Wie Wimmelbilder wirkt die Winterwelt aus Lego, die Michael Jünger, Ehefrau Petra Mutzel und Sohn Paul für die Nachbarn bauen. Tausende Legosteine und viele Stunden Arbeit steckt Michael Jünger in sein Hobby, das er als Informatik-Professor auch in seinen Vorlesungen einsetzte.
Zum Nase-PlattdrückenWeißer Familie baut Winterwelten aus Lego ins Fenster
Wenn es dunkel wird in Köln-Weiß, sind zwei Fenster hell erleuchtet. Dort, in einem Haus, an der Straße Auf der Ruhr, drehen auf der Eisbahn Figuren ihre Runden, die Bergbahn fährt von einer Seite zur anderen, während ein Engel über dem Geschehen schwebt. Skiläufer und Rodler sind auf der Piste unterwegs und lassen sich vom Lift wieder auf den Berg bringen, während sich Besucher auf dem angrenzenden Weihnachtsmarkt tummeln.
Im benachbarten Fenster läuft eine Maschine, die der im Schokoladenmuseum gleicht: Kleine Schokostückchen rollen unverpackt über das Band. Eine Rolle Stanniolpapier wird abgerollt und die Schokolade verlässt, schick in buntes Papier eingewickelt, auf der anderen Seite das Laufband. Es sind zwei Spielfenster, die Wimmelbildern gleichen, ganz aus Lego und mit viel Technik und Geduld gebaut.
Diese Legowelt ist für Michael Jünger ein Hobby, das ihn seit seiner Kindheit begleitet. Der Informatikprofessor im Ruhestand hat einfach nie aufgehört, mit den bunten Spielsteinen zu bauen. „Ein Ausgleich“, wie er sagt, der dank Legotechnik im Laufe der Jahre nicht nur eine perfekte Symbiose zwischen seinem Beruf und seinem Hobby wurde. Er ließ die bunten Steine sogar 30 Jahre lang in seine Vorlesungen an der Universität zu Köln einfließen.
Legosteine, so erinnert sich der heute 68-Jährige, hatte er schon als Kind. „Der Kindergarten in Weiß besaß einen einzigen Leuchtstein. Das war eine Sensation. Ich durfte ihn verwenden“, erinnert er sich. Damals wurde zunächst das Übliche, sprich Häuser und Türme gebaut. Zum Bauen mit Lego kam während seiner Schulzeit am Gymnasium Rodenkirchen das Programmieren hinzu.
Die damaligen Rheinischen Olefinwerke in Wesseling hatten der Schule den ersten PC geschenkt, der ursprünglich von der Nasa für die Apollo 11 verwendet wurde. „Ein ganz primitives, kleines Ding“, wie Jünger sagt, der sich daran erinnert, 1970 damit sein erstes Programm geschrieben zu haben. Seine erste Berührung mit dem PC. „Als ich 1974 erzählte, ich studiere Informatik, hat man mich gefragt, ob das Journalismus ist“, erinnert er sich an seine Anfänge.
Der Durchbruch für Jünger, den Lego-Fan, kam zu einer Zeit, als er schon Professor war. 1998, mit dem ersten Lego-Roboter. Diesen ersten „RCX - Kasten“ ließ er aus den Vereinigten Staaten kommen, den er heute noch besitzt. Seitdem hat Lego Sensoren, die Licht messen, Umdrehungen zählen oder Berührungen feststellen können. „Als Lego-Fan und Programmierer kam hier für mich alles zusammen“, sagt Jünger. Ein erstes Projekt mit den Lego-Robotern war eine „Tic Tac Toe“ Maschine - der Lego-Computer tritt gegen den Spieler an und versucht, drei Kugeln in eine Reihe zu bekommen.
Zwischen 1990 und 2020 hat er sein „Legospielzeug“ oft mit in die Vorlesungen gebracht. Wie viele Legosteine er besitzt, weiß der 68-Jährige nicht. Ein Roboter kann Klavier spielen, er hat sogar Helferlein für seine Arbeit programmiert, einen Pater Noster gebaut und auch „die“ Maschine von Alan Turing nachgebaut. Turing war jener kluge Geist, der im Zweiten Weltkrieg den „Enigma“-Code der Nazis dechiffrierte. Vorher hatte er mit 24 Jahren eine Art Grundgerüst eines Computers erfunden.
Wenn Jünger Dinge gefallen, baut er sie gerne nach. Oder seine Frau, Petra Mutzel, Mathematikerin und Professorin an der Universität in Bonn, gibt Anregungen. „So läuft das immer bei uns. Sie sagt, was sie möchte und ich fange an zu basteln“, sagt der Hobby-Legobauer. In dem Fall war es eigentlich eine Eisenbahn, die die Mathematikerin aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte. „Ich wollte etwas, das sich im Fenster bewegt“, sagt Mutzel. Und so haben sie dann, nachdem sie 2010 mit ihren Zwillingen in das Haus Auf der Ruhr gezogen sind, die zwei Fenster zur Straßenseite sukzessive zu einer Lego-Winterwelt umdekoriert.
Fast jedes Jahr kommt etwas Neues hinzu. Fasziniert hatte Jünger im Original vor der Maschine im Schokoladenmuseum gestanden, die Schokoladenstücke verpackt. „Die musste ich einfach nachbauen“, sagt er. In diesem Jahr sind schwebende Engel hinzugekommen - Monate hat er an der richtigen Technik getüftelt, damit man immer nur einen Engel seine Bahnen ziehen sieht. „Es sieht einfacher aus als es ist“, sagt Jünger. Sohn Paul hat zwei Tage gebraucht, die Lego-Welt aufzubauen. „Das Programmieren geht schnell, die Mechanik und die Bastelarbeiten dauern mitunter Monate“, erzählen die zwei.
Tochter Pauline hat den Weihnachtsmarkt im ersten Corona-Jahr ergänzt, als Entschädigung dafür, dass die echten Märkte ausfallen mussten. Das Ergebnis freut nicht nur die Nachbarn in Weiß. Auch aus der Umgebung kommen fast täglich Familien vorbei. „Das ist das Schönste, wenn sich die Kinder die Nasen an den Fenstern platt drücken“, ist sich die Familie einig. Michael Jünger hat während seiner Forschungs- und Lehrzeit mit Programmieren viele Probleme gelöst.
Bei Ford etwa die Kabelbäume optimiert oder bei der Lufthansa die Wartungszyklen. Derzeit beschäftigt er sich mit „Quantum Computing“, einem neuen Forschungsfeld, das er im Ausmaß mit der Erfindung des Transistors vergleicht. Aber ob Hobby oder Beruf: Die Klammer ist das Programmieren. „Grundsätzlich habe ich schon immer Programme geschrieben, die etwas lösen.“ Bis zum 6. Januar können sich Schaulustige bis 22 Uhr an seinen beiden Lego-Fenstern noch die Nase platt drücken.