Der Schwarm junger Frauen aus den 80er Jahren hat nicht an Attraktivität eingebüßt.
Ausverkauftes PalladiumRick Astley ist nun Dancefloor-Gentleman
Edles aus England fängt mit einem großen „A“ und einem kleinen „s“ an. Wie Ascot. Aston Martin. Oder Astley. Letzterer, mit Vornamen Richard, besser bekannt als Rick, verzückt Samstag 95 Minuten das Publikum im ausverkauften Palladium. Mit dem milchgesichtigen Rotschopf, der 1987 in Outfits, die aussahen wie aus der Kinderabteilung oder dem Schrank des doppelt so breiten Bruders geklaut, beteuerte, dass er seine Liebe niemals aufgeben würde, hat der heute 58-Jährige nichts mehr gemein. Bis auf die Rock’n’Roller-Tolle und die kräftige, soulige Stimme mit der Lizenz zum Croonen.
Rick Astley hat sich vom Disco-Bubi zum Dancefloor-Gentleman gemausert. Der es als solcher sogar schafft, mit einem braunen Anzug ein „Geht gar nicht“ der Herrenmode auszuhebeln und darin äußerst elegant zu wirken. „Never Gonna Stop“ gibt als erstes Stück die Richtung vor, in die es gehen soll – viel Tempo und Musik, die munter macht. Denn, so wie es Astley später bei der Anmoderation zu „Keep Singing“ formuliert: „Ihr sollt nicht nur am Singen dran bleiben, sondern ihr sollt auch tanzen. Es ist Samstagnacht!“
Fürs satte musikalische Unterfutter sorgen vier Bandmusiker, aufgestockt durch zusätzlich drei Bläser und zwei Backgroundsängerinnen. Das Bühnenbild mit den gerafften Satinwellen im Hintergrund verbreitet Retro-Flair, der Einsatz von Licht ist effektvoll, aber minimalistisch. Es gibt weder ausgefeilte Gimmicks, noch opulente Einspieler oder raffinierte Aufbauten. Im Mittelpunkt steht die Musik. Das ist angenehm puristisch. Das kommt nicht so oft vor.
Als Entdeckung des Musikproduzenten Pete Waterman gehört Astley zu den Kultfiguren des britischen Pops der 1980er. „Together Forever“ (1987) oder „Hold Me in Your Arms“ (1988) können im Palladium alle Zeile für Zeile mitsingen. Und tun es auch. Mit Inbrunst. Aber der britische Sänger hat sich weiter entwickelt, eigene Stücke geschrieben, aktuell 2023 sein neuntes Album „Are We There Yet?“ herausgebracht. „Wir werden ein paar neue Songs heute Abend spielen, ist das o.k?“, fragt er. Wobei er – Rhetorische Frage! – genau weiß, dass ihm das Publikum daraufhin kein vielstimmiges „No!“ entgegen brüllen wird. „Dippin My Feet“, „Driving Me Crazy“ und ganz besonders „Forever and More“ kommen auch tatsächlich gut an, nur „Maria Love” als erste Zugabe fällt dagegen ab.
Bei „Cry For Help“ übernehmen zwischenzeitlich die Background-Ladies den Leadgesang – was Mr Astley Gelegenheit zum Umziehen gibt. Auch Anzug Nummer 2, in einem rötlichen Terracotta-Farbton, sprengt den üblichen Rahmen konservativer Künstlercouture. Dass er „As It Was“ von Landsmann Harry Styles covert – und zwar ziemlich gut – passt irgendwie. Auch Styles war, als Pop-Küken bei One Direction, mal nett-niedlich, ehe er zur Solo-Hochform auflief.
Wesentlich überraschender fällt da aus, was auf Astleys Satz „Als ich 15 war, habe ich Schlagzeug gelernt und AC/DC gespielt“ folgt. „Highway to Hell“ so von ihm getrommelt, dass man glaubt, der Höllenschlund täte sich auf, indes die samtige Crooner-Stimme lustvoll zerfetzt und gefleddert wird. Dass er 58 ist, erwähnt Astley gleich zweimal. „Ich weiß, ich weiß, ich sehe schrecklich aus“, seufzt er. Was klar in die Rubrik „Fishing for compliments“ fällt. Während man sein „Ich war so verdammt gutaussehend, die Haare, die Hosen...“ durchaus lustig finden darf. Denn so war das wohl auch gemeint.