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Hilfe für Obdachlose in KölnMülheimer Arche feierte zweijähriges Bestehen – Betrieb durch viele kleine Spenden finanziert

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Grund zum Feiern hatte das Team der Arche.

Grund zum Feiern hatte das Team der Arche.

Es gibt immer mehr arme Kölnerinnen und Kölner. Und das Hilfsangebot der Arche wird immer wichtiger.

Lilly (48) ist gerade ganz oft in der „Mülheimer Arche“. In den vergangenen Wochen konnte sie nicht kochen. „Das Holz ist zu nass“, sagt sie. Die zierliche Frau lebt am Rheinufer in einem Zelt, irgendwo im Linksrheinischen. Seit vielen Jahren. Manchmal stellen Passanten ihre Pizza-Kartons mit den Stücken, die zuviel waren, neben die Mülleimer. „Die nehme ich mir dann“, sagt Lilly S. In die Arche, in die sie Freunde vor acht Wochen zum ersten Mal mitgenommen haben, kommt sie sehr gerne. Hier gibt es warmes Essen, 50 Cent die kleine Portion, heute Spaghetti mit einer guten Bolognese-Sauce. Und Kaffee, den sie gerade mit einem Freund zusammen trinkt. Gestern feierte die Arche ihr zweijähriges Bestehen mit Musik und vielen wohnungslosen Gästen, Förderern und Freunden.

Die Mülheimer Arche ist ein ausschließlich durch Spenden finanziertes Hilfsangebot der Initiative „Arche für Obdachlose“ in mehreren Containern am Rand des Mülheimer Stadtgartens. Hier gibt es an jedem Werktag ein warmes Essen und Getränke. Wer möchte, kann hier duschen und seine Wäsche waschen, im Aufenthaltsraum sein, oder draußen auf Bierbänke mit Feunden zusammenzusitzen. Wichtiger Teil des Angebotes, das der Sozialdienst katholischer Männer für den Verein betreibt, ist die offene Sozialberatung für alle, die Hilfe benötigen. Direkt gegenüber führt eine Tür in die Arztpraxis des gemeinnützigen Vereins „Caya“. „Zu uns kann jeder kommen“, so Gründer Mark Oette, Chefarzt im Severinsklösterchen. Auch Menschen ohne Krankenversicherung, ohne Papiere und mit psychischen Auffälligkeiten. „Schon sechs Monate nach Eröffnung wurden die täglichen Beratungskapazität voll ausgeschöpft“, schildert Arche-Geschäftsführer Jörg Frank. Deshalb hat die Initiative die Öffnungs- und die Beratungszeit um eine Stunde verlängert. 50 Menschen kommen pro Tag in die Arche, fünf in die Beratung, zehn suchen Hilfe in der Caya-Praxis. „Wir merken hier sehr deutlich, dass es immer mehr arme Kölnerinnen du Kölner gibt“, sagt Frank.

Auch Lilly S. ist Patientin der Caya-Praxis. Sie hat keine Krankenversicherung und lebt vom Pfand der Dosen und Flaschen, die sie sammelt. „Meistens nachts. Dann ist die Konkurrenz nicht ganz so groß.“ Ihr Banknachbar Ali (55) wollte erst nicht mit in die Arche. ‚Das kann ich doch allein‘, habe er sich gedacht. „Konnte ich nicht. Hier haben sie mir mit den Papieren geholfen, ich hatte eine ganze Tüte voll.“ Er hat eine kleine Wohnung, aber kaum Geld.

Unsere erste Zielgruppe sind obdachlose Menschen, aber es kommen auch sehr viele, die verschuldet sind oder ihre Sozialhilfe nicht alleine beantragen können.
Fabian Daniels, Einrichtungsleiter

„Unsere erste Zielgruppe sind obdachlose Menschen, aber es kommen auch sehr viele, die verschuldet sind oder ihre Sozialhilfe nicht alleine beantragen können“, so Einrichtungsleiter Fabian Daniels. „Das ist gut. So können wir verhindern, dass sie ihre Wohnung verlieren.“ Viele Menschen, die nach Jahren auf der Straße für sich keine Perspektive mehr sähen, kämen zunächst nur wegen der Aufenthaltsmöglichkeit. „Dann merken sie, dass anderen, mit denen sie täglich essen, durch die Beratung geholfen wurde. Und kommen schließlich auch“, sagt Christine O'Hara. „Manchmal komme ich auch in die Caya-Praxis, wenn mich die Kollegin dort dazu bittet, um mit sehr zurückgezogenen Menschen einen ersten Kontakt herzustellen. Dann vereinbaren dort gemeinsam einen ersten Termin.“

280 Patienten hat die Caya-Praxis mittlerweile in ihrer Kartei. Menschen, die sonst wohl nicht zum Arzt gegangen wären. „Come as you are, Komm wie Du bist“, so hat Mark Oette die offene Praxis genannt. 19 Ärztinnen und Ärzte versorgen hier ehrenamtlich mit zwei medizinischen Fachangestellten Akutverletzung, Infekte oder offenen Wunden an den Beinen.

„Die meisten unserer Patienten haben die Hoffnung aufgegeben, dass sich ihre Lebenssituation noch ändern könnte. Viele haben mannigfache Ablehnung erfahren, auch in Ämtern und medizinischen Institutionen, fühlen sich zutiefst herabgesetzt und haben auch das Vertrauen zu sich selbst verloren“, sagt Oette. „In der Arche und in der Caya-Praxis nehmen wir sie so an, wie sie sind. So entsteht mit der Zeit Vertrauen. Und dann fangen nicht wenige unsere Patienten wieder damit an, sich um sich selbst zu kümmern.“ Sehr positiv habe sich auch die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Fachärzten im Bezirk entwickelt. „Etliche signalisieren uns, dass wir ihnen gerne Patienten schicken können“, so Oette.

360 000 Euro Betriebskosten durch Spenden finanziert

Auf 360 000 Euro würden die Kosten für den Betrieb des Hilfsangebotes durch Inflation und längere Öffnungszeiten 2024 wohl steigen. Derzeit finanziere sich die Arche zum großen Teil durch von Spenden zwischen 10 und 500 Euro. „Das zeigt, dass wir in der Bevölkerung breit getragen werden“, sagt Frank, der mit dem Team der „Arche für Obdachlose“ schon die Idee einer zweiten Arche im Kopf hat. „Ein solches Angebot wäre am Neumarkt und am Ebertplatz so nötig wie sinnvoll.“