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Pilotstudie in KölnJeder Dritte hat schon einen Übergriff im Schulsport erlebt

Lesezeit 3 Minuten
Eine Schülerin läuft im Sportunterricht über eine umgedrehte Holzbank.

Beim Sportunterricht gibt es Risiken.

Unter Schülerinnen und Schülern hat mehr als jeder dritte sexualisierte Gewalt im Sportunterricht erfahren. Wie das verhindert werden kann.

Ein Lehrer, der mit den Schülern gemeinsam duscht, eine Lehrerin, die sich abfällig über die Körperform äußert. Besonders im Sportunterricht lauert die Gefahr von sexualisierter oder psychischer Gewalt. Nach einer Pilotstudie, die Dr. Jeannine Ohlert, Sportpsychologin und Mitarbeiterin im Zentrum für Sportlehrer*innenbildung an der Deutschen Sporthochschule Köln, jetzt in drei Kölner Gymnasien durchgeführt hat, sind Gewalterfahrungen im Sportunterricht keine Seltenheit. Im Gegenteil.

„Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die laut unserer Pilotstudie Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt im Sportunterricht hat, liegt deutlich über der, die in einem Forschungsprojekt im organisierten Sport erhoben wurde“, sagt Ohlert. Das Forschungsprojekt „Safe Sport“ kam 2016 zu dem Schluss, dass rund 37 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen, die in einem Verein Sport treiben, Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben.

Schüler und Schülerinnen stapeln blaue Turnmatten.

Schüler und Schülerinnen im Schulsport-Unterricht.

„Auffällig bei den Angaben der Schülerinnen und Schüler war, dass es häufig zu Gewalt untereinander kommt“, sagt Ohlert. Dabei gehen sexualisierte und psychische Gewalt oft miteinander einher. „Grundsätzlich ist jeder Vorgang, der die persönlichen Grenzen verletzt, Gewalt“, stellt die Psychologin klar. Unter Mädchen komme es eher zu psychischen Attacken, unter Jungen zu körperlicher Gewalt. Weitere Feststellung: Schülerinnen und Schüler finden herabwürdigende Kommentare – wie „Du bist zu doof, um das zu schaffen“ – besonders belastend.

Unsicherheit in der Pubertät

Weil im Sportunterricht der Körper im Mittelpunkt steht und der sich in der Pubertät stark verändert, ist Achtsamkeit gefragt. „Die Schülerinnen und Schüler entdecken einerseits ihre Sexualität, sind auf der anderen Seite aber voller Unsicherheiten. Zudem sind sie durch ihren Medienkonsum oft verunsichert, was angemessen ist“, urteilt Ohlert. Eine Situation, in der Lehrkräfte besonders gefordert sind, sensibel zu reagieren. „Leider werden sie dafür noch nicht ausreichend ausgebildet“, findet die Sportpsychologin, die seit rund vier Jahren zum Thema „Sexualisierte Gewalt im Sportunterricht“ Workshops für Studierende und Lehrkräfte anbietet.

Dr. Jeannine Ohlert

Dr. Jeannine Ohlert

Ihr wichtigster Tipp: Eine offene Kommunikation, in der Schutzmaßnahmen ebenso thematisiert werden wie gegenseitiger Respekt, Achtsamkeit und eine „Rückmeldekultur“. Wenn eine Hilfestellung demonstriert werde, sollte grundsätzlich gefragt werden, ob das für die Beispielperson in Ordnung sei. „Wird bei einer Hilfestellung oder überhaupt während des Sports versehentlich ein intimer Bereich berührt, sollte man sich auf jeden Fall entschuldigen“, rät Ohlert. Wer seine Grenzen verletzt sieht, sollte ermutigt werden, das zu äußern.

Klare Regeln helfen allen

„Klare Regeln und eine Rückmeldekultur helfen allen“, ist die Psychologin überzeugt. Das gelte auch für Lehrkräfte, die vermeiden wollten, dass sie falschen Verdächtigungen ausgesetzt seien. „Es ist auch sinnvoll, wenn eine Lehrkraft klar macht, dass sie die Umkleide nur nach einem Anklopfen und der folgenden Aufforderung betritt.“

Schülerinnen und Schüler in einer Sporthalle.

Schülerinnen und Schüler in einer Sporthalle.

Einen regelrechten Aha-Effekt hat es in den Workshops an der Sporthochschule oft, wenn die Kleidungsfrage im Sportunterricht thematisiert wird. Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch manche Lehrkräfte machen sich dabei manchmal nicht ausreichend Gedanken. „Die Funktionalität sollte im Vordergrund stehen“, findet Ohlert. Dass es zur Gewaltprävention förderlich ist, den Sportunterricht nach Geschlechtern zu trennen, glaubt sie nicht. Allerdings würde sie gerne mehr forschen. „Ich würde gerne eine repräsentative Studie durchführen, um unsere Zahlen bestätigen zu lassen. Dafür fehlt bisher ein Geldgeber.“