Der Charme des alten Kölns findet sich in einem Friseursalon in Mülheim. Dort frisiert der 79-jährige Dieter Kraus seine Kunden noch wie früher.
Beruf mit LeidenschaftFriseur aus Mülheim nennt sich „de kölsche Balbutz“ – seit 65 Jahren
Unmittelbar neben einem Telecafé und dem „House of Nails“ thront auf der Berliner Straße der Friseursalon von Dieter Kraus, der, wie die Reklame auf seiner Scheibe bereits verrät, auch „de kölsche Balbutz“ genannt wird. Balbutz war früher in Köln die gängige Bezeichnung für einen Barbier oder Friseur. Bei Dieter Kraus ist das bei weitem nicht das einzige Relikt der Vergangenheit, auf das man stoßen kann.
Betreten Kunden den Salon, ist der Charme vergangener Tage allgegenwärtig. Lederne Sessel, in Holz eingefasste Spiegel und beige-braune Waschtische aus den 70er Jahren fallen direkt ins Auge. An der Wand hängt eine Fotografie, die Friseurpreise von früher zeigt: „Schneiden 40 Pfg. Rasieren 15 Pfg.“
Seit 50 Jahren Friseursalon in der Berliner Straße in Mülheim
Viel Zeit zum Umschauen bleibt aber nicht, denn der Hausherr empfängt die Kundinnen und Kunden voller Energie: „Wer bist du? Was brauchst du? Darf ich dir einen Kaffee anbieten?“ Dieter Kraus hat auch mit 79 Jahren, wie er selbst sagt, noch Hummeln im Hintern. „An manchen Tagen fühle ich mich wie ein 50-Jähriger, aber an anderen Tagen merke ich mein Alter dann schon“, schmunzelt er.
50 Jahre ist er mit seinem Salon aber alleine schon auf der Berliner Straße beheimatet und das war nicht einmal seine erste Niederlassung. Vorher hat Kraus mit seiner Frau zusammen auf der Keupstraße in Mülheim frisiert, so gesehen in der Nachbarschaft.
Am Friesenplatz und am Eigelstein hatte er auch schon Friseursalons. Angefangen hat aber alles 1959 im Familienbetrieb der Eltern in Riehl. Das Friseurhandwerk gaben sie nicht nur an Sohn Dieter, sondern auch an dessen Bruder weiter; eine Coiffeur-Familie durch und durch.
Dieter Kraus macht den Friseur-Beruf aus Leidenschaft
Unweit vom Eigelstein, wo Kraus seiner Zeit das Milieu frisierte und die wohl intensivste Zeit durchlebte, ist er mit seiner Frau schon vor vielen Jahren sesshaft geworden. Nach Mülheim in den Salon fährt er trotzdem jeden Morgen um 7 Uhr. Denn ohne eine Aufgabe sei ihm das Leben zu langweilig, sagt er: „Während Corona saß ich zwei Monate zu Hause und wusste nichts mit mir anzufangen. Da hab ich gemerkt, dass ich noch nicht bereit für die Rente bin.“
Seine Kunden und Kundinnen, die zu großen Teilen auch aus der Ferne, wie zum Beispiel Frankfurt am Main, anreisen, freuen sich darüber. Manche kommen aber auch aus der unmittelbaren Nachbarschaft, wie die 93-jährige Ursula Jansen, die älteste Kundin von Dieter Kraus. Seit zehn Jahren fühle sie sich wohl in seiner Obhut und betont, wie ordentlich und ruhig hier immer alles zugehe.
Kraus habe keine Hektik, denn es ginge ihm schon lange nicht mehr um das Geld, sagt er. Haare schneiden sei seine Leidenschaft und er ist froh darüber immer noch eine Beschäftigung darin zu haben. Gerne nehme er sich auch Zeit, um mit seinem Nachbarn vor dem Salon einen Tee zu trinken und „über das Veedel zu schwätzen“.
Dort hat sich sicherlich einiges verändert, aber bei Dieter Kraus ist alles noch genau so, wie vor 50 Jahren.