Eine ganze Nacht lang kulturelle Vielfalt erleben: Bei der Museumsnacht waren knapp 19.000 Kunst- und Kulturinteressierte auf den Beinen.
Museumsnacht in KölnKnapp 19.000 staunen, erleben und feiern
„Das ist total cool“, sagt Medizinstudent Leosch andächtig. Der 25-Jährige steht mit seinen Freunden im Museum Schnütgen und blickt auf den Chor der Kirche St. Cäcilien. Das hohe Gewölbe wird von immer neuen Lichtformationen erleuchtet. Sphärische elektronische Klänge erfüllen die Kirche, die das Herzstück des Museums ist. Auf gemütlichen Riesenkissen am Boden lassen sich Menschen vom meditativen Sog einhüllen. Auch in diesem Jahr waren die Lichtprojektionen von „Clubkind Visuals“ in dem mittelalterlichen Gemäuer erneut ein Highlight der Museumsnacht. Eins von unzähligen.
Bei mehr als 350 Veranstaltungen an 51 Orten reichten die sieben Stunden von 19 Uhr am Samstagabend bis 2 Uhr am Sonntag früh bei Weitem nicht aus, um alles oder auch nur einen Großteil dieser bisher größten Kölner Museumsnacht zu erleben. Über das gesamte Stadtgebiet zogen sich die Veranstaltungsorte, die das Team des Stadtrevue-Verlags in Zusammenarbeit mit den Museen der Stadt Köln, einbezogen hat. Eine Mammutaufgabe.
„3800 Arbeitsstunden, mehr als 10.000 E-Mails und noch viel mehr Herzblut stecken hier drin“, sagte Organisatorin Eva Mona Altmann bei der Eröffnung im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK). Arbeit, die sich lohnt. „Für mich ist die Museumsnacht ein absoluter Höhepunkt im Kulturkalender“, bekannte Kulturdezernent Stefan Charles. Eine Einschätzung, die offenbar viele Besucherinnen und Besucher teilen. „Die Vielfalt, die geboten wird, ist wirklich ganz besonders. Ich habe mir die Museumsnacht schon lange freigehalten“, sagt Filmstudent Ben.
Seine erste Station ist die Lichtinstallation des Düsseldorfer Künstlerpaars Barbara Esser und Wolfgang Horn im ruhigen Innenhof des MAKK. Immer wieder neue grafische Formen bewegen sich über die Fassade, ändern ihre Strukturen, verweben sich. „Gewebe ist unser Thema, sei es in textilen Arbeiten, sei es als Visualisierung“, erläutert Horn dem Studenten.
Parallel zu den vielen Aktionen, Performances, Konzerten, Kunst-Comedy und DJ-Sets, die extra für die Museumsnacht organisiert wurden, sind auch die laufenden Ausstellungen in den Häusern Magnete der Museumsnacht. Hierzu gibt es die ganze Nacht über immer wieder Führungen. „Unser Führungsprogramm ist eine Art Brücke zwischen den Kunstwerken und den Gästen“, sagt Matthias Hamann, Direktor des Museumsdienstes Köln. Auch Workshops hat der Museumsdienst organisiert.
„Wir machen hier kunstvolle Kästchen“, lacht die Pulheimerin Pia. Die Mittvierzigerin ist zusammen mit ihrer Freundin Lena zur Museumsnacht nach Köln gekommen. Ihre erste Station ist ein Workshop im MAKK. „Wir wollen auf jeden Fall rüber auf die andere Rheinseite ins Müllseum. Ansonsten lassen wir uns treiben“, erklärt Lena.
Dieses Treibenlassen geht in der Nacht teilweise durch Regenschauer, meistens jedoch kommen die Gäste der Museumsnacht trockenen Fußes von einem Ort zum anderen. Zum Beispiel in Kölns ältestes Künstlerlokal „Kleine Glocke“ in der Glockengasse. „Machen Sie die Führung?“, fragen zwei Frauen mittleren Alters einen gutgelaunten älteren Herren.„ Ich versuche es“, sagt der und schiebt sich durch die normalen Samstagabendgäste, die an den Tischen essen und zechen. Der Herr ist Sammler und hat für die Museumsnacht einen Teil seiner privaten Sammlung im Lokal ausgestellt. „Das hat schon was, dieser Ort hier“, finden die beiden Frauen.
