Professor Wolfram Windisch ist Chefarzt der Lungenklinik in Merheim. In seiner Freizeit steht er auf der Theaterbühne.
Morgens Kittel, abends KontrabassKölner Chefarzt steht auf der Theaterbühne
Eine Rolle von Professor Dr. Wolfram Windisch ist der Chefarzt. Jeden Morgen zieht er seinen weißen Kittel an und macht als Chef der Lungenklinik in Merheim die Visite. „Das ist natürlich nur das, was wir von außen sehen“, sagt Windisch. „Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch, der jeden Morgen seinen Kaffee trinkt und auch mal weint, wenn er traurig ist.“
Wenn Windisch seinen Kittel auszieht und sich aufs Fahrrad nach Hause setzt, geht er im Kopf Theatertexte durch. „Wir spielen alle verschiedene Rollen, das ist das, was unsere Facetten ausmacht. Auf der Theaterbühne, glaube ich, bin ich ich selbst“, sagt der 55-Jährige. Seit drei Jahren spielt der Mediziner Theater, zuerst in einer Laiengruppe, mittlerweile steht er mit einem Solo-Stück allein auf der Bühne.
„Der Kontrabaß“ von Patrick Süskind führte Windisch erstmalig im Dezember letzten Jahres auf und entwickelte das Stück seitdem immer weiter. Ein Jahr lang habe er mit Proben verbracht, in seinem Jahresurlaub lernte er den Text. Zuvor nahm er professionellen Schauspielunterricht, unter anderem in Privatkursen und an der Kölner Theaterakademie. „Der Kontrabaß erwartet die Notwendigkeit, dass man den Text nicht nur Satz für Satz, sondern Wort für Wort liest, interpretiert und auch fühlt“, so Windisch. Zusammen mit seinem Schauspielcoach und Theaterregisseur Peter Mustafa Daniels und Regisseurin Melanie Heinz entwickelten sie eine Inszenierung, die Windisch auf den Leib geschrieben ist: Der Mediziner, der nebenbei auch als Pianist Konzerte und Wettbewerbe bestreitet, spielt auf der Bühne vier kleine Stücke auf dem Klavier.
Aufführung vor Kolleginnen und Kollegen
Dass er ein Ein-Mann-Stück ausgewählt habe, liege nicht nur an der intensiven Auseinandersetzung mit dem Stoff, sondern auch an seinem Beruf, so Windisch. „Es ist nicht einfach, Proben im Ensemble mit dem Klinikalltag zu vereinen.“ Die Arbeit im Klinikum Merheim stehe für ihn an erster Stelle. Manchmal kommen aber auch beide Welten zusammen. Etwa wenn Windisch als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin auf dem Jahreskongress den „Kontrabaß“ vor 120 Kolleginnen und Kollegen aufführt. „Ich wollte zeigen, dass auch ein Präsident spielen kann. Auch wir können kindlich sein. Nicht unwissend, sondern sich im Moment befinden“, sagt Windisch im Hinblick auf eine immer schneller werdende Gesellschaft - auch im Medizinberuf. „Bei Theaterspiel beschäftige mich mit einer Textstelle und es ist ähnlich wie beim Klavier, wenn ich einzelne Stellen übe - über Tage, Wochen und Monate immer wieder das Gleiche. Das ist nicht langweilig, sondern das Gegenteil ist der Fall, weil immer wieder neue Facetten passieren.“
Für sich selbst nimmt er aus dem Theaterspielen viel mit in seinen Beruf - und umgekehrt. „Es gibt viele Parallelen“, sagt Windisch. „Im Theater gibt es auch immer ein Suchen und Forschen nach den Emotionen in sich selber. Wie kann ich das, was im Text steht, in mir finden? Wie kann ich es authentisch in Präsenz rüberbringen?“ Präsent und ganz bei seinen Patientinnen und Patienten sein, das ist auch Windischs Anspruch bei seiner Arbeit in der Klinik. „Wir betreuen in der Lungenklinik schwerstkranke und schwerst leidende Patientinnen und Patienten. Was unerlässlich ist, ist zuzuhören und dabei nicht abgelenkt zu sein.“
Als Süskinds Kontrabassist kommt Windisch auf der Bühne in alle Emotionen, er kommt vom Rausch bis zur tiefen Tristesse. „Auch in der Klinik versuche ich mich vor traurigen Situationen nicht zu verschließen“, sagt Windisch. „In der Medizin geht es letztendlich um wirklichen Kontakt zum Menschen und wirklicher Kontakt entsteht, indem ich meine Emotionen zulasse.“
Nächste Aufführung am Donnerstag
Bevor Wolfram Windisch das erste Mal selbst auf einer Bühne stand, war er selten im Theater. Heute nutzt er auf Fachkongressen jede Möglichkeit, die Schauspielhäuser anderer Städte zu besuchen. „Mich fasziniert vor allem die Literatur, die großartigen Texte“, schwärmt Windisch, der bereits Stücke von Goethe, Büchner, Sartre oder Yasmina Reza gespielt hat. Den „Kontrabaß“ hat Windisch bereits 14 Mal aufgeführt, unter anderem auf Privatveranstaltungen, in einem Geigenladen in der Südstadt und in zwei Kölner Theatern. Die nächste Aufführung ist für Donnerstag, 7. November, um 20 Uhr im Kölner Horizont Theater geplant (Karten 20 Euro, ermäßigt 15 Euro), sowie am 15. Dezember im Woelfl-Haus in Bonn.
Zur Person
Wolfram Windisch, Jahrgang 1969, wurde in Hamburg geboren und studierte Medizin in Göttingen. Dort spezialisierte er sich auf Pneumologie, also die Erkrankungen der Atmungsorgane und die Beatmungsmedizin.
Im April 2011 wurde er Chefarzt der Lungenklinik im Krankenhaus Merheim, seit 2014 ist er Lehrstuhlinhaber an der Universität Witten/Herdecke. Von 2023 bis 2025 ist Windisch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Seine Forschungsschwerpunkte sind insbesondere das Atemversagen, die Beatmungsmedizin, die Lebensqualität bei chronisch Lungenkranken und auch die Zwerchfellfunktion.
Windisch hat drei erwachsene Kinder und lebt in der Kölner Südstadt.