überhaupt beginnen kann. René Böll wendet sich mit einem offenen Brief an die Rundschau. Schließlich wird der Nachlass seines Vaters, Literaturnobelpreisträger, Heinrich Böll, in der Bibliothek verwaltet. Oberbürgermeisterin Henriette Reker wirbt dafür, „an unserem Modell mit einem Flaggschiff am bewährten Standort im Herzen der Stadt festzuhalten und gleichzeitig das dezentrale Angebot stetig auszubauen.“ Damit soll die Stadtbibliothek auch künftig Maßstäbe setzen.


Kölner Schulen: Mangel an Plätzen an Grund- und Gesamtschulen

Kilometer lange Schulwege, mehr als 700 Kinder mit Absage einer Gesamtschule, Schulplatzvergabe im Losverfahren — auch 2023 ist die Not an Kölner Schulen wieder groß. Dabei trifft es in diesem Jahr auch viele der Allerkleinsten hart: Der Leitsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ kann erstmalig nicht in allen Veedeln umgesetzt werden. 325 Erstklässler erhalten zum Schuljahr 2023/24 weder an ihrer Erst- noch an ihrer Zweitwunschschule einen Platz.

175 Erstklässlerinnen und Erstklässler haben einen Schulweg von mindestens zwei Kilometern. Zuversichtlich blickt man im Schulamt dennoch nach vorn: Im aktuellen Schuljahr gehen 13 neue Schulen, teils in Übergangsbauten, in den Betrieb. Fünf weitere sollen im kommenden Schuljahr zusätzlich mehr als 600 Schulplätze schaffen. Bis 2030 sollen insgesamt 4200 bestehende Schulplätze in Köln gesichert werden.


Stadthaus Deutz: Stadtrat hinter Licht geführt

Im Mai kommt raus, dass beim Bau der Lanxess-Arena und des Stadthauses in Deutz in den 1990er-Jahren der Rat von der Stadtverwaltung ausgetrickst wurde. Der Rat hatte nicht nur einen später als stark überteuert eingestuften Mietvertrag über 30 Jahre für die Büros der Stadtverwaltung beschlossen. Sondern auch, dass die Stadt nach dieser Zeit ein Vorkaufsrecht und eine feste Kaufoption bekommt. Doch im Grundbuch wurde beides nie eingetragen.

Dabei hatte die Verwaltung 1995 dem Rat erklärt, der Investor, ein Oppenheim-Esch-Fonds, habe angeboten, das gesamte Stadthaus nach 30 Jahren für 206,3 Millionen Euro an die Stadt zu verkaufen. Aber das wurde nie vertraglich fixiert. Der damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) war 1998 kurzfristig von der Stadt in die Geschäftsführung des Oppenheim-Esch-Fonds gewechselt, der den Bau finanzierte.


Geflüchtete in Köln: Zahl steigt bis zum Jahresende

Mit deutlich weniger Geflüchteten als erwartet beginnt das Jahr 2023. Statt 5800 zusätzlichen Plätzen werden nur 840 benötigt. Im Januar bringt die Stadt knapp 11.000 Geflüchtete unter, Ende Februar wird die Messehalle 3 nicht mehr benötigt. Im März beschließt der Rat, die kommunale Erstaufnahme am Südstadion bis August 2024 zu betreiben. Im Juni wird das Begrüßungszelt am Bahnhof abgebaut, weil kaum noch Ukrainegeflüchtete in Köln ankommen.

Der Ende Juli bekannt werdende Plan des Landes NRW, die ehemalige Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße als Erstaufnahmeeinrichtung zu nutzen, stößt in Köln auf heftige Kritik. Im Laufe des Jahres steigt die Zahl der Menschen, die aus den Westbalkanstaaten flüchten; bis zu 400 sprechen beim Ausländeramt in Kalk pro Woche vor. Um die Menschen bis zu ihrem Übergang in Landeseinrichtungen unterzubringen, stockt die Stadt Einrichtungen auf und baut derzeit ein Containerdorf in Fühlingen. Seit Dezember nutzt das Land die Messehalle 11 als Erstaufnahme.