Die neue Tempo-Infotafel lieferte alarmierende Ergebnisse in den Longericher Wohnvierteln. Bürgerverein und Nachbarschaft fordern nun Lösungen.
Tempo-ÜberschreitungenMit 90 km/h durch die 30er-Zone – Bürgerverein kämpft in Longerich gegen Raserei
Dass in Longerich gerast wird, wussten die Mitglieder des Bürgervereins und die Nachbarschaft zwar bereits. Doch die durch die neue Tempo-Infotafel vorliegenden Resultate haben dennoch alle Beteiligten entsetzt.
„Bei der Auswertung der Messergebnisse von der Longericher Straße von Anfang des Jahres war ich froh, dass ich in dem Moment gesessen habe“, verkündete Andreas Korn vom Bürgerverein Longerich beim Runden Tisch mit Politik, Nachbarn und Polizei im Generationenhaus an der Christoph-Probst-Straße 1.
Raserei in Köln-Longerich: Auch Werte jenseits der 90 km/h kamen vor
An der Messstelle bei Hausnummer 385 ergaben sich nahezu täglich Spitzen jenseits der 80 km/h – in einer 30er-Zone mit vielen kleinen Einmündungen, einer Arztpraxis, einer Kita und dem Generationenhaus in der Nähe. Sogar Werte jenseits der 90 km/h registrierte das System an einigen Tagen.
Ähnlich im November 2023: Von den damals erfassten rund 68.000 Fahrzeugen fuhren mehr als 20.000 zu schnell, 572 davon waren mit mehr als 50 km/h unterwegs. Genau 82 Fahrzeuge waren schneller als 80, 35 davon sogar schneller als 90 km/h.
Auch an der zweiten Messstelle, der Paul-Humburg-Straße 34, ergaben sich ähnliche Werte, wenn auch nicht ganz so extrem wie am ersten Punkt. An der dritten Stelle, der Graseggerstraße 115 in der Nähe von Krankenhaus, Spielplatz und Park war die Lage etwas ruhiger, doch auch dort gab es Spitzen bis 80 km/h. „Unsere Messergebnisse bestätigen die subjektiven Eindrücke, dass zu schnell gefahren wird“, resümierte Korn.
Beim nicht öffentlichen Runden Tisch stellte er die Zahlen mit dem Bürgervereins-Vorsitzenden Yannik Bayerle und Vereinsmitglied Kai Reimer vor. Von der Polizei diskutierten Andreas Bögel und Sebastian Heider mit; aus der Politik der Nippeser SPD-Bezirks-Fraktionschef Ulrich Müller und Parteikollegin Kerstin van Wesel, für die CDU Anne Hauser. Aus der Nachbarschaft waren Müllers Amtsvorgänger Horst Baumann, Anne Bauer und Lothar Weis zu Gast; die Stadt ließ sich entschuldigen.
Tempoanzeige: Neue Standorte für Messpunkte geplant
Im August 2023 hatte der Bürgerverein die Anlage installiert, die eine Dauerleihgabe der Veedelsvereins-Kollegen aus Fühlingen ist und alle paar Wochen im Rotationsprinzip an einen neuen Standort kommt. Sie zeigt das aktuelle Fahrtempo an, je nach Niveau in Grün, Gelb oder Rot. Außerdem werden die Durchfahrts-Geschwindigkeiten im System protokolliert; Nummernschilder erfasst die Anlage jedoch nicht.
Vier weitere Messpunkte will der Bürgerverein einrichten – an der Contzenstraße, Altonaer Straße, Longericher Straße (gegenüber dem bestehenden Standort) sowie der Hermann-Kausen-Straße. Es fehlt jedoch noch das Okay von Stadt und Rhein-Energie, an deren Laternen die Anlage hängt. Seit November warte man auf eine Antwort aus der Verwaltung, klagte Reimer.
An der Longericher Straße liegt sogar der Verdacht auf Autorennen nahe – denn mehrfach registrierte das System extreme Tempospitzen ganz kurz nacheinander. Solch eine Situation hatte Weis selbst einmal beobachtet. „Eines Tages kamen mir zwei VW-Golfs entgegengeschossen. Ich konnte noch nicht einmal die Kennzeichen entziffern, so schnell waren sie wieder weg.“
Eltern in der Siedlung schärften ihren Kindern ein, an bestimmten Stellen nicht die Straße zu überqueren und lieber Umwege in Kauf zu nehmen. Manchmal wichen Autofahrer sogar auf die Bürgersteige aus, da die Bordsteine sehr niedrig seien. Dass Fahrten von Einsatzkräften hinter einem Teil der sehr hohen Werte stecken könnten, schlossen Bögel und Heider aus: Zwar dürfe man im Sondereinsatz schneller fahren als normalerweise erlaubt, aber nicht in solch extremen Bereichen.
Raserei auf Longericher Straße: Runde plädiert für Fahrbahn-Verengung
Als eine Ursache für die Raserei gerade auf der Longericher Straße machte die Runde die relativ breite Fahrbahn aus. „Eine Umgestaltung wie in Alt-Seeberg auf der Oranjehofstraße würde helfen“, meinte Baumann. Dort tragen Mittel- und Seiteninseln sowie beidseitige Fahrrad-Schutzstreifen dazu bei, das Tempo zu drosseln. „Da kann man beim besten Willen nicht mehr schnell fahren und muss sehen, dass man aneinander vorbeikommt. Und von ihrer Verbindungswirkung her ist die Longericher Straße ähnlich, als Alternativstrecke zwischen Bilderstöckchen und Chorweiler.“
Weitere Ideen sind Metallgitter am Straßenrand vor der Kita, höhere Bürgersteige sowie „Kölner Teller“, kreisförmige Bremsschwellen, an den Einmündungen. Bayerle regte an, die Longericher Straße in die Standortliste für Blitzer aufzunehmen. Müller kündigte an, die Problematik für die SPD aufzugreifen; vorbehaltlich parteiinterner Abstimmung würde sich wohl auch die CDU einem Antrag anschließen.