Die Kölner Performance-Künstlerin Katharinajej sucht die Begegnung mit Fremden. Sie erzählt von Nähe und der Angst vor dem Unbekannten.
„Willst du mit mir gehen?“Warum eine Kölner Künstlerin mit Fremden Händchen hält
Berührungen schaffen Nähe, geben Trost und zeigen Zuneigung. Wange an Wange, Händchen haltend oder eng umschlungen in einer Umarmung. So berührt man meistens nur eng vertraute Menschen. Anders bei Katharinajej. Die Kölnerin ist Performance-Künstlerin. In Selbstversuchen kommt sie Fremden nahe, körperlich wie emotional. Wie man Nähe aufbaut, verrät sie im Gespräch.
„Willst du mit mir gehen?“, steht auf einer kleinen Karte geschrieben, die Katharinajej in der Hand hält. Auf der Rückseite kann man „Ja“, „Nein“ oder „Vielleicht“ ankreuzen. Mit ihr marschiert sie in Mülheim los. Auch wenn es Teil ihrer Arbeit ist, kostet es die 40-Jährige Überwindung: „Es ist doch etwas anderes, weil es in meiner Nachbarschaft ist“, sagt Katharinajej.
Kölner Künstlerin spricht auf der Straße Fremde an
Vor Kiosken, Wettbüros oder Bistros spricht sie Menschen an. Fremde, die ihr auf der Straße bereits begegnet sind, sie aber nie ein Wort miteinander gewechselt haben. Die gebürtige Münchenerin lädt sie zu einem Spaziergang ein, lernt sie näher kennen. Sie kommen ins Gespräch darüber, was sie emotional berührt, was sie im Leben schon erlebt haben und fragen nach Rat, wenn sie ein Problem haben.
Auf eine Frau, schwarz geschminkt und blondierte Haare, die sie häufiger vor einem Laden rauchen sieht, geht sie zu. Die Frau erzählt von ihrer harten Arbeit, ihren Rückenschmerzen und ihrer Katze. Katharinajej merkt, dass sie die Frau ganz anders eingeschätzt hat. Auch in der Unterhaltung mit einem Mann, der auf der Straße schwarzen Tee trinkt und sich auf Türkisch unterhält, stellt sich entgegen ihrer Erwartung heraus, dass er in Deutschland zur Schule gegangen ist.
„Ich habe herausgefunden, dass ich Vorurteile habe“, sagt Katharinajej, der erst im Versuch klar wird, dass sie eine bestimmte Erwartung von Menschen hat, die sie nicht kennt: „Ich kam mir gemein vor, weil ich sie fremder gemacht habe als sie sind“. Sie sagt, dass es wahrscheinlich etwas Menschliches sei. Sie ist in ihrer Kindheit so sozialisiert worden, dass sie bei Fremden Vorsicht walten und im Dunkeln zu Hause sein sollte. „Es gibt eine Angst, eine Trennung. Ich habe gemerkt, dass ich mich verschließe, dass man fester wird und nicht wagt in Kontakt zu gehen“. Daher wollte Katharinajej aus ihrer Komfortzone raus und die Realität mit ihren vorgefassten Glaubenssätzen abgleichen.
Kölnerin will Nähe schaffen durch Verletzlichkeit
Es ist nicht das erste Mal, dass Katharinajej fremden Menschen auf eine vertraute Weise begegnet. Die 40-Jährige studierte Bildende Kunst und Performance in München, Braunschweig und Valencia. Seit 2007 tritt sie mit Julia Dick als „Katze und Krieg“ auf. Als Katharinajej verwirklicht sie ihre eigenen Projekte. Im Winter 2019 sprach sie Leute auf der Straße an, um mit ihnen „warm zu werden“. In einer Umarmung oder Wange an Wange verbrachten sie in Stille drei Minuten miteinander. „Ich finde es magisch, zauberhaft, der Moment steht kurz still“, sagt die 40-Jährige.
Mit ihrem Projekt „Miteinander gehen“ will sie mit Worten eine Verbindung zu Menschen aufbauen und Vorurteile abbauen. „Es funktioniert nur, wenn beide das machen und es nicht einseitig ist“, so Katharinajej. Sich verletzlich zeigen, nicht nur von den guten Dingen zu erzählen, schafft Nähe, sagt sie. „Es ist auch das, was ich mir wünsche in der Welt, wo auch mehr Frieden wäre, wenn jeder mit anderen Welten in Kontakt kommt, die interessanterweise nicht so anders sind“, sagt Katharinajej.
Über ihre Begegnungen schrieb sie ein Tagebuch. Ihre Texte trägt sie vor Publikum vor. Die nächste Lesung findet am 1. Juli im Kunstraum Christina 6 in Nippes statt.
Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Kunstraum Christina 6, Christinastraße 6, 50733 Köln. Der Eintritt ist kostenfrei. Spenden sind willkommen. Weitere Informationen unter: www.katharinajej.de