Der Kölner Rennfahrer Reinhard Scholtis wird 90 Jahre alt. Seiner Leidenschaft, dem Motorrad, ist er bis heute treu geblieben.
Kölner Motorrad-LegendeReinhard Scholtis wird 90 – über Erfolge und Geldnot im Leben eines Rennfahrers
„Motorrad fahren hält jung, man bleibt beweglich, konzentriert, aufmerksam und ist immer an der frischen Luft. Ein Sport, den man noch mit 100 machen kann“, sagt Reinhard Scholtis, der dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert.
Kölner Reinhard Scholtis ist seit 1969 Rekordhalter
In den 60er und 70er Jahren war der Kölner Reinhard Scholtis ein international bekannter und erfolgreicher Motorradrennfahrer. Er hat in der Klasse der 250er und 350er Motorräder auf der Berliner Avus fast alle Rennen gewonnen und hält seit 1969 auch den „Ewigkeitsrundenrekord“ für Motorräder auf der Südschleife des Nürburgrings – schneller als Scholtis mit seiner selbst getunten 250er Kawasaki umrundete nie ein Motorrad die Südschleife, egal welcher Klasse.
Im Unterschied zu anderen Rennfahrern aus dieser Zeit hat er seine Maschinen immer selbst gebaut. Seine Eigenbauten basierten zunächst auf Adler-Motorrädern, deren Produktion 1957 eingestellt wurde und die er mit sehr viel Know-how und handwerklichem Geschick weiterentwickelte. Später nahm er sich dann die Maschinen von Yamaha und Kawasaki vor.
Zollstocker ist leidenschaftlicher Schrauber – Rente erlaubt keine großen Sprünge
„Mit meinen Eigenkonstruktionen war ich bei den internationalen Rennen immer ein Exot. Ich habe in meinem Leben nur zwei nagelneue Maschinen gekauft, ansonsten immer Gebrauchte, bestimmt Dutzende. Schrauben war und ist bis heute meine große Leidenschaft“, sagt der gelernte Maschinenbauschlosser, der aktuell eine fahrbereite Kawasaki und eine Yamaha in seiner Zollstocker Werkstatt stehen hat. Doch beide sind nicht angemeldet, denn Versicherung und Benzin sind teuer und die Rente von Reinhard Scholtis ist niedrig und erlaubt keine großen Sprünge.
„Als junger Mann habe ich die meiste Zeit auf der Rennstrecke verbracht, habe nur 15 Jahre gearbeitet und deshalb wenig in die Rentenkasse eingezahlt. Die Quittung kommt heute; ich habe gerade mal 450 Euro Rente, die Miete bezahlt das Sozialamt. Ich lebe von meinen Ersparnissen, aber ich denke, die sollten reichen – ich bin ja schon 90 Jahre alt“, sagt der Kölner Ex-Rennfahrer und fügt hinzu: „ Mit 800 Euro käme ich perfekt hin, da könnte ich mir auch mal ein Steak leisten.“
Seine letzte Siegerprämie kam 1986, danach die Geldnot
Anfang der 1970er Jahre gehörte Scholtis in Deutschland zu den Kawasaki-Händlern der ersten Stunde, aber als im Juni 1974 die Privatbank Herstatt Insolvenz anmelden musste, war auch der Jungunternehmer Scholtis davon betroffen. Er verlor die Geschäftsgrundlage und viel Geld. Sein letztes Rennen fuhr er 1986, danach blieben die Siegerprämien aus.
„Reinhard Scholtis hat mal in meiner Werkstatt ausgeholfen. Er ist ein Motorenguru alter Schule, sein Wissen und seine Erfahrungen zu schnellen Zweitaktmotoren insbesondere der Marken Adler, Yamaha und Kawasaki sind unumstritten. Er kann Kolben und Zylinder des Zweitakters vorbildlich optimieren. Aber die Zeiten haben sich geändert, das Klientel ist anders und die Maschinen von heute basieren auf einer anderen technischen Niveau“, berichtet Ludwig Vogt, selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer und Motorradhändler auf dem Bonner Wall, bei dem Scholtis des Öfteren auf einen Kaffee vorbeischaut.
Reinhard Scholtis wird als Experte geschätzt
Bei Motorrad-Oldtimertreffen ist die Rennfahrer-Legende auch heute noch aktiv. In der Kölner Szene, die sich historischen 50 ccm Motorrädern widmet, freut man sich, wenn der Profi-Schrauber Scholtis mit Gleichgesinnten in Richtung Eifel oder Bergisches Land losfährt. Und dort ist er auch immer noch als Berater, als technischer Experte geschätzt und gefragt.
Die Kränze mit den goldfarbenen Eichenlaubblättern, die man ihm 1966 und 1967 auf dem Siegertreppchen um den Hals hängte, dekorieren die Wände seiner kleinen Werkstatt in Zollstock, in den Regalen verstauben die Trophäen von einst. „Von Trophäen kann man nicht leben, ich würde die sogar verkaufen oder für eine kleine Ecke dem Sportmuseum zur Verfügung stellen. Den Helm und den Rennanzug von damals habe ich auch noch“, sagt Reinhard Scholtis, der in der Rennszene damals als der „Fliegende Bleistift von Köln“ bekannt war. „Man nannte mich Bleistift, ich war 1,82 Meter groß und wogt damals 68 Kilogramm – heute bin ich eher ein Kugelschreiber“, erklärt der 90-Jährige schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern. Trotz der Körperfülle, auf seine Motorräder schwingt er sich immer noch gekonnt und elegant, die 90 merkt man ihm dabei nicht an.
Motorradrennen schaut er im TV – wenn sie im Free-TV laufen
Langeweile ist für Scholtis ein Fremdwort, tagsüber schraubt er gerne rum und nachts tüftelt er an Zeichnungen über Zylinderkonstruktionen. Außerdem ist er begeisterter Zuschauer, wenn Motorradrennen im Fernsehen übertragen werden, vor allem bei den Grand-Prix-Rennen. Das gehe aber nur, erklärt Scholtis mit Wehmut, wenn diese im Free-TV live übertragen würden, denn für ein TV-Abo fehle ihm das Geld.
„Ich freue mich schon auf den Sommer, dann fahre ich mit der großen Maschine durch die Eifel, mit 200 km/h durch die Landschaft. Ich bin „motorrad-verseucht“, habe nie aufgehört zu fahren. Angst hatte ich nie, trotz vieler Stürze und Verletzungen. Wenn du Angst hast, kannst du nicht gewinnen, weil dann überlegst du schon“, sagt der Fliegende Bleistift aus Köln mit einem Lächeln und setzt sich auf seine Zündapp, die er bei längeren Strecken im Stadtverkehr benutzt.
Zum Einkaufen oder zu seinem Freund Vogt auf dem Bonner Wall fährt der Zollstocker mit dem Fahrrad, das halte jung.