„Die Renaissance des Hobbys“Der 67-jährige Kendo-Kämpfer vom Kölner Hahnwald
- Freizeit- und Zukunftsforscher haben nachgewiesen, dass die Corona-Pandemie das traditionelle Hobby wieder aufleben und neue Hobbys emporkommen lässt.
- In unserer Serie „Die Renaissance des Hobbys“ stellen wir Kölnerinnen und Kölner vor, die ein altbewährtes oder auch außergewöhnlches Steckenpferd haben.
- Heute weiht Hartmut Krins uns in die Kunst des Kendo-Kampfsportes ein. Ein Hobby, das der 67-jährige Hahnwalder seit mehr als 30 Jahren betreibt.
Köln-Hahnwald – „Wer nur einen Schritt zurückgeht, der verliert“, lautet das Lebensmotto von Hartmut Krins, der als junger Mann durch Zufall Kendo entdeckt hat. „Es war für mich Liebe auf den ersten Blick. Früher dachte ich, diesen Kick bekäme ich nur bei Frauen, aber jetzt weiß ich: Auch Sport kann einen kopflos machen“, sagt Kendoka Krins, dessen Liebe zu der japanischen Kampfsportart seit 30 Jahren anhält. So lange ist er seinem Kölner Verein, dem DJSG treu, dem er inzwischen auch als Präsident vorsteht.
Immer montags packt Krins seine fünf Kilo schwere Rüstung in den Kofferraum und fährt aus dem Kölner Süden auf die andere Rheinseite nach Kalk zum Training. Drei Stunden lang vergisst er dann den Alltag und trainiert Grund- und Angriffstechniken, um die sieben Tugenden der Samurai: „gi“ (Aufrichtigkeit), „yu“ (Mut), „jin“ (Menschlichkeit), „rei“ (Höflichkeit), „shin“ (Wahrhaftigkeit), „meiyo“ (Ehre) und „chugi“ ( Treue) für sich zu optimieren. „Kendo ist eine körperliche und eine geistige Herausforderung und genau diese Kombination habe ich gesucht. Beim Training komme ich physisch häufig an meine Grenzen, ich denke manchmal: Du kriegst keine Luft mehr, du kannst nichts mehr bewegen“, sagt Krins. Dann überwindet er sich und geht weiter, hört nicht auf. Genau das sei sein persönlicher Erfolg.
Mit 67 einer der ältesten Kölner Kämpfer
„Wenn mein Kampf-Partner 25 Jahre ist und mir am Ende sagt: Hat Spaß gemacht gegen dich zu kämpfen, dann reicht mir diese Anerkennung aus. Es macht mich zufrieden, dass es für den Jüngeren kein Opfer war, gegen so einen alten Mann wie mich zu kämpfen“, sagt der 67-Jährige, der im Verein zu den ältesten Mitgliedern zählt. Nur der Sensei, der Kendo-Trainer, Yukio Shimizu, ist mit 73 Jahren noch älter.
Für Hartmut Krins war und ist Kendo mehr als nur ein Hobby: „Kendo ist zu 50 Prozent Persönlichkeitsbildung. Nach dem BWL- und Mathe-Studium habe ich mich im IT-Bereich selbstständig gemacht und brauchte dringend Managementerfahrungen.“ Da IBM, damals der Gral der IT-Branche, sein Führungspersonal mit Kendo-Kursen geschult hat, habe auch Krins diese Kampfsportart als Weiterbildung genutzt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Ur-Schwächen des Menschen besiegen
Kendo versprach, die vier Ur-Schwächen des Menschen überwinden zu lernen: die Überraschung, die Angst, den Zweifel und die Verwirrung. Krins: „Das klang vielversprechend und hat sich in meinem Leben tatsächlich bewährt.“ Natürlich habe auch er Angst beim Kampf, wenn man dem Gegner gegenübersteht und genau weiß: „Der wird die nächsten vier Minuten, so lange dauert ein Kampf, gnadenlos mit dem Shinai (Kampfstock) auf einen eindreschen“. Aber das Ziel bestehe eben darin, diese Angst zu überwinden, den Gegner trotzdem anzugreifen und darüber hinaus zu versuchen, in diesem – wie in jedem Kampf – an die eigenen Grenzen zu gehen und alles zu geben. Das sei das Entscheidende, der sportliche Sieg dagegen sei für Krins sekundär.
Als er mit Kendo begann, haben seine Freunde und Bekannten mit Kopfschütteln reagiert, aber davon ließ er sich nicht irritieren. Im Gegenteil, damals ist er sogar auf IT-Kongressen als Redner vor 300 Menschen in seiner Rüstung aufgetreten. Dem damaligen Jungunternehmer kam es vor allem darauf an, dass man ihn im Gedächtnis behielt. Mit seinem skurrilen Auftritt hatte er Interesse geweckt, sich bekannt gemacht und damit sein Ziel erreicht.
Mit Kampfausrüstung im Mathe-Unterricht
„Die IT-Firma habe ich nicht mehr, die ist verkauft. Ich bin inzwischen Mathelehrer an einer Gesamtschule, aber dieser Trick funktioniert auch bei meinen Schülerinnen und Schülern. Ich nehme ab und zu meine Rüstung mit in den Unterricht. Die meisten sind davon beeindruckt und haben Respekt. Ich bleibe bei denen im Kopf und kann sie für mein Fach motivieren.“ Kendo ist kein preiswertes Hobby. Eine Rüstung kostet ab 500 Euro aufwärts. Sie besteht aus sechs Teilen,
alle sind überlebenswichtig. Helm mit Visier, Brustpanzer, Handschuhe, Lendenschutz, darunter trägt man einen Gehrock und ein Hemd. Hinzu kommen die Waffen, die kosten um die 100 Euro.
Kendo sei sehr praxisnah, weil man sich auch im Alltag häufig in Kampfsituationen, beziehungsweise in Auseinandersetzungen befinde – mit dem Vorgesetzten, der Ehepartnerin, den Kindern. Das Wichtigste sei am Ende ein vernünftiges Ergebnis, dabei sei es irrelevant, wer gewinne, sondern dass man sich einige und respektvoll miteinander umgehe, sagt der Hobby-Kendoka, der fünf Kinder und inzwischen mehrere Enkelkinder hat.
In Tokio gegen 80-Jährigen gekämpft
Seit einem schweren Skiunfall vor zehn Jahren hat Krins ein künstliches Kniegelenk, und sein Orthopäde hat ihm den traditionellen Fersensitz bei der Begrüßung strengstens verboten. Doch mit Kendo ganz aufzuhören, das ist für den Hahnwälder keine Option: „Ich habe mal in Tokio als 50-Jähriger gegen einen 80-Jährigen gekämpft und habe gegen den keine Schnitte bekommen. Der alte Mann hat sich kaum bewegt, und trotzdem habe ich ihn nicht getroffen. Das hat mich sehr beeindruckt, deshalb werde ich mit Kendo nicht aufhören.“
Vor sieben Jahren hat Krins am Japanischen Kulturinstitut einen Sprachkurs begonnen. Lesen und Sprechen ginge schon ganz gut, nur mit dem Verstehen hätte er noch Schwierigkeiten. „Von den 2200 Zeichen kann ich inzwischen 800 lesen“ sagt Krins augenzwinkernd. Die Zufallsentscheidung für die japanische Kampfsportart war für Hartmut Krins genau die Richtige, seit über 30 Jahren setzt er auf die Einheit von Geist, Schwert und Körper. Und er gibt niemals auf.