Leinen los am Anleger 10, Konrad-Adenauer-Ufer. Mit der „Rheinperle“ geht es auf große Hafenfahrt. Wenig Wind, klare Sicht, viel Sonne und der Rheinpegel zeigt auf zwanzig nach Vier - ideale Bedingungen auch für die Einfahrten in den Mülheimer und Niehler Hafen.

„Das ist keine Uhr, der Pegel zeigt den Wasserstand über Normalnull an, also vier Meter zwanzig“, erklärt Tourguide Stephanie Jost zu Beginn dieser besonderen Entdeckungsfahrt (siehe Info) inklusive ein bisschen Hamburg-Gefühl. „Köln war schon in der Römerzeit eine Hafenstadt“, betont die ausgebildete Stadtführerin mit Blick auf die über 2000-jährige Geschichte der Handels- und Hansemetropole am Rhein.

Während der Schiffsführer gemächlich Kurs hält, erfahren die Passagiere an Bord des Bootes der „Kölntourist“ auch mehr über schielende Treidel-Pferde und das Brückengrün, Ferrari-Containerstapler und Wahrschau-Boote, diese schwimmenden Plattformen mit Verkehrszeichen der Wasserschifffahrt mitten im Fluss. Jost verzällt kurzweilig viele Geschichte(n) rund um die Ports, von der historischen Bedeutung des großen Warenumschlagplatzes und des Stapelrechts bis zu moderner Stadtentwicklung am Wasser.

Vorbei geht es zuerst an alten Lastkränen und neuen Kranhäusern im Rheinauhafen. Wo im 19. Jahrhundert viele Waren umgeschlagen wurden, entstand ein neues Wohn- und Geschäftsviertel. Der Yachthafen ist in Betrieb. An der Kaimauer zu Füßen des „Siebengebirges“, einst kleine Speicherstadt, tankt gerade ein Binnenschiffer Strom.

Thomas Herzog steuert die frisch renovierte Rheinperle bis zur Südbrücke, wendet, passiert den Deutzer Hafen flussabwärts, während Stephanie Jost über den dortigen Standort von Wasserschutzpolizei und Feuerwehr-Löschboot ebenso zu berichten weiß wie über die Entwicklung des Areals rund um die alte Getreidemühle: „Kennen Sie noch die Werbung?! Aurora mit dem Sonnenstern!“

Das Boot nimmt Kurs auf Mülheim, steuert unter der wie ein Katzenbuckel gewölbten Fußgängerbrücke in den Hafen. „Dies ist ein Sicherheitshafen, hier dürfen auch Schiffe mit Gefahrstoffen liegen“, so Jost, „er gehört dem Bund.“ Hier befinden sich unter anderem Einrichtungen der KSD-Werft und Heipa-Boote sowie eine Helling-Hebeanlage. „Hier lag früher auch mal das Hausboot der Kelly-Family.“ Generell gebe es nur sehr wenige Hausboot-Liegeplätze in der Stadt. Der vorhandene Platz werde von vielen Hotel- und Frachtschiffen benötigt.

„Die Kölner Wirtschaftshäfen bis auf Mülheim befinden sich im Besitz der Häfen- und Güterverkehr Köln (HGK) GmbH“, sagt Jost und hebt die große wirtschaftliche Bedeutung der Branche hervor: „Die HGK haben sich mit den Häfen Neuss und Düsseldorf zur RheinCargo zusammengeschlossen und sind zusammen einer der größten deutschen Binnenhäfen.“

„Sieht hier ein bisschen wie in Hamburg aus“, wundert sich Simon, der zur Feier seines 33. Geburtstags mit Freunden als Tourist in der eigenen Stadt mit an Bord der „Rheinperle“ ist. „Echt überraschend, ich wusste nicht, dass Köln solche Häfen hat “, sagt Philipp mit Blick auf die Becken von Niehl I. Eine weitläufige Industrie-Szenerie: Bunte Containerstapel türmen sich wie ein Gebirge am Ufer, Lastkräne mit gewaltigen Greifern bewegen sich wie von Geisterhand gesteuert. Vorbei geht es an einer Schiffstankstelle, Güterwaggons, Silos - und wer gut Ausschau hält, entdeckt auch den „Reach Stacker“ von Ferrari, ein roter Kraftprotz, der Container stapeln kann.

„Das da sind Spreader“, sagt Stephanie Jost zeigt auf gespreizte Metallarme an Containerbrücken, die die genormten Stahlbehälter vom Schiff an Land hieven. 25 Container die Stunde kann ein Kranführer versetzen. Im gesamten Hafen Niehl werden laut HGK jährlich zwischen 400.000 und 500.000 Container umgeschlagen. Dazu kommen weitere Gütergruppen, von palettierten Gütern und Sackware bis zu kompletten Maschinen und Rollenpapieren für Druckereien und die Verpackungsindustrie. Wöchentlich gehen zehn Abfahrten mit Containerschiffen und 180 Abfahrten per Zug ab.

Im Mittelalter waren noch echte Pferdestärken gefragt, Pferde wurden zum „Treideln“ eingespannt, um die Segelschiffe rechtsrheinisch an Seilen gegen den Strom flussaufwärts zu ziehen. „Linksrheinisch war das wegen des ganzen Betriebs von der Bastei bis zum Bayenturm nicht möglich. Man legte den Tieren beim Treideln nur eine Scheuklappe an - sie fingen dadurch auf Dauer an zu schielen. Daher der Name: Schäl Sick.“

Nah an den Rheinwiesen geht es zurück, Dom voraus. Am Ende sind auch Gabi und Herbert Fichtinger aus Niederösterreich glücklich wieder an Land und um viele kölnische Wassergeschichten reicher. „Schön! Der Hamburger Hafen ist zwar größer, aber hier kommt man viel näher ran!“

Hintergrund

Die „Rheinerle“ gehört zur Flotte der „KölnTourist Personenschifffahrt am Dom“, ein Familienunternehmen mit vier Schiffen. Es bietet verschiedene Touren von der Brunch- bis zur Kölschfahrt. Exklusiv im Programm hat Kölntourist die dreistündige Hafentour, Kosten pro Erwachsener 34.90 Euro.

Der Rhein ist zentraler Teil eines europaweiten Wasserstraßennetzes, verbunden mit Neckar, Main und Mosel, mit vielen Kanälen und Seehäfen wie Amsterdam Rotterdam und Antwerpen.(MW)