Welche Gefühle bestimmen das Leben von Krebspatientinnen und -patienten? Zwei Kölner Psychoonkologinnen berichten.
Psychoonkologie in KölnWie man mit dem „ungebetenen Gast“ namens Krebs umgehen kann
„Die Diagnose ist immer ein Schock.“ Renate Küster, Psychoonkologin und Leitung der Krebsberatungsstelle in der Trägerschaft des Vereins „Lebenswert“, begleitet seit rund sechs Jahren Krebspatienten und ihre Angehörigen. Auch wenn die Verläufe verschieden sind und jeder unterschiedlich mit der Erkrankung umgeht, trifft die Diagnose wie ein Hammerschlag. „Mit einer Krebsdiagnose zieht immer ein sehr ungebetener Gast ins innere Haus − das ist das Sterben und der Tod“, formuliert Daniela Breitschuh, psychologische Psychotherapeutin und stellvertretende Leiterin der Psychoonkologie an der Uniklinik Köln.
Es gelte, so erklärt sie bildlich, diesem ungebetenen Gast einen Platz zu geben, wo er wohnen kann, ohne das Leben zu dominieren. „Hinten in meiner Garage ist noch so ein oller Fleck, da kann er hin“, habe ein älterer Patient vehement das Bild für sich passend gemacht, erzählt Breitschuh. Herzlich lachen musste der Herr bei der Vorstellung. Humor kann helfen, sich zu distanzieren. „Leben Sie. Mit allem, was da ist“, hinter dieser Botschaft steht die Psychologin.
Auch wenn viele Menschen die Krankheit besiegen − der Weg bis dahin ist kein leichter. Wenn sie in einer Therapie sind, entwickeln Patientinnen und Patienten häufig einen starken Kampfgeist. „Da sind Menschen zu sehr viel bereit. Es gibt viele Taktungen und Termine“, sagt Küster. Der Betroffene und sein Umfeld funktionieren. „Oft stellen Angehörige ihre Bedürfnisse zurück“, sagt Küster. Und das, obwohl sie von Sorgen und Ängsten geplagt sind. „Angehörige sind meist gleichermaßen betroffen wie der Patient. Für uns in der Beratung stehen sie nicht an zweiter Stelle“, betont sie. Auch Freunde oder Kollegen können die Krebsberatung des Vereins Lebenswert in Anspruch nehmen. Für Kinder eines krebskranken Elternteils gibt es an der Uniklinik eine eigene Beratung durch Kinder- und Jugendtherapeuten. Wichtig sei, dass An- und Zugehörige gut für sich sorgen und auf sich achten. „Nur so können sie gute Unterstützer sein“, betont Küster.
Kein „Patentrezept“ für Umgang mit Patienten
Achtsam sein – das gilt auch für das Umfeld. Es gibt kein Patentrezept für den Umgang mit einem Krebspatienten. Für den einen ist es hilfreich, wenn die Leute nachfragen, der andere möchte nicht ständig auf die Krankheit angesprochen werden. „Sag du mir, wie du es am liebsten haben willst“, könne man fragen und hinzufügen: „Das darf auch nächste Woche wieder anders sein.“
Der Kampf gegen die lebensbedrohliche Krankheit hebt vieles aus den Fugen. Doch nicht unweigerlich alles. „Hoffnung ist ein ganz wichtiges Gefühl“, ist sich Küster sicher. Sie fügt hinzu: „Egal in welcher Lebensphase jemand ist. Manchmal braucht die Hoffnung ein neues Ziel.“ Auch wenn die Krankheit nicht besiegt werden kann, können Menschen Zuversicht und Freude am Moment erleben. Auf ganz unterschiedliche Art. „Ein Patient hat trotz seiner schweren Erkrankung weiter online Beratungsstunden in seinem Unternehmen gehalten. Diese Momente haben ihm so viel gegeben“, erzählt Küster. Sie betont auch: „Es gibt Menschen, die gut durch eine Krebserkrankung kommen.“ Nicht immer ist eine professionelle Beratung notwendig.
Wer im Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln stationär oder ambulant behandelt wird, erhält immer das Angebot einer psychoonkologischen Begleitung. „Es geht darum, die Ressourcen zu stärken und die psychische Situation zu stabilisieren“, sagt Breitschuh. Sie hält es für wichtig, dass belastende Themen mit einer außenstehenden Person besprochen werden können. „Ziel ist es, einen sicheren Raum zu ermöglichen, in dem die Patientinnen und Patienten über Ängste und Sorgen sprechen können“, sagt sie.
Verarbeitung manchmal erst nach der Therapie
Die Psychoonkologin vermittelt Wissen zu Umgang mit Ängsten und emotionalen Belastungssituationen. Sie erläutert Atemtechniken, Imaginationsreisen, Entspannungstechniken, die Entlastung bei Schmerzen bringen können. Auch wenn Krebspatienten an Erschöpfung, Fatigue, leiden, kann Wissen helfen. „Manche haben einen starken inneren Kritiker und setzen sich unter Leistungsdruck. Wenn sie erfahren, dass es eine körperliche Erschöpfung ist, können sie besser damit umgehen und beginnen häufig, eine Achtsamkeit für den eigenen Körper zu entwickeln“, sagt Breitschuh.
Ist die Therapie erfolgreich abgeschlossen, setzt neben der Erleichterung bei einigen Patienten auch Verunsicherung ein. „Dann beginnt manchmal erst die Verarbeitung der Erkrankung und der Erlebnisse während der Behandlung. Es fällt dann nicht leicht, einfach wieder in das Leben von vor der Erkrankung einzusteigen. Es braucht Zeit, Begleitung und Verständnis für das, was erst noch verarbeitet werden muss“, sagt Küster. Auch wenn die Umgebung denkt „Es ist ja jetzt vorbei“, muss das für Betroffene nicht zutreffen. Man kann auch dann die unterstützende Hilfe der Krebsberatungsstelle und der Klinischen Psychoonkologie im CIO nutzen.
Der Verein Lebenswert wurde 1997 als Initiative für krebskranke Patienten gegründet. Er ist unter anderem Träger der Kölner Krebsberatungsstellen und fördert die psychoonkologischen Angebote für Krebspatienten am Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln.
Gruppenangebote am CIO sind unter anderem Kunst- oder Musiktherapie, Atemtherapie oder eine Männergruppe.
Der Bereich Klinische Psychoonkologie an der Uniklinik Köln hat seit 2017 alle therapeutischen Angebote für die dortigen Patienten übernommen.
Die Krebsberatungsstelle Köln hat ihren Sitz bei Lebenswert e.V. Die Beratungsangebote decken auch viele soziale Fragen ab. Sie finden an verschiedenen Orten in Köln statt. Eine Übersicht gibt es online.
Spenden sind grundlegend, um die Vereinsarbeit zu finanzieren.
Telefonkontakt zur Krebsberatung montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr.