Auf seiner Tour mit der TV-Total-Band Heavytones aus Köln vermischt Xatar Rap und Klänge aus Soul, Funk und Jazz.
Straßenrap in Kölner PhilharmonieXatar setzt mit Heavytones ein emotionales Zeichen für Miteinander
Xatars Konzert scheint vor allem eines zu sagen: Guck, wie weit wir es gebracht haben. Deutscher Straßenrap hat es in die Kölner Philharmonie geschafft. Das bedeutet nicht nur für Xatar, sondern auch für seine Fans viel und sorgt für einen emotional aufgeladenen Abend. Gemeinsam mit der durch TV-Total bekannt gewordenen Kölner Band Heaytones ist der Rapper aktuell auf Tour. Dabei treffen seine Texte auf Klänge aus Soul, Funk und Jazz. Und auch diese Zusammenarbeit macht klar, dass Rap längst verdientermaßen ernst genommen wird - und die Fans des Genres ebenso. Für den 42-jährigen Xatar, der einst als im Iran geborener Flüchtling nach Bonn kam und später mit einem Goldraub und Gefängnisaufenthalt Schlagzeilen machte, ist es wohl ein Höhepunkt seiner künstlerischen Reise. Stilecht tritt er im Jogginganzug vor das ausverkaufte Publikum, trägt Goldkette und Sneaker - und zwar mit Stolz.
Selten ist das Publikum in der Philharmonie so durchmischt wie an diesem Dienstagabend. Nicht nur, weil Xatar mit den Heavytones mehrere Genres und Altersgruppen vereint, sondern auch weil der Rapper Fans aller Hintergründe hat. Dass sein Konzert möglichst vielen den Weg in einen mit Prestige behafteten Konzertsaal wie die Philharmonie ebnet, berührt ihn offensichtlich tief.
„Viele von euch kennen bestimmt das Problem: Leute, die nicht die gleiche Hautfarbe wie der Urdeutsche haben, haben ab und zu Probleme in Türen reinzukommen“, erklärt der 42-Jährige. „Wir bringen hier Kulturen und Styles zusammen.“ Ohne Bürgermeister Ralph Elster wäre Xatars Konzert in der Philharmonie wohl nicht zustande gekommen. „Er hat's möglich gemacht. Das war sein Gedanke“, bedankt sich Xatar bei dem Politiker, der lächelnd aus dem Publikum winkt. Er sei während der Tourplanung auf den Rapper zugekommen.
„Das Wichtigste ist, dass wir aus Höhen und Tiefen die beste Version aus uns machen“, sagt Xatar schon vor seinem ersten Song. Tatsächlich ist er einer der Künstler, bei denen sich Berg- und Talfahrten so genau abzeichnen, wie bei ihm. Vor 15 Jahren überfiel er mit drei Komplizen einen Goldtransporter, die Beute hatte einen Wert von fast zwei Millionen Euro. Damals war er bereits als Rapper bekannt. Xatar floh in den Irak, wurde jedoch nach Deutschland abgeschoben. Letztendlich verbrachte er fünf Jahre in der JVA Rheinbach. In seiner Zelle nahm er mit einem geschmuggelten Handy und Diktiergerät ein Album auf, das er per Post an sein Label schickte. Dafür bezahlte der Rapper zwar mit Einzelhaft, das Album wurde jedoch noch während seiner Haftstrafe veröffentlicht.
Guter Rap lässt sich nicht reinwaschen. Xatars Texte handeln teils von seiner Zeit im Vollzug, Drogenhandel, dem Leben im Bonner Brennpunkt und als Alsylbewerber. Das ändert sich auch in einem Ort wie der Philharmonie nicht. Der Rapper scheint zwar nicht mehr der Mann von damals zu sein, aber er hat ihn in seinen Songs verewigt und genug von ihm in sich behalten, um authentisch zu wirken.
Durch das Können der Heavytones bekommt der Abend eine epische Note. Auch wenn das Publikum sitzt, statt wie bei normalen Rap-Konzerten zu stehen, kommen viele aus dem Kopfnicken nicht raus. „Beim Arrangieren hatte ich immer im Kopf, dass es fett, funky oder auch gefühlvoll umgesetzt werden muss“, erklärt Keyboarder Wolfgang Dalheimer auf Anfrage der Rundschau. „Xatar’s Produktionen klingen alle spitze. Sie haben durchaus Tiefgang und grooven nicht zuletzt auch durch Xatar’s Rap-Gesang gewaltig“, schwärmt er. Auch für die in Köln beheimatete Band ist das Konzert ein Highlight: „Wir sind im Laufe unserer 23-jährigen Geschichte schon auf vielen Festivals und großen Bühnen aufgetreten, doch die Kölner Philharmonie fehlte noch bislang auf unserer Liste.“
Xatar in der Philharmonie: Tränenreicher Tribut an seine Schwester
Es ist fast zehn Jahre her, dass der Rapper zuletzt auf Tour war. Das zeigt sich teils an seiner Performance. Der Rapper vergisst hier und da den Text, bei manchen Songs liest er die Worte von einem Tablett ab. Nicht verlernt hat er hingegen seinen Flow mit Wiedererkennungswert und die Emotionen, mit denen er seine Texte rappt.
Denn die Musik des Rappers, der sich „Deutschraps Poesie-Implantat“ nennt, ist eben auch verletzlich und berichtet ehrlich von Schmerzen und Tiefschlägen. Bei seinem Song „Schwesterherz“ rollen im Publikum reihenweise Tränen. Xatar bahnt sich den Weg zu den Plätzen seiner Familie, die an diesem Abend zusieht. Direkt vor seiner Schwester performt er den Song und muss dabei immer wieder schlucken. Die Zeilen sind Liebeserklärung und Entschuldigung für die schwere Zeit mit einem kriminellen Bruder. Unter tosendem Applaus liegen sich die beiden sich danach weinend in den Armen.