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Kölner Zoo-Chef begeistertWeltnaturschutzunion verstärkt Kooperation mit Zoos und Aquarien

Lesezeit 5 Minuten
Ein Äffchen sitzt zwischen mehreren Baumstämmen.

Rettung in letzter Sekunde: Weltweit gab es nur noch 300 Goldkopfäffchen, heute hat sich ihr Bestand etwas stabilisiert.

Es ist ein großer Schritt für den Artenschutz. Wir erklären, warum. Und auch, wie Artenschützer rund um den Globus zusammenarbeiten.

Zoochef Theo Pagel ist rückhaltlos begeistert. Mit einem Mausklick auf der Seite der Weltnaturschutzunion kann er sehen, wie viele der hochbedrohten Balistare es in ihrem natürlichen Lebensraum weltweit noch gibt. Und zugleich auch, wie viele in Menschenhand gehalten werden. „Das ist ein bedeutender Fortschritt für den globalen Artenschutz“, sagt Pagel mit Verve. „Und der ist nötiger als jemals zuvor.“ Möglich ist der neue Überblick, weil die Weltnaturschutzunion ihre Zusammenarbeit mit Zoos und Aquarien verstärkt. Sie hat die Populationsdaten von „Species 360“, einer globalen NGO für Wissens-Management im Artenschutz, in die Datenbasis ihrer Roten Liste der bedrohten Arten aufgenommen. Wir erklären, warum das ein entscheidender Schritt für Zehntausende von Tierarten ist, die weltweit vom Aussterben bedroht sind. Und wie genau die Zusammenarbeit der Artenschützer rund um den Globus funktioniert.

Welche Daten sammelt „Species369“?

Sämtliche Informationen über den Tierbestand in 1300 Zoos, Aquarien, Wildtierauffangstationen und Naturschutzeinrichtungen aus aller Welt. Sie werden von den Teams vor Ort in das von Species360 entwickelte „Zoological Information Management System“ (ZIMS) eingespeist. ZIMS ist die größte und älteste Quelle für Daten über Wildtiere in menschlicher Obhut; sie umfasst Millionen von Datensätzen zu Tausenden von Arten.

Warum ist die Zusammenführung wichtig?

Bisher hat die Weltnaturschutzunion sich bei ihrer Roten Liste ausschließlich auf Zählungen von Tieren bezogen, die im Freiland leben. „Durch die Zusammenführung mit den in ZIMS-Daten wissen wir zum ersten Mal, wie viele Tiere einer Art es insgesamt im Freiland und in menschlicher Obhut gibt“, sagt Theo Pagel. „Dadurch wird erstmals klar erkennbar, wo der Handlungsbedarf am allerdringendsten ist.“ Wenn sich etwa herausstelle, dass eine bedrohte Art in Zoos gut vertreten sei, werde man sich bei begrenzten Ressourcen zuerst um den Schutz einer der vielen Arten bemühen, für die es noch keine Erhaltungszucht gebe, so Pagel. „Alle Akteure — ob aus Politik, Forschung, Zoos oder von NGOs — können sich jetzt präziser zuarbeiten und ihre Schutzmaßnahmen besser koordinieren.“

Das Elefantenkind steht zwischen den Vorderbeinen seiner Mutter und reckt sein Rüsselchen nach oben.

Indische Elefanten sind ebenfalls stark gefährdet. Hier Sarynja kurz nach ihrer Geburt im Elefantenpark.

Ist dieser Aufwand wirklich nötig?

Wie dringend dieses „One Plan Approach“ genannte Vorgehen ist, zeigen Daten der Weltnaturschutzunion für Juni 2024. Von 6437 Säugetierarten sind 26 Prozent in Gefahr, für immer von unserem Planeten zu verschwinden; diese 1690 Arten werden als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht in der Roten Liste geführt . Dazu zählen auch die im Kölner Zoo gehaltenen Amurtiger, Elefanten, Löwen, Goldkopfäffchen, Nashörner und Philippinenkrokodile. Bedroht sind aber noch weit mehr Säugetiere – für weitere 1000 Arten gibt es kaum Daten. Noch prekärer ist die Situation bei Amphibien: Hier sind 41 Prozent aller Arten in Gefahr, bei den Weichtieren wie Muscheln oder Tintenfischen sind 25 Prozent betroffen, bei den Spinnenartigen 35 Prozent. 21 Prozent aller Reptilienarten sind bedroht, für weitere 14 Prozent gibt kaum Daten.

Zwei weiße Vögel mit azurblauem Kranz um die Augen sitzen auf einem Ast.

Balistare gibt es im Freiland kaum noch. In Zoos gibt es derzeit noch 844.

Seit wann ist der Kölner Zoo dabei?

Von Beginn an. Schon Mitte der 1970er Jahre gaben die Kölner Kuratoren ihre Daten an die NGO mit Sitz in Minnesota weiter – damals noch auf standardisierten Papierbögen. Und nicht nur die damals aktuellen, sondern auch die von Tieren, die etwa 1880 im Zoo gelebt haben. „Wir konnten sehen, dass Raubtiere oder Menschenaffen bei uns heute eine deutlich längere Lebenserwartung haben als früher — wohl wegen der besseren Haltungsbedingungen.“ Genauso unbestechlich zeigten die Statistiken aber auch negative Entwicklungen auf, sagt Pagel. Heute ist der Kölner Zoo einer von acht Zoos weltweit, die Species360 maßgeblich finanziell unterstützen.

Was kommt rein in die globale Datenbank?

Alle Geburten und Todesfälle im Zoo. „Und die haben wir bei mehr als 10.000 Tieren jeden Tag“, so Pagel. Es werden nicht nur bedrohte Arten sondern alle Tiere erfasst, denn die Lebensräume vieler Arten schwinden immer weiter. „Wir halten Lebensdaten, Ahnenreihen, Krankheiten und Ortswechsel der Tiere fest, so dass jedes eine Biographie in ZIMS hat“, schildert der Zoochef. Die ist auch die Grundlage für die Koordination von Erhaltungszuchten. Seit einigen Jahren wird zudem die Behandlung und Medikamentengabe bei Erkrankungen jedes Zootieres dokumentiert – ein weltweiter Austausch, von dem alle profitieren.

Wie unterstützt der Zoo die Datensammlung?

Begleitet von dem außerplanmäßigen Professor und Aquariums-Kurator Thomas Ziegler haben Studierende der Kölner Uni für ihre Abschlussarbeiten erforscht, wo und in welchem Umfang vietnamesische Reptilien in Menschenhand oder im Freiland vorkommen. Akribisch recherchiert wurde auch, in welchen Zoos weltweit es bedrohte madegassische Süßwasserfische gibt, deren Lebensraum durch die Klimakrise rasant schwindet. Alle Daten wurden in die ZIMS-Datenbank eingepflegt. Um sich mit Artenschützern im Sinne des One Plan Approach zu vernetzen, ist Aquariumskurator Ziegler derzeit als Vortragender auf einer internationalen Artenschutzkonferen in Vietnam.

Eine Schildkröte läuft auf Pflanzen.

Die chinesische Zackenschildkröte könnte ebenfalls aussterben, wenn sie keine Hilfe bekommt.

Gibt es im Zoo viele hochbedrohte Arten?

Der beinahe ausgestorbene Mangarahara Buntbarsch wird in Köln seit 2019 vermehrt und an andere Zoos zum Aufbau von Erhaltungszuchten abgegeben. Das gilt auch für zahlreiche vietnamesische Reptilienarten und das Philippinenkrokodil. Auch das Goldkopfäffchen wäre beinahe ausgestorben, heute gilt es „nur noch“ als „stark gefährdet“; in Köln gibt es regelmäßig Nachwuchs. „Bei neuen Tieren wählen wir nahezu immer bedrohte Arten“, so Pagel. Deshalb werden im geplanten neuen Giraffen-Areal statt Impalas stark gefährdeten Mhorr-Antilopen leben.

Was können Tierfreunde für den Artenschutz tun?

Der Zoo ist an zahlreichen Kampagnen zum Artenschutz federführend beteiligt. Mit der aktuellen Kampagne „Vietnamazing“ soll dazu beigetragen werden, die faszinierende Tierwelt Vietnams zu erhalten. Für gefährdete Geckoarten, dem „Zootier des Jahres“, werden Spenden gesammelt und Verstärkung sucht das „Team Nashorn“ des Zoos. Infos über Spendenmöglichkeiten und Wissenswertes für Artenschutzbegeisterte gibt es auf den Seiten des Kölner Zoos, des WWF Deutschland und von „Vietnamazing“.