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„Ohne jede Perspektive“Abgeschobene Romafamilie aus Kalk lebt in Wellblechhütte

Lesezeit 3 Minuten

Köln – „Romeo war immer so quirlig, sein Kopf voller Pläne. Er hatte ein festes Ziel. Erst die Hauptschule fertig machen und dann Heizungsmechaniker werden. Wenn wir jetzt skypen, spricht er fast nie mit mir. Hebt nur die Schultern und sagt: ,Nichts. Hier machen wir nichts, das siehst Du doch’.“ Eva Zela erzählt. Von Romeo, einem der beiden 16-Jährigen Zwillinge der Romafamilie Hymerllaj, um die sie sich als Ehrenamtlerin über ein Jahr lang gekümmert hat.

Keine Chance auf Ausbildung und Arbeit

Sie hatte Ihnen bei der Schule geholfen, war da, wenn sie reden wollten oder es ein Problem zu bewältigen gab. Man sieht ihr an, dass ihr die Veränderung im Verhalten des jetzt 17-Jährigen sehr nahe geht. Und dass sie sich große Sorgen macht. „Für ihn gibt es in Albanien als Roma keine Chance auf eine Ausbildung oder Arbeit.“

Die 17-Jährige Xhilliana sitzt neben der Wiege für ihr Baby.

Kurz vor Weihnachten 2021 war die Familie von Köln aus nach Albanien abgeschoben worden; da war sie knapp zwei Jahre in Deutschland. Sie hatte kein Bleiberecht. „Die Diskriminierung von Roma in Albanien und anderen osteuropäischen Ländern ist als Asylgrund nicht anerkannt“, sagt Marianne Arndt, Gemeindereferentin und Mitglied der AG Bleiben. Rechtlich war die Abschiebung also korrekt.

Dennoch hatte die AG Bleiben versucht, sie zu stoppen. Der Grund: die damals 16-jährige Tochter Xhilliana sei geistig eingeschränkt, sie habe den Stand einer Neunjährigen. Überdies war sie schwanger. In einer Schule in Albanien könne das hier als Förderkind eingestufte Mädchen nicht annähernd angemessen beschult werden, so eine Begründung des Antrags auf Aussetzung der Abschiebung. „Hier ist für mich eine deutliche Kindeswohlgefährdung anzuzeigen“, hatte Arndt in ihrem Schreiben ans Kölner Ausländeramt formuliert.

Nach der Abschiebung lebt die Familie nun in Armut

Auch die Lehrkräfte der beiden Kinder hatten das Gespräch mit der Kölner Ausländerbehörde gesucht und unter anderem darauf hingewiesen, dass beide Jugendliche auch während der Pandemiezeit kontinuierlich am Unterricht teilgenommen hätten. Die Beeinträchtigung der Tochter wurde in einem sonderpädagogischen Gutachten dargelegt; sie besuchte daraufhin eine Förderschule mit Schwerpunkt geistige Entwicklung. Die Lehrerin von Romeo bestätigte große Lernfortschritte des Jugendlichen in der Kalker Hauptschule.

Wellblechhütten (1)

In dieser Barackensiedlung hält sich die Familie nach ihrer Abschiebung auf.

Nach ihrer Abschiebung lebt die Familie in einer Siedlung, die aus Wellblechhütten und Baracken besteht, in der Nähe der albanischen Stadt Skodre. Die heute 17-Jährige schwangere Tochter hat seit der Abschiebung immer wieder Blutungen. Da die Familie keine Krankenversicherung hat, kann sie das Geld für einen Krankenhausaufenthalt und Behandlungen oft nicht aufbringen. Und wenn, dann nur durch Spenden von Helfern aus Deutschland.

Keine soziale Absicherung in Albanien

Die Eltern seien sehr deprimiert, weil die wirtschaftliche Lage in Albanien so extrem schlecht sei und es für Roma nicht möglich sei, Arbeit zu finden, sagt Zela. Der Vater versucht, mit dem Verkauf von Metallstücken Geld für Lebensmittel zu beschaffen. Eine soziale Absicherung gebe es in Albanien nicht.

Fotos zeigen die Eltern und Xhilliana in der vier mal fünf Meter großen Hütte aus Holzbohlen, Plastik und Wellblech, der Boden ist aus Lehm und Beton. Hier leben vier, nach der Geburt des Säuglings fünf Menschen. Ringsum gibt es viele solcher Baracken, die Wege dazwischen sind vom Regen aufgeweicht.

„Wir schieben die Menschen aus Köln ab, obwohl wir wissen, dass Roma in Albanien oder Mazedonien keine Chance haben, eine Arbeit oder Wohnung zu finden. Dass eine schwangere Minderjährige keine ärztliche Hilfe bekommt. Und dass sie unter diesen würdelosen Umständen ohne jede Perspektive leben müssen“, sagt Marianne Arndt. Erst vor wenigen Tagen hat sie mit der Familie gesprochen. Auf den Fotos, die sei bekommen hat, ist Romeo nicht zu sehen. Das Kind von Xhilliana soll Mitte Mai zur Welt kommen.