Ohne Zusatzstoffe und frei von Pestiziden soll er sein, der Wein von Leonie Berents und Silja Mende-Kamps. Er kann jetzt probiert werden.
Start-up aus MeschenichKölnerinnen verkaufen eigenen Rot- und Weißwein in Mehrwegflaschen
Unter dem Hashtag #ohrenkneiferschorle machte Fernsehmoderator Jan Böhmermann in seinem ZDF-Magazin Casino Royale Mitte Oktober ein Fass zum Thema Wein auf. Mit einem Blick auf die „aufgeblasene Akademiker-Limonade für überprivilegierte Theaterintendanten, die ganz sicher kein Alkoholproblem haben“, nahm er den Rebengenuss auseinander, der, so Böhmermann, mit Pestiziden und Schlimmerem aufwarte.
„Abgefüllt“: Nichts außer der Traube landet in der Flasche
Silja Mende-Kamps und Leonie Berents fühlten sich dadurch in ihrer Arbeit bestätigt. Die zwei „Rebolutionärinnen“, wie sie sich nennen, haben mit „Abgefüllt“ ein Wein-Start-up gegründet. Damit wollen die jungen Unternehmerinnen die „beste Ökobilanz im gesamten Weinkreislauf erstellen“, wie sie versprechen. Die Idee: Von der Traube bis zur Abfüllung wissen sie ganz genau, was in die Flasche kommt – nämlich nichts außer der Traube.
Das Ganze abgefüllt in der Mehrwegflasche. Denn „bio“ reichte dem Duo nicht. „Der ganze Kreislauf muss regenerativ und klimapositiv umgesetzt werden. Wir haben ein nachhaltiges Konzept gesucht, das mit Naturweinen Vielfalt schafft“, sagt die 29-jährige Leonie Berents. „Wein ist tatsächlich eines der wenigen Produkte, bei dem Angaben über konkrete Inhaltsstoffe fehlen dürfen“, bestätigt Mende-Kamps die „Böhmermann-Theorie“.
Gesellschaftliche, politische und klimarelevante Themen stehen bei den beiden auf der Tagesordnung. „Dabei halten wir auch öfter mal ein Glas Wein in der Hand“, berichten die Genießerinnen, die Wein und gute Lebensmittel als Leidenschaft teilen. Der Grundstein für die Idee. Doch wie können ein gutes Produkt und eine gute Qualität auch für die kommenden Generationen erhalten bleiben?
Winzer aus Baden füllt Wein für Kölnerinnen ab
Mit dieser Fragestellung besuchte das Paar Winzerfachmessen und Winzer in Deutschland, weil sie die „Lösung“ in Flaschen füllen wollten und dabei jeden Schritt mitsteuern möchten. Die beiden haben sich tief in die Materie eingearbeitet und sind dabei oftmals auf „tradierte Denkmuster“ gestoßen. „Viele Winzer arbeiten natürlich mit Pestiziden“, fasst die 32-jährige Mende-Kamps eine der Erkenntnisse zusammen. Einen Winzer zu finden, der den Weinberg wie die beiden als „Ganzes, als Ökosystem“ betrachtet, sei eine Herausforderung gewesen. In Baden haben sie nun einen Winzer gefunden, der den reinen Traubensaft für sie abfüllt.
Die beiden steuern das Wissen um den richtigen Vertrieb, das Marketing und ein gutes Verständnis der Zielgruppe bei, die aufgeklärt und anspruchsvoll ist. Eine Zielgruppe zwischen 20 bis 45 Jahre. „Sie hinterfragt, was sie als Produkt konsumiert, die Menschen sind nachhaltig orientiert, mit einer Zahlungsbereitschaft und sie wollen das Regionale nachhaltig unterstützen“, sagt Berents.
Rot- und Weißwein im Angebot, Verkauf in Meschenich
Das Nachhaltige ergibt sich aus der Auswahl der Trauben. Widerstandsfähiger sind insbesondere Kreuzungen aus alten Trauben, die neue Rebsorten erzeugen. Die Weine haben einen besseren „PiWi“-Faktor. Weil PiWi, was für Pilzwiderstand steht, nicht sonderlich sexy klingt, haben die beiden die resistenteren Weine #pioneerwines genannt. Derzeit vertreibt das Paar als einen ersten „Launch“ einen Weißwein, der zu 60 Prozent aus Johanniter und 40 Prozent aus Souvignier Gris besteht. Der Rote vereint je zu 50 Prozent Prior und Regent. Dazu ist ein Crémant im Bestand.
Der Wein lagert in einem Gewölbekeller in Zündorf und wird online verkauft. Außerdem sind die zwei auf verschiedenen Märkten unterwegs. Auch passende Händler („sie müssen matchen“) in Sülz, im Belgischem Viertel, in der Nordstadt und Nippes haben die „abgefüllt“-Weine (ab 11 Euro für einen halben Liter) im Angebot. Die Hälfte des diesjährigen Weins ist bereits verkauft. Die Mehrweg-Idee soll den Nachhaltigkeitsgedanken bis zum Ende tragen.
„Die Flaschen werden gut 50 Mal wieder verwendet“, sagt Mende-Kamps, die als Grafikerin das Layout beigesteuert hat. Aber eigentlich ist die Aufgabenteilung den beiden egal. Am Ende soll ein qualitativ hochwertiges, durchdachtes Produkt stehen. Im Januar wird Bilanz gezogen und über neue Weine nachgedacht. Nachhaltig heißt auch, die Reben zu tauschen. Ein „Orange-Wein“ oder ein Rosé sollen nächstes Jahr ein wenig Farbe bringen. Die Menge richtet sich nach der Ernte. Wenn sie ausgetrunken sind, sind sie ausgetrunken. www.abgefuellt-wein.de