Planungsmängel am RheinboulevardKöln streitet seit zehn Jahren um eine Million Euro
Köln – Mehr als fünf Jahre nach der Fertigstellung des Rheinboulevards streitet sich die Stadt Köln noch immer mit einer der am Bau beteiligten Firmen vor Gericht um Schadenersatz. Sie wirft dem Ingenieurbüro Arcadis aus Darmstadt mangelhafte Planungsleistungen vor.
Diese hätten beim Bau der 500 Meter langen Freitreppe zu Mehrkosten in Höhe von knapp 961.000 Euro geführt. Eine außergerichtliche Einigung lehnte das Unternehmen ab, im September 2016 reichte die Stadt Klage beim Landgericht Köln ein. Ein Ende des Rechtsstreits ist vorerst nicht in Sicht. Aber der Reihe nach.
Neugestaltung des Rheinufers kostete Stadt Köln fast 20 Millionen Euro mehr
Im Zuge der „Regionale 2010“, einem Strukturförderprogramm des Landes NRW, hegte die Stadt den Plan, das rechte Rheinufer zwischen Deutzer Brücke und Hohenzollernbrücke neu zu gestalten. Dafür waren ursprünglich mal sechs Millionen Euro veranschlagt, am Ende kostete der Rheinboulevard 26,1 Millionen Euro. 2008 beauftragte die Stadt die Arcadis Consult GmbH, den Baugrund zu erkunden und Vorschläge zu machen, wie das Fundament der Betontreppe anzulegen sei.
In seinem „Geotechnischen Bericht zur Baugrunduntersuchung“ vom 16. Mai 2010 kam das Ingenieurbüro zu dem Ergebnis, das Baufeld sei für eine „Tiefgründung“ geeignet, bei der Spundwände aus Stahl in den Boden gerammt werden. Das Verfahren hielt die Firma für geeignet, da sie bei ihren Bodenerkundungen größtenteils „unterhalb von Steinschüttungen sandige, teils schluffige Kiese in lockerer bis dichter Lagerung“ vorgefunden habe. Auf Basis dieser Empfehlung trieb die Stadt ihre Pläne weiter voran und ließ weitere Detailplanungen erstellen.
Rheinboulevard: Stahlwände in den Boden rammen nicht möglich
Doch bald stellte sich das Konzept der Tiefgründung laut Stadt als „unbrauchbar“ heraus. Als das Rheinufer im September 2010 auf Kampfmittel untersucht wurde, stießen die Bohrer schon ab einem halben Meter Tiefe auf Hindernisse wie Basaltsteine und Reste früherer Uferbefestigungen.
In diesen Untergrund Stahlwände zu rammen, kam laut Stadt nicht in Frage. Deshalb habe man die Tiefgründung mittels Spundwand aufgeben müssen und stattdessen ein Alternativkonzept mit einer „Flachgründung“ – also einem Streifenfundament – komplett neu erstellen lassen. Das habe das Projekt verzögert, eine geänderte Objekt- und Tragwerksplanung erfordert und zu sehr hohen Zusatzkosten geführt.
Info Rheinboulevard
5500 Quadratmeter großflächige Betonplatten und 2300 Quadratmeter Naturstein wurden auf dem 500 Meter langen Rheinboulevard verbaut. Außerdem umfasst das Areal 2100 Quadratmeter unbefestigte Wege und 6700 Quadratmeter Rasen. Rund 60 japanische Schnurbäume, Kastanien und Robinien wurden neu angepflanzt.
26,1 Millionen Euro kostete die Ende 2016 fertiggestellte Freitreppe. Anfangs war man von sechs Millionen ausgegangen, dann hieß es 11,2 Millionen, beim Baubeschluss 2009 genehmigte der Rat 18,1 Millionen Euro.
Die Reinigung durch die AWB kostet zurzeit rund 350 000 Euro pro Jahr. Sie wird von der Stadt bezahlt und nicht auf die Abfallgebühren umgelegt. (fu)
Doch mit Schreiben vom 8. März 2011 – vor elf Jahren – lehnte Arcadis es ab, diese Kosten zu übernehmen. Daran änderte sich auch nichts, als der von der Stadt beauftragte Gutachter Prof. Dr.-Ing. habil Christian Moormann, Direktor des Instituts für Geotechnik der Universität Stuttgart, am 7. April 2013 sein Fachgutachten vorlegte. Darin führt Moormann aus, der Fachplaner von Arcadis habe das Erkundungskonzept „nicht fachgerecht und nicht normenkonform geplant, obwohl er umfangreiche Kenntnisse über die komplexe Baugrundsituation und zu im Untergrund zu erwartenden Hindernissen hatte“.
Der Planer hätte Alternativen aufzeigen müssen, habe aber nur die Spundwandlösung empfohlen, die „als technisch äußerst aufwändig und sehr schwierig umsetzbar sowie ökonomisch nachteilig zu bewerten ist und die sich als letztlich nicht ausführbar erwies“.
Stadt Köln hat 2014 Klage gegen Ingenieurbüro eingereicht
Auf Grundlage dieses Gutachtens beschloss der Stadtrat vor acht Jahren am 24. März 2014, Klage einzureichen. Danach verhandelte die Stadt erneut mit Arcadis über einen Vergleich, doch ohne Erfolg. Im Prozess am Landgericht (Az. 27 O 365/16) wurde zuletzt am 13. November 2018 verhandelt. Laut einer Gerichtssprecherin hat die zuständige Kammer Zeugen vernommen, einen Ortstermin durchgeführt und einen Sachverständigen bestellt.
Am 9. August wird die Verhandlung fortgesetzt – Ende offen. Sollte das Ingenieurbüro in erster Instanz zu Schadenersatz verurteilt werden, wäre Berufung am Oberlandesgericht und Revision am Bundesgerichtshof möglich. Es kann also noch Jahre dauern. Arcadis lehnte eine Stellungnahme ab. Man äußere sich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren.
Immerhin scheint das Bauwerk nach der Neuplanung gut zu funktionieren. Bislang seien „keine konstruktionsbedingten Schäden bekannt“, so die Stadt.