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RP Gisela Walsken im Interview„Ich wäre gerne länger geblieben“

Lesezeit 7 Minuten

Zwölf Jahre führte Gisela Walsken (64) die Kölner Bezirksregierung.

Ende August scheidet die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) nach zwölf Jahren  aus dem Amt. Der Personalmangel werde zu einem immer größeren Problem, sagte sie im Redaktionsgespräch. 

Stellt sich nach zwölf Jahren in diesem Amt so etwas wie Erfüllung ein?

Wenn ich zurückblicke, stellt sich ein gutes Gefühl ein. Ich kam damals aus dem Landtag und habe gemerkt, der Bezirk pulsiert. Natürlich waren aber auch schwierige Phasen dabei: der Kerosin-See, die Brückensperrung auf der A1 oder die Drachenfels-Sanierung. Es gab also ein breites Feld an Themen, in denen man viel bewirken konnte. Das sage ich ganz deutlich und selbstbewusst.

Aber wenn es Ärger gab, haben Sie und Ihre zwischen den Verwaltungsebenen liegende Behörde ihn meist als erstes abbekommen.

Das stimmt. Es gab vier besondere Krisen: Erst die Flüchtlingskrise 2015, bei der auf die Schnelle Unterkünfte organisieren mussten. Dann die Pandemie, die wir zweieinhalb Jahre mit einem Krisenstab begleitet haben, dann die Hochwasserkatastrophe, jetzt der Ukrainekrieg, dessen Flüchtende untergebracht werden müssen. Um das zu bewältigen, braucht es einen sehr engen Kontakt mit Gemeinden und Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten. Ich habe von Anfang an Wert darauf gelegt, dass wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten und kann nur sagen, dass das eine hervorragende Erfahrung war. Auch auf die Kooperation mit dem Verein Region KölnBonn e.V. mit seinen Kommunikationsstrukturen konnte ich von Anfang an setzen, das war ein riesiger Vorteil.

Zur Person

Gisela Walsken, geboren 1958 in Duisburg, hat Geschichte und Geografie auf Lehramt studiert und beide Staatsexamen abgelegt. Von 1990 bis 2010 war sie Abgeordnete der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag und Sprecherin ihrer Partei im Haushalts- und Finanzausschuss und Mitglied im Ältestenrat. 2010 wurde sie als erste Frau zur Regierungspräsidentin von Köln ernannt und Nachfolgerin von Hans Peter Lindlar (CDU). Ehrenamtlich engagiert sie sich im Kinderschutzbund.

Was würden Sie rückblickend anders machen, was hätte besser laufen können?

Ich kann nicht sagen, dass wir an dieser oder jener konkreten Stelle etwas falsch gemacht haben, vielmehr ist seit langem klar, dass auf die Behörde zwei riesige Herausforderungen zukommen; die altersbedingten jährlichen Abgänge, und jede Menge neue Aufgaben: Knapp 130 seit Beginn 2021. Rückblickend denke ich, dass wir noch intensiver mit den Ministerien hätten reden müssen, denn für all diese Aufgaben Personal zu finden, ist unheimlich schwer.

Die Aufgaben sind also vor allem wegen Personalmangels kaum zu schaffen?

Ja. Es gibt zwar Stellen und wir bilden aus, aber Sie wissen ja, wie der Arbeitsmarkt momentan aussieht. Dieser Flaschenhals wird in den nächsten beiden Jahren für meinen Nachfolger eine riesige Herausforderung. Die vier Krisen sind auf den demografischen Wandel getroffen: Die Bezirksregierungen können nicht alle Aufgaben parallel bewältigen.

Und was passiert, wenn die Bezirksregierung etwas nicht mehr schafft?

Sehr gute Frage! Diese haben wir uns auch selbst gestellt. Was dann passiert, ist offen – man muss diese Situationen dem zuständigen Ministerium natürlich mitteilen, das nennt man „Überlastungsanzeige“. Es gehört aber auch eine schärfere Aufgabenkritik dazu: Welche Aufgaben sind überflüssig und können entfallen.

Eine Aufgabenkritik gab es ja auch von außen, wie bei der Flut. Es wurde bemängelt, dass die Bearbeitung der Anträge auf finanzielle Hilfe zu lang dauert – war das dieser Fülle geschuldet?

Natürlich. Und der Tatsache, dass das technische System dahinter – das wir übrigens nicht selbst aufgebaut haben – lange nicht funktioniert hat, so dass Anträge entweder erst spät auf den Weg gebracht wurden oder die Mitarbeiter nicht darauf zugreifen konnten. Das Problem war bekannt und wir haben immer wieder mit den zuständigen Fachbereichen darüber gesprochen, aber es lief einfach nicht.

Aber in der Kommunikation der Bezirksregierung wurden die Probleme eher mit dem Personalmangel begründet.

Der kam noch dazu. Wir hatten parallel ja immer noch mit der Pandemie zu tun und mussten aus vielen Fachdezernaten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abziehen um Unterstützung bei der Wiederaufbauhilfe zu leisten. Erst Ende 2021 wurden uns neue Stellen zugewiesen, aber was machen Sie damit am Jahresende? Rückblickend gar nichts. Wir haben diese Stellen bis heute nicht alle besetzt. Dass viele befristet sind, ist ein zusätzliches Hemmnis.

