Vor 125 Jahren gründete ein belgisches Unternehmen die erste Glasfabrik in Porz. Seither wurde die Produktion immer weiter entwickelt.
Saint GobainKöln-Porzer Glas-Hersteller feiert 125 Jahre Produktion
125 Jahre Glas-Geschichte in Porz feierten Mitarbeiter und ihre Familien des Unternehmens Saint-Gobain jetzt bei einem Festtag auf dem Porzer Werksgelände. Die Geschichte der Glaswerke hat auch die Geschicke der einstigen Gemeinde Porz und deren Industrialisierung geprägt.
Alles fing mit hohen Einfuhr-Zöllen auf Glas an. Im Deutschen Kaiserreich waren industrielle Glasprodukte mit sechs Mark Zoll pro Quadratmeter belegt. Um ihr Glas in Deutschland preiswerter anbieten zu können, entschied sich die belgische Glasgesellschaft „Société anonyme des Glaces Nationales Belges“ 1899 zum Bau eines Werks in Deutschland.
Die Standortwahl fiel auf Porz, weil es in der Umgebung große Vorkommen von Sand, Kies und Kalk gibt. Das Unternehmen bekam den Namen „Spiegelglaswerke Germania“, denn zu jener Zeit gab es in Deutschland viele Vorbehalte gegenüber allem, das französisch anmutete. Und deutscher als „Germania“ konnte ein Firmenname wirklich kaum klingen.
Die belgischen Investoren ließen eine Werksanlage bauen, wie sie in Köln einmalig ist: Verwaltung, Kasino, Direktoren-Villa und Wohnhäuser für Mitarbeiter wurden in einer werkseigenen Siedlung errichtet, sogar eine Schule.
Die Wohn-Reihenhäuser nach belgischem Vorbild galten für den deutschen Geschmack als „schlecht mit Licht und Luft versorgt“, wie ein Beitrag der Rheinischen Industriekultur ausführt. Heutzutage sind die unter Denkmalschutz stehenden Häuser an der Glasstraße, Germaniastraße und am Concordiaplatz allerdings begehrte Wohnobjekte.
Schon im ersten Betriebsjahr erzeugte das Werk 250.000 Quadratmeter Glas, 1910 waren es bereits 400.000 Quadratmeter. Die Germania produzierte Rohglas, geschliffenes und poliertes Kristallspiegelglas sowie silberbelegte Spiegel zu einem erheblichen Teil für den Export.
Rheinische Ziehglas AG (Rezag) entstand nach dem Ersten Weltkrieg
Es folgten schwierige Zeiten im Ersten Weltkrieg und den Notjahren danach. Doch 1927 gründete der Verein deutscher Spiegelglasfabriken (VDS), dem die Germania 1901 beigetreten war, auf dem Gelände ein weiteres Glaswerk, das Ziehglas nach einem Verfahren fertigte, das Schleifen und Polieren als Arbeitsgänge überflüssig machte. Die Rheinische Ziehglas AG (Rezag) produzierte bereits im ersten Jahr mehr als zweieinhalb Millionen Quadratmeter Glas.
Nach starken Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurden beide Werke wieder aufgebaut, neu organisiert und modernisiert. Über etliche Jahre produzierte das Werk in Porz auch Autoglas. 1965 gründete die Unternehmensgruppe die erste deutsche Float GmbH in der Germania.
Das Floatglasverfahren verdrängte die älteren Verfahren. 1971 wurde die Spiegelglas-Produktion der Germania und 1976 die Ziehglas-Produktion der Rezag eingestellt. Das Unternehmen firmierte seitdem als Vegla-Werk Köln-Porz; die Vegla als 100-prozentige Tochter von Saint Gobain wurde in den 1970er Jahren zur GmbH.
Spitzenprodukt ist derzeit Glas mit einer speziellen Wärmeschutzschicht
1983 kam, mit Inbetriebnahme der ersten Magnetronbeschichtungsanlage, eine wichtige Neuerung. Mit den inzwischen zwei Anlagen in Porz kann Glas hochwertig beschichtet werden. Dieses speziell bearbeitete Glas ist aktuell die Stärke des jetzt 125 Jahre alten Werks. Moderne Wärmedämm-Verglasung, die selbst im Winter das Sonnenlicht effektiv nutzt, entsteht durch eine Innenbeschichtung der Doppelverglasung mit einer reflektierenden Wärmeschutzschicht sowie durch den Einsatz von Edelgasen in den Scheibenzwischenräumen.
In Zeiten des Klimawandels geht es zudem um Sonnenschutz, der gleichfalls durch spezielle Herstellungsverfahren gesichert wird. ‚Mit entsprechender Verglasung können Energieverluste an Gebäuden so minimiert werden, dass die Herstellungskosten für‘ das Glas in nur einem Jahr durch die Energieersparnis aufgewogen werden.
Solche Details erfuhren die Angehörigen der 240 jetzigen Saint-Gobain- Mitarbeiter bei Werksführungen am Familientag zum Jubiläum. Sie konnten die Halle, mit der im vorigen Jahr erneuerten und auf energiesparenderen Betrieb umgestellten Schmelzwanne besichtigen. Sie produziert etwa 750 Tonnen Glas täglich, das sind etwa 67.000 Quadratmeter und in der Fläche so viel wie neun Fußballfelder.
Beim Gang entlang der Schmelzwanne, in deren Innerem 1500 Grad herrschen, ließ sich an Luken beobachten, wie buchstäblich die Luft brennt. Informatives gab es aber auch weniger heiß, denn vor Inbetriebnahme hatte das Unternehmen eine Drohne durch die Wanne fliegen lassen und daraus einen Film erstellt.
Sehr viele Arbeitsgänge, die einst den Einsatz mehrerer Tausend Mitarbeiter erfordert haben, laufen inzwischen maschinell. Die Arbeit im Glaswerk hat sich sehr verändert und erfordert hohe Fachkompetenz. Vor allem aber natürlich weiterhin große Vorsicht im Umgang mit dem fragilen Material. Das konnten die Gäste beispielsweise in den Hallen sehen, wo die meist auf 6 mal 3,21 Meter zugeschnittenen Bauglasplatten für den Weitertransport zu Kunden weltweit vorbereitet werden. Und zwar sehr, sehr behutsam.