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„Liebig 257“Neuer Standort – Kölner Verein will Entwicklung im Liebigquartier vorantreiben

Lesezeit 4 Minuten
Jan Pehoviak, Geschäftsführer des Kölner Vereins Klug, steht in der Begegnungsstätte „Liebig 257“. Foto von Hans-Willi Hermans.

Jan Pehoviak, Geschäftsführer des Kölner Vereins Klug, steht in der Begegnungsstätte „Liebig 257“. Das Liebigquartier befindet sich auf einem Areal zwischen Nippes und Ehrenfeld.

Der Kölner Verein Klug betreibt die Begegnungsstätte „Liebig 257“ und sucht den Dialog über die Zukunft des Liebigquartiers.

Über dem Eingang verkündet ein großes Schild noch immer „China Imbiss Berlin“, drinnen sorgt Selbstgezimmertes und Second-Hand-Mobiliar für WG-Atmosphäre. Auf dem Monatsplan des „Liebig 257“ nahe dem Bahnhof Nippes stehen „Stricken mit Nakissa“, ein kölscher Dart-Abend, eine offene Fahrradwerkstatt oder ein Treff für queere Migranten.

Ganz wichtig: Dienstags um 16 Uhr, aber auch an manchen anderen Tagen, sind die Nachbarn zum „Offenen Wohnzimmer mit dem Team Liebig“ in die Liebigstraße 257 eingeladen. Bei Kaffee, Fassbrause oder Wasser wird dann über Gott und die Welt und nicht zuletzt über die Entwicklung des Wohnquartiers geredet.

Liebigquartier – Kölner Verein möchte mit Anwohnern ins Gespräch kommen

„Wir möchten den Anwohnern eine Anlaufstelle bieten, in der alle willkommen sind. Und wir möchten mit ihnen ins Gespräch kommen“, erklärt Jan Pehoviak. „Denn unser Anliegen ist ziemlich komplex, und sie sollen ja ihre Ideen einbringen.“ Pehoviak ist Geschäftsführer des Kölner Vereins Klug, der das „Liebig 257“ Anfang 2022 in drei ehemaligen Ladenlokalen auf knapp 300 Quadratmetern eröffnete.

Zuvor hatte der Verein 15 Monate lang als Zwischennutzer auf rund 4800 Quadratmetern im ehemaligen Autohaus Levy das „Wandelwerk“ betrieben und mit „Visionen für die menschen- und klimagerechte Stadt von morgen“ für Furore gesorgt.

Das „Wandelwerk“ stand mitten im fast 130 Hektar großen Areal zwischen Innerer Kanalstraße, Autobahn A 57, Parkgürtel und dem Bahndamm, in dem große ehemalige Gewerbeflächen einer neuen Nutzung harren und Teile der Infrastruktur stark erneuerungsbedürftig sind.

Stadt präsentiert Pläne für das Liebigquartier

Mit gemeinschaftlichen Arbeitsplätzen, Diskussions-Veranstaltungen, Ateliers, einem Café und sogar einem Gewächshaus wurde das Wandelwerk zu einem Treffpunkt für Initiativen und Start-ups, die das „Liebigquartier“ mit innovativen Ideen zu einem Modellquartier für die „urbane Transformation“ machen wollten. Zielpunkt war die gemeinwohlorientierte Stadt der Zukunft, in der sich ökologisch verantwortliches Leben und Arbeiten mit sozialer Gerechtigkeit verbinden.

Das machte auch Eindruck in der Verwaltung, die im März ihr „Räumliches Entwicklungskonzept Liebigquartier“ (REK) vorstellte. Danach soll Gewerbe möglichst in Form von Handwerksbetrieben und Dienstleistungsunternehmen neu angesiedelt werden, auch Restaurants und Jugendtreffs.

Rad- und Fußverkehr möchte die Verwaltung sicherer machen, Begrünung und günstige Wohnungen sind ebenfalls Teil des Konzepts, eine Verdrängung der jetzigen Bevölkerung durch hohe Mieten soll vermieden werden. Ein durchaus begrüßenswerter Ansatz, meint Jan Pehoviak, aber insgesamt eine etwas zu vage Selbstverpflichtung: „Und uns fehlt vor allem der kooperative Aspekt.“

Denn nach den Vorstellungen des Vereins Klug muss die Bevölkerung durch geeignete Maßnahmen stärker in den Prozess der Transformation eingebunden werden. Die Angehörigen der großen griechischen und portugiesischen Communities und die vielen anderen jungen Bewohner mit Migrationshintergrund hätten nun mal andere Probleme als ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ideen bei Stadtentwicklungsvorhaben durchzusetzen. „Das ist hier anders als im Umfeld der Hallen Kalk oder des Helios-Geländes.“

Doch wenn es um die Beteiligung der Bevölkerung gehe, renne man in Köln gegen eine Wand: „Da sind andere Städte viel weiter“, so Pehoviak. Das gelte auch für Unternehmen und Initiativen, die sich mit Konzepten für ein nachhaltiges Wirtschaften beschäftigen. Deren Expertise werde von der Stadt gar nicht erst abgefragt. Dabei könnten solche Impulse helfen, das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen: „Im Liebigquartier gibt es viele Flächen mit großem Potenzial für solche Entwicklungen“, meint Jan Pehoviak.

Wird die Entwicklung des Liebigquartiers den Investoren überlassen?

Er habe den Eindruck, die Stadt werde sich aus der weiteren Entwicklung des Liebigquartiers heraushalten und sie den Investoren überlassen. Dass der Stadt hier kaum Grundstücke gehörten, lässt er als Argument nicht gelten: „Es gibt doch Instrumente, von der Aufstellung entsprechender Bebauungspläne über das Vorkaufsrecht von Flächen bis hin zur Enteignung.“ Doch der Stadt sei ihre letzte große Entwicklungsfläche nahe am Zentrum offenbar gleichgültig.

Das spüre auch der Verein Klug, der nach Räumen für ein Wandelwerk 2.0. sucht, um für Dynamik zu sorgen und die Entwicklung des Quartiers voranzubringen. Um die 5000 Quadratmeter brauche man schon, geeignete Objekte wie die frühere Molkerei habe man im Auge. Aber für Umbau und Sanierung müsse man Geld in die Hand nehmen, zehn Millionen Euro etwa: „Es gibt dafür auch Töpfe, bei der EU zum Beispiel. Da wäre es hilfreich, wenn die Stadt das unterstützen würde“, sagt Jan Pehoviak. Bislang Fehlanzeige.


www.klugev.de/liebig257