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Interview

Konzert in der Kantine
Warum die Songs von Fischer-Z heute noch aktuell sind

Lesezeit 4 Minuten
John Watts

John Watts, Sängetr von Fischer-Z ("Marliese")

Die Band legte mit „Red Skies over Paradise“ ein legendäres Album vor.

Fischer-Z – das ist heute vor allem der Sänger und studierte Psychologe John Watts, der die britische Band vor über 40 Jahren gegründet hat, mit Anklängen von New Wave, Rock oder Reggae. Über all die Jahre hat Watts seine Band neu aufgestellt – ist sich und seinem kritisch-analytischem Blick auf die Welt jedoch treu geblieben. Das neue Album „Triptych“ ist vergangene Woche erschienen –am Sonntag gastiert die Band in der Kantine. Wir sprachen mit John Watts über Psychologie, Popmusik und sein Faible für Deutschland.

Triptych – das bezieht sich auf die drei wichtigsten Einflüsse Ihres Schreibens und Schaffens. Was genau sind diese?

Das sind die persönlichen, psychologischen und politischen Faktoren, die auf mein Leben Einfluss nehmen. Wenn man eine über 40-jährige Karriere hinter sich hat, kommt so einiges zusammen. Musik ist meine Ausdrucksweise, mit der ich die Welt reflektiere. Dennoch ist mein Interesse an Politik größer als mein Interesse an Musik. Musik ist meine Stimme, mit der ich über die Welt nachdenke.

Welche musikalischen Einflüsse spielen bei Ihnen heute eine Rolle?

Ich höre fast ausschließlich neue Songs und Künstler – alte Musik interessiert mich nicht wirklich. Mir fasziniert alles, was aktuell passiert, es gibt so viele talentierte junge Künstler. Viele werden leider gar nicht berühmt – die Plattenfirmen konzentrieren sich nur auf ganz wenige Acts. Das ist sehr schade.

Passt das zu dem, was Sie früher erlebt haben? Wie hat sich das Musikbusiness verändert?

Als ich damals anfing, Musik zu machen, war die Musik viel wichtiger für die Jugendkultur. Als Teenager waren Jugendkultur und Popkultur ganz eng miteinander verbunden. Heute entscheiden die Influencer mit den gemachten Nägeln, was cool ist – nicht die Sänger und Bands. Mir gefällt aber die Idee, den Wert der Musik aufrecht zu erhalten.

Macht Social Media es jungen Künstlern leichter, sich künstlerisch auszuleben?

Ich habe herausgefunden, dass heutzutage fast 400 Mal mehr Musik herausgebracht wird als zu meinen Anfangsjahren. Das Internet ist ein perfekt organisierter Supermarkt. Jedoch sind die Erfolgreichen nicht immer die Talentierten. Man muss sehr fokussiert auf das Geschäftliche sein und das Social Media-Spiel gut spielen können.

Du hast klinische Psychologie studiert – wie wichtig ist dieser Aspekt für Ihre Musik?

Ich war immer schon an außergewöhnlichen, verrückten Menschen interessiert. Aber die Psychologie rückt immer mehr ins Zentrum des Bewusstsein. Aktuell werden bei so vielen Menschen psychologische Besonderheiten festgestellt. Ein Viertel der Kinder werden heutzutage als Autisten oder ADHS-Kinder abgestempelt – dabei sind wir alle irgendwo auf einem Autismus- oder ADHS-Level. Ich bezeichne diese Besonderheiten nicht als Schwäche – man sollte sie den Kindern als „Superpower“ vermitteln.

Beim Hören von „Triptych“ fällt auf, dass Ihre Kompositionen im Vergleich zur punkigen Zeit deiner Anfänge sehr entspannt klingen - ganz im Gegensatz zu Ihren Texten. Warum ist das so?

Wenn man die Zeit damals und heute vergleicht, spielte damals die Angst eine noch größere Rolle. Im Kalten Krieg sah man die Gefahr, dass irgendjemand ganz bewusst auf den roten Knopf drückt. Auf meinem neuen Album erzählen die Geschichten eher von menschlichen Situationen, in denen das Verhalten unerwartet zur Bedrohung für einen werden kann. Im Song „The Plea“ geht es um einen jungen russischen Soldaten, der seinen Vorgesetzten bittet, mit dem sinnlosen Morden von unschuldigen Kameraden aufzuhören. Er findet jedoch heraus, dass auch für diesen Vorgesetzten eine Bedrohung durch die ständige Überwachung besteht, und dass dadurch nicht nur seine Freunde sterben, sondern auch unschuldige Zivilisten. Solche Geschichten versuche ich in den Songs sachlich darzustellen.

Sind Sie selbst überrascht, dass über 40 Jahre nach der Veröffentlichung des erfolgreichen Albums „Red Skies Over Paradise“ – mit dem Superhit „Marliese“ - die Songs aus dem Kalten Krieg immer noch aktuell klingen?

Ehrlich gesagt nicht. Die menschlichen Verhaltensweisen verändern sich kaum, nur die Bedingungen nehmen neue Formen an. Angst und Einsamkeit sind im Vergleich zu damals fast genau gleich geblieben.

Wie sehr freuen Sie sich auf die Deutschland-Tour, und was verbinden Sie mit Köln?

Mit Köln, wie mit ganz Deutschland, verbindet mich viel. Ich habe lange in Hamburg gelebt und weiß über Kultur und Geographie von Deutschland fast mehr als über mein Heimatland Großbritannien. Und in Köln ist immer was los. Allerdings nicht im Fußball, da sieht es ja momentan schlecht bei euch aus. Unser Gitarrist Marian Menge ist großer FC-Fan – er bekommt von mir stets sein Fett weg. (lacht)

Infos und Tickets für 50,75 Euro gibt es auf der Webseite der Kantine www.kantine.com