Während der Andrang im Künstlerlokal überschaubar bleibt, bilden sich vor dem Museum Ludwig nahezu die ganze Nacht über Schlangen. Die aktuellen Ausstellungen mit dem späten grafischen Werk Pablo Picassos, der Retrospektive Füsun Onur und den Fotografien von Walde Huth wollen viele sehen.
„Mit knapp 19.000 Besucherinnen und Besuchern sind wir wieder auf dem Niveau von vor Corona. Die Stimmung war überall sehr friedlich und freundlich, alle waren gelassen und respektvoll zueinander“, bilanziert Altmann am Sonntag. Sie stellt fest, dass sich die Besucherströme gut verteilt haben. Ihre Begründung: „Es gab überall attraktive Angebote und dank der App mit Auslastungsanzeige, die problemlos funktioniert hat.“
Blick an ungewöhnliche Orte
Im Vergleich zu den städtischen Kunsttempeln haben alternative Kunstorte eine ganz eigene Atmosphäre. In der Contemporary Gallery am Mauritiuswall sitzen Besucherinnen und Besucher auf einfachen Bierbänken. Eine junge Frau erläutert die Installationen von Künstlerinnen aus Lateinamerika, die einen politischen Anspruch haben. Das Publikum ist bunt gemischt. „Es ist toll, was man alles entdeckt in dieser Nacht“, sagt ein Paar um die 60 Jahre.
Solche Entdeckungen gibt es erst recht in Deutschlands größtem selbstverwalteten Haus für Künstlerinnen und Künstler, dem Kunstwerk in Deutz. In der ehemaligen Gummifädenfabrik sind mehr als 80 Ateliers, Werkstätten und Musikstudios. Normalerweise kommt man hier nicht so ohne weiteres hinein. Viele Künstlerinnen und Künstler gewähren in dieser Nacht Einblicke. Im Keller gibt es haufenweise Konzerte - mal in klitzekleinen Proberäumen, mal im großen Partyraum. Rewert Remmers ist einer der bildenden Künstler im Kunstwerk. „Für mich ist die Museumsnacht wie Weihnachten für Kunstwerke“, schwärmt der Pop-art-Künstler weit nach Mitternacht mit glänzenden Augen. Viele Besucher sind von seinen farbenfrohen Wolkenschlössern fasziniert.
Eine ganz andere Faszination hingegen üben die beiden historischen Straßenbahnen aus, die erstmals in der Museumsnacht unterwegs sind. Zwischen Neumarkt und Ubierring verkehren die historischen Bahnen. Ihnen macht der Wind, der dafür gesorgt hat, dass die Seilbahn nicht fahren konnte, nichts aus. „Das Straßenbahn-Museum Thielenbruch ist in die Stadt gekommen und die Leute finden das toll. Die haben alle ein Grinsen im Gesicht“, sagt Christoph Lütz vom Vorstand des Vereins Historische Straßenbahn Köln. Während der Fahrten beantworten viele Vereinsmitglieder enthusiastisch die Fragen der Fahrgäste. Um Mitternacht geht es für die Bahnen zurück ins Museum.
Für viele Besucherinnen und Besucher der Museumsnacht ist dann und auch nach dem offiziellen Ende der Nacht um 2 Uhr morgens noch lange nicht Schluss. Um kurz nach 2 Uhr hat sich eine lange Schlange vor dem Wallraf-Richartz-Museum gebildet. Kunst gibt es drinnen nicht mehr zu sehen. Aber dafür eine der beiden After-Show-Partys der Museumsnacht. Die meisten, die warten, sind unter 30, aber auch Ü-50er sind vereinzelt dabei. „Wir probieren heute mal Elektro aus“, sagt ein Paar um die 50. Das pinke Band der Museumsnacht macht's möglich.