Heilig-Geist-KrankenhausEröffnung der ersten „Kinderakademie“
Longerich – Einen Geschmack von Kirsche hatte er im Mund, als er einschlief und sogleich schön träumte, erzählte Tom dem Anästhesie-Chefarzt am Heilig-Geist-Krankenhaus. Tom gehörte zu den ungewöhnlich jungen „Studierenden“, vor denen Prof. Dr. Stefan Weber zum ersten Mal einen medizinischen Vortrag hielt. Auf seine Anregung geht die Kinderakademie zurück, die nun am Krankenhaus der Cellitinnen eröffnet wurde. „Es ist ein Testlauf“, erklärte der Professor. Nach seiner Vorlesung zum Thema „Narkose: Was passiert, wenn ich schlafe – und wer gibt auf mich Acht?“ zeigte er sich begeistert von der Wissbegier seiner Zuhörer: „Einige Kinder haben schon Oberstufenkenntnisse in Physiologie.“
Realität im Krankenhaus vermitteln
Die kostenlose Veranstaltung für acht- bis zwölfjährige Kinder hatte Johanna Protschka, die für die Unternehmenskommunikation des Uni-Lehrkrankenhauses zuständig ist, publik gemacht, 27 Pänz waren gekommen. „Wir möchten so früh wie möglich eine Vorstellung vom Krankenhaus-Alltag und den medizinischen Berufen vermitteln“, umriss sie das Ziel der Kinderakademie. „Und als erstes über die Narkose aufklären, auch um die Angst zu nehmen. Denn oft hören Ärzte von Patienten, dass sie davor mehr Furcht haben als vor der Operation selbst“, ergänzte Professor Weber.
Sieben der 27 Kinder meldeten sich auf die Frage, ob sie schon einmal operiert worden seien, die meisten am Blinddarm. Sie haben also erlebt, was der Chefarzt so beschrieb: Auf die Stelle, an der die Kanüle gelegt wird, wird zuerst ein „Zauberpflaster“ geklebt. Das betäubt die Haut, damit der Einstich nicht wehtut. Wenn dann das Narkosemittel in die Blutbahn eingeleitet wird, sollen Schäfchen gezählt werden – die meisten Patienten kommen nur bis zum dritten.
Selbst ausprobieren und entdecken
„Noch ist nicht vollständig geklärt, wie es funktioniert, dass Medikamente die Reizleitung in den Nervenzellen blockieren können“, fuhr der Professor fort. Viele Kinder wussten aber schon, dass der Körper in der Narkose so müde wird, dass er vergisst, zu atmen. Das muss dann eine Maschine übernehmen, denn das Herz muss ständig Sauerstoff durch die Blutbahnen pumpen, damit dort Energie erzeugt wird, der „Gehirn-Computer“ etwa schaltet sich schon nach 30 bis 50 Sekunden ab. Wie der dafür nötige Blutdruck funktioniert und überwacht wird, probierten Alexander und Tom aus, wobei sie neben dem modernen technischen Gerät auch das einfache Blutdruckmessgerät bedienen durften. Dass sich der Professor dabei mit Kunstblut bekleckerte, löste Heiterkeit aus.
Im Aufwachraum hatten Mitarbeitende der Anästhesie-Abteilung Stationen aufgebaut, an denen die Kinder erkunden durften, wie die Überwachung von wichtigen Körperfunktionen abläuft, zum Beispiel des Herzschlags und der Atmung. „Vor der Puppe im Krankenbett hat sich meine fünfjährige Tochter gegruselt. Deshalb haben wir als Mindestalter acht Jahre festgesetzt“, erklärte Protschka. Einige schreckten trotzdem davor zurück, die Sauerstoffmaske aufzusetzen, allerdings vor allem wegen des Gummigeruchs. Die Sauerstoffsättigung wird zuerst mit einem Clip am Ohrläppchen gemessen, mindestens 94 Prozent soll der Wert betragen – einige Kinder brachten es auf ideale 100 Prozent. „Es gibt sogar Sauerstoff-Tankstellen in Bars, an denen sich die Leute erfrischen können“, erzählte Krankenschwester Tamara Fründ.
Am Ultraschallgerät durften sich die Kinder den Schallkopf ans Herz halten und sein Schlagen am Monitor beobachten. Etwa 80-mal in der Minute soll der Motor des Lebens pumpen. Für Kinder, die viel Sport treiben, hatte Professor Weber eine gute Nachricht: „Dadurch wird Eure Herzfrequenz langsamer: ein Zeichen für ein kräftiges Herz.“ Alle Kinder bekamen wie die „echten“ Krankenhausangestellten ein knallrotes T-Shirt mit der Aufschrift „Nurse“ vorne und „Heilig-Geist-Krankenhaus“ hinten. Für 2020 ist eine zweite Kinderakademie geplant. Radiologie-Chefarzt Dr. Markus Wingen, kündigte an: „Ich kann in Überraschungs-Eier gucken.“