„Wenn nicht jetzt, wann dann?“3700 Kilometer im Sattel – Kölner macht Fahrradtour zum Nordkap

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Johannes Hoffmann startet am 1.Juni an der Weißer Fähre mit seinem Rad Richtung Nordkap

Johannes Hoffmann startet am 1.Juni an der Weißer Fähre mit seinem Rad Richtung Nordkap

Johannes Hoffmann erfüllt sich im Sommer seinen Jugendtraum. Mit seinem Rad und 25 Kilo Gepäck startet der 62-Jährige ganz allein zum Nordkap.

„Mein Traum ist zum Greifen nah. Endlich Lofoten, Tromsö, Nordkap statt immer wieder Altenberg, Königswinter oder Knechtsteden“, sagt Johannes Hoffmann, der seit seiner Jugend leidenschaftlicher Radfahrer ist. Der 62-Jährige ist mit seinem Rennrad viel unterwegs, Tagestouren von 100 Kilometern, ob flach oder hügelig, sind für ihn kein Problem. Am Jahresende hat er nicht selten 5000 Kilometer im Sattel verbracht.

In der Groov links und immer weiter in Richtung Norden

Dieses Jahr werden es mehr werden, denn der Mann aus Weiß hat ein besonderes Ziel: „Ich setzte mit der kleinen Fähre in die Groov über, dann biege ich nach links ab und fahre so lange Richtung Norden, bis es nicht mehr weiter geht. Mein Ziel ist die Weltkugel am Nordkap. Laut der Komoot-App sind es von Weiß aus rund 3700 Kilometer.“

Andere Orte waren für diese Radreise keine Option, es musste das Nordkap sein. Denn damit erfüllt sich Johannes Hoffmann einen Jugendtraum. Schon als Schüler lernte er auf einer Interrail-Reise in Skandinavien einen Mann kennen, der ganz alleine mit seinem Rad aus Deutschland Richtung Norden unterwegs war. „Seit 45 Jahren geistert diese Reise in meinem Kopf. Jetzt habe ich endlich die Zeit, bin gesund und fit. Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Isomatte, Schlafsack, Gaskocher, Regensachen

Hoffmann hat die Reise gründlich vorbereitet; in den vergangenen Monaten hat er nicht nur regelmäßig trainiert, sondern auch sein Equipment zusammengestellt. Da er nichts vorgebucht hat und spontan sein möchte, sind auch ein Zelt, eine Isomatte, ein Schlafsack und ein Gaskocher mit Kartuschen dabei. Außerdem Regensachen, Handtücher, T-Shirts, eine warme Jacke und ein Mückennetz, das man, wenn nötig, auch während der Fahrt über dem Helm ziehen kann. Alles funktionell, leicht und minimalistisch verpackt

Johannes Hofmann sitzt auf der Wiese in seinem Weißer Garten. Um ihn herum verteilt liegt sein Gepäck.

Johannes Hofmann sitzt auf der Wiese in seinem Weißer Garten. Um ihn herum verteilt liegt sein Gepäck.

„Modisch muss man Abstriche machen. Wenn ich abends alleine vor meinem Zelt sitze, kommt da höchstens ein Elch vorbei, und selbst der bleibt auf Distanz, denn ich werde trotz Rei in der Tube irgendwann nicht mehr so frisch duften“, sagt der abenteuerlustige Radfernfahrer aus dem Kölner Süden.

Kölner machte Probetouren ins Bergische – und sortierte Gepäck neu

Die teuerste, aber auch wichtigste Neuanschaffung war ein Gravelbike, eine Art SUV auf zwei Rädern. Mit diesem Rad kann man trotz Gepäck auch abseits der asphaltierten Straßen auf Kieswegen und Schotterpisten fahren. Mit zwei kleinen Taschen vorne, zwei großen hinten und einer mit den Campingsachen auf dem Gepäckträger sieht das Reisegefährt ziemlich schwerfällig aus und ist mit normalem Rennradfahren nicht zu vergleichen. Johannes Hoffmann hat deshalb schon Probetouren ins Bergische gemacht und danach sofort das Gepäck neu sortiert.

„Meine Frau hat mir zu Weihnachten einen zusammenklappbaren Stuhl geschenkt, damit ich mit meinen 190 Zentimetern nicht immer vor dem Zelt auf dem Boden sitzen muss. Doch ohne Klappstuhl habe ich schon 20 Kilogramm Gepäck. Deshalb wird dieser Luxusartikel immer wieder ein- und ausgepackt. Was aber auf jeden Fall drin bleibt, ist eine Dose Melkfett oder eine Tube Hirschtalg, beides Wundermittel, wenn das Gesäß einmal wundgescheuert sein sollte.“

Geplant hat der ehemalige Journalist, täglich zwischen 80 und 100 Kilometern zu fahren und sich stets einen Ruhetag pro Woche zu gönnen.  Mittels seines neuen Instagram-Accounts, dort heißt er @cologne-cyclist, will er seine Reise dokumentieren und spätestens nach zehn Wochen ein Foto von sich auf seinem Rad an der Weltkugel am Nordkap posten.

Entschleunigung nach stressigem Job

„Ich bin meiner Frau sehr, sehr dankbar, dass sie mir die Möglichkeit, gibt, diesen Trip zu machen. Sie hat mir bis Ende August Zeit gegeben, das sind drei Monate. In dieser Zeit müsste ich es eigentlich hoch und möglicherweise auch mit dem Rad wieder zurück nach Weiß schaffen. Letzteres muss ich mit meiner Frau allerdings noch ausdiskutieren.“ Er möchte sich nicht unter Druck setzen, denn diese Reise sei für ihn auch etwas Kontemplatives. Der 62-Jährige möchte nach einem stressigen Job entschleunigen, die fantastische Natur und Einsamkeit in Skandinavien genießen und einfach die Gedanken fließen lassen.

Aber so ganz ohne Stress und Aufregung ist der Start in das Abenteuer denn doch nicht verlaufen: „Ich habe in den letzten Wochen eine unterschwellige Aufregung gespürt, die bevorstehenden neue Erfahrungen beschäftigen mich. Ich bin kein Abenteurertyp, möchte aber mit diesem Trip meine Komfortzone verlassen und die persönlichen Grenzen testen“, sagt Johannes Hoffmann und prüft die Halterung für seine kleine GoPro–Kamera auf dem Lenkrad.

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