Shell führt routinemäßige Inspektionen an ihrer Raffinerieanlage in Godorf durch, was zu einem temporären Stillstand führt.
„Turnaround“Warum ein Werkstillstand bei Shell im August 2200 weitere Arbeiter nach Köln treibt
Auf dem Gelände des heutigen „Shell Energy and Chemicals Parks Rheinland“ in Godorf fahren gerade große Baukräne an. Die Raffinerie 2 wird eingerüstet. Kaputt ist sie nicht. Die Anlagen müssen regelmäßig gewartet werden. Das nennt man Stillstand. Im englischen Sprachgebrauch ist das ein sogenannter „Turnaround“.
Alle Anlagen unterliegen technischen Regelwerken, die auch vorschreiben, in welchen Intervallen extern und intern Prüfungen durchgeführt werden müssen. In diesem Spätsommer ist die Raffinerie 2 an der Reihe, die seit 1967 das 1960 gegründete 2,5 Quadratkilometer große Gelände in Godorf ergänzt. In den Anlagen wird täglich in Kolonnen das Rohöl destilliert und raffiniert, um Kerosin, Diesel oder etwa Heizöl herzustellen.
Inspektion der Anlage wird von Ende August bis Oktober dauern
„So wie das Auto zum TÜV muss, gehen auch die Anlagen in den TÜV. Das geht nur im Stillstand, um zum Beispiel Ultraschallmessungen durchführen zu können“, erklärt Thorsten Pütz. Er ist der offizielle Side-Turnaround Manager und damit „Chef sämtlicher Stillstände“ und gemeinsam mit dem Kollegen Mathias Hartstack, Turnaround Eventmanager, für den Stillstand verantwortlich.
Diese „geplante Außerbetriebnahme von Anlagenteilen zum Ziele einer Inspektion“ wird von Ende August bis in den Oktober dauern und heißt für die Firma, arbeitstechnisch, eher das Gegenteil von Stillstand.
2200 zusätzliche Personen werden im Werk arbeiten. „Dann geht es hier zu wie auf einem gut organisierten Ameisenhaufen“, erklärt Unternehmenssprecher Constantin von Hoensbroech. Die notwendige Logistik für anreisende Fachfirmen und Mitarbeiter, die Pütz und Hartstrack verantworten, reicht von kurzen Wegen zu den Werkzeugen bis hin zu Bereitstellung sanitärer Anlagen und dezidierter Schichten, in denen ein Mittagessen in großen Zelten serviert wird. Die Arbeiter kommen quasi aus der ganzen Welt, die zunächst Sicherheitsunterweisungen absolvieren, da im Stillstand noch einmal wesentlich mehr Verkehr auf dem Gelände herrscht.
„Der Stillstand wird nach einem gewissen Prozess durchgeführt, der bei der Shell weltweit überall gleich ist“, sagt Hartstrack zu den Risiken. 80.000 verschiedene Arbeitsschritte bedeuten zusammen gefasst: Die Anlagen einrüsten, außer Betrieb nehmen, auseinander bauen, inspizieren, warten, gegebenenfalls Teile ersetzen und wieder zusammen bauen. Ein Unterschied ist danach optisch nicht erkennbar. „Der Anwohner hat die Gewissheit, dass er neben einer Raffinerie lebt, die sicher und zuverlässig betrieben werden kann. Das ist das große Ziel, warum wir das machen“, sagt Pütz. Ein Stillstand pro Jahr ist auf dem Gelände normal.
Was auf der Anlage viele Außenstehende immer verunsichert, ist das sogenannte Abfackeln. Ein gesetzlich vorgeschriebenes Sicherheitssystem, so von Hoensbroch. „Kommt es zu einer Störung, müssen die Prozessgase abgeleitet werden.“ Eine Extremsituation lag am 3. August 2022 vor, als im gesamten Kölner Süden der Strom ausfiel und die Anlagen automatisch herunterfuhren.
Shell-Gelände hat während Stillstand zusätzliche Ausfahrt
Auch für den Stillstand ist ein Abfackeln nötig. Von Hoensbroch: „Das kann mitunter bedrohlich aussehen. Wenn es so stark fackelt, kann man sich aber eigentlich zurücklehnen. Dann weiß man, dass das Sicherheitssystem funktioniert“. Pro Jahr werden an beiden Standorten, Godorf und Wesseling, rund 17 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. „Wir haben keinen Abfall. Wenn wir fackeln, verbrennen wir Geld, das ist nicht in unserem Sinne“, ergänzt Pütz.
Dem Tor 32 am Kiesgrubenweg wird in der Zeit des Stillstands eine wichtige Rolle zugeschrieben, weil hier eine zusätzliche Ausfahrt liegen wird. Der Hauptverkehr beginnt Anfang September. Gearbeitet wird von 7.30 bis 18 Uhr, um den Stoßverkehr im Kölner Süden zu entlasten. „Das Verkehrskonzept wurde bereits von der Stadt genehmigt“, so Pütz. „Es kann dennoch zu Einschränkungen kommen“, ergänzt der Shell-Sprecher.