Jetzt sagen Sie, das eigentliche Problem bei den Flutanträgen sei der technische Ablauf gewesen. Man könnte denken, die Antragsteller müssen nur ein Formular ausfüllen…

Im Prinzip ja, und ich muss die betroffenen Kommunen hier ausdrücklich in Schutz nehmen – sie haben die Menschen dabei prima unterstützt. Dann stellte sich aber heraus, dass die Antragstellung auf einem Behördenlaptop überhaupt nicht möglich war. Die Betroffenen mussten also alle einen privaten Zugang zum System bekommen, damit der Antrag eingereicht werden konnte. Das hat verständlicherweise Kritik und Ärger ausgelöst.

Man hatte auch den Eindruck, dass es zwischen Ihnen und Frau Scharrenbach erhebliche Differenzen gegeben hat.

Der Eindruck wurde fälschlicherweise vermittelt; persönlich hat es dazu keinen Kontakt gegeben. Fakt war, dass das Ministerium die aufgetretenen Probleme kannte. Der Eindruck, wir hätten in dieser Situation versagt, war für die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht förderlich.

Wenn jetzt wieder eine Katastrophe käme: Glauben Sie, dass es besser laufen würde?

Auf die fachlichen Erfahrungen könnte man jetzt sicher zurückgreifen. Man darf aber keinem System grünes Licht geben, das noch gar nicht funktioniert. Und man muss wissen, ob man die Mitarbeiter hat, die die nötige Arbeit machen können.

Thema Digitalisierung: Wie weit ist Ihre Behörde auf einer Skala von eins bis zehn?

Drei (lacht). Dafür ist landesweit das Innenministerium zuständig. Erst seit der Pandemie hat jeder Mitarbeiter einen mobilen Laptop. Insgesamt sind wir noch nicht wirklich gut aufgestellt, was zum Beispiel die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte betrifft.

Was hätten Sie rückblickend in der Zusammenarbeit mit der Stadt Köln anders machen wollen?

Die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln hätte besser sein können. Schon bei der Wahl der Oberbürgermeisterin 2015 wurde ein fehlerhafter Stimmzettel durch die Bezirksregierung bemängelt. Auch bei der Wahl der Dezernenten, für die ich als Kommunalaufsicht eine Verantwortung habe, gab es Fehler. Köln ist eine tolle Stadt, aber eine so große Verwaltung benötigt besonders viel Kommunikation und Koordination.

Hatten Sie als Regierungspräsidentin keinen direkten Draht zur Oberbürgermeisterin?

Von meiner Seite aus gibt es immer einen direkten Kontakt zu den Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten: Das war von Anfang an meine Arbeitsweise. Die Region ist gut vernetzt, aber es ist immer wichtig, dass die großen Städte regelmäßig mit ihren umliegenden Kreisen reden.

Sie loben KölnBonn e.V., aber erwähnen nicht die Metropolregion Rheinland.

Das ist ja auch nicht so gut gelaufen, wie wir uns das bei der Gründung vorgestellt haben. Ich halte die Grundidee, einen Metropolraum Rheinland zu schaffen, nach wie vor für sehr gut. Aber es war ein Fehler, den Vorsitz nur den großen Städten zu überlassen. Man hätte den kreisangehörigen Raum mehr mit einbinden müssen.

Welche Themen sind Ihnen noch besonders wichtig?

Was mir sehr am Herzen liegt, ist die Entwicklung des TH-Campus Rhein-Erft. Wir brauchen gut ausgebildete junge Leute um den Strukturwandel im Rheinischen Revier voran zu treiben. Wichtig sind dazu die Fachbereiche Nachhaltige Raumentwicklung, Infrastruktursysteme und Geoinformatik; dazu müssen entsprechende Studiengänge eingerichtet werden. Man kann nur 2030 aus der Kohle aussteigen, wenn bis dahin der Strukturwandel begonnen hat. Ich wünsche mir, dass auch der Bund dieses Projekt im Blick behält und fördert.

Haben Sie Ihren Nachfolger schon kennen gelernt?

Ja, und der Eindruck ist positiv. Ich glaube, dass er großen Respekt vor den Aufgaben hat, die auf ihn zukommen. Aber er ist gut strukturiert, und ich denke, dass er das hinkriegt.

Hätten Sie gerne weitergemacht?

Ja, ich wäre gern noch länger geblieben; gleichwohl habe ich immer damit gerechnet, dass es eine andere politische Konstellation in der Landesregierung geben kann. Es freut mich aber, dass auch die SPD wieder die Verantwortung für den Regierungsbezirk Köln trägt.

Ist das Amt des Regierungspräsidenten wirklich ein so politischer Job? Muss man einer Partei angehören, um ihn zu bekommen?

Es ist nicht verkehrt, an eine Landtagsfraktion angebunden zu sein, denn dann bringt man Erfahrung und Kontakte mit. Man kennt Strukturen in den Ministerien, und die Funktionsweise politischer Apparate. Ich habe hier aber nie „Parteibuchentscheidungen“ getroffen. Hinter den Entscheidungen stehen fachliche Vorlagen. Die Zusammenarbeit mit den Fraktionen im Regionalrat war mir immer sehr wichtig.

Was bringt die Zukunft für Sie?

Schauen wir mal (lacht). Ich sage nur, dass ich der Region gerne verbunden bleiben möchte.