Seit 123 Jahren gibt es die Metzgerei Höller in Dellbrück. Doch jetzt ist Schluss mit Schnitzeln, Fleischwurst und Koteletts. Jakob Höller schließt seinen Laden.
Obwohl der Laden boomtBeliebter Dellbrücker Metzger schließt seinen Laden nach 123 Jahren
Der große „Cutter“, eine Weiterentwicklung des Fleischwolfs, eine Pökelmaschine und ein Räucherofen stehen neben drei Kesseln, in denen Fleisch-, Brüh- und Blutwürste gekocht werden: alles blitzblank und frisch gereinigt.
Jakob Höller ist schon um 3 Uhr morgens aufgestanden, hat in der Wurstküche gearbeitet, damit alles rechtzeitig fertig ist und im Laden der Metzgerei angeboten werden kann. Jetzt, kurz nach 10 Uhr morgens, ruht er sich erst einmal aus. „Seit dem 1. April 1955, als ich meine Lehre antrat, habe ich in der Metzgerei gearbeitet. Aber jetzt ist Schluss damit, das wird eine Umstellung.“
Seit 1977 führt Jakob Höller seine Metzgerei in Köln-Dellbrück
Er hat fast nur an diesem Ort gearbeitet, denn die Metzgerei Höller ist ein Familienbetrieb, sie wurde am 15. Februar 1900 an der Dellbrücker Hauptstraße von seinem Großvater eröffnet. Lediglich während seiner Lehrjahre hatte Jakob Höller einige Jahre im Münsterland gelebt: „Eine Ausbildung beim eigenen Vater ist nichts“, sagt er knapp. Nach dessen Tod im Jahre 1977 übernahm er die Metzgerei, er war ja der einzige Sohn neben drei Schwestern: „Das war nie eine Frage, ich hatte schon in den Schulferien immer Fleisch durch den Wolf gedreht.“
Seit 20 Jahren ist sein Sohn der Chef, er heißt genauso wie sein Vater: Bernhard Jakob Höller. Doch trotz aller familiären Traditionen ist nach 123 Jahren Schluss: „Das Weihnachtsgeschäft hätten wir nicht mehr geschafft, da wären wir untergegangen“, sagt der Senior.
Ein Blick in den Laden bestätigt, dass mangelndes Kundeninteresse nicht der Grund für die Schließung sein kann. Vor der Theke herrscht großes Gedränge, vier Verkäufer müssen mächtig auf Zack sein, um die Wartenden geordnet zu bedienen. Natürlich, es ist der vorletzte Tag, am Eingang gibt’s Kölsch, Säfte und Süßes für die Kinder, und beim Bezahlen möchten sich die Kunden verabschieden: „Na, dann alles Gute“, oder „Man sieht sich“. Aber der Andrang sei nicht ungewöhnlich: „Manchmal haben wir 350 Kunden am Tag“, sagt Jakob Höller.
Metzger in Köln-Dellbrück ist der letzte von ehemals 15 Läden
Die Ausbreitung der Supermärkte hatten die Höllers seinerzeit überstanden, als einzige von den ehemals 15 Metzgereien im Stadtteil. Eine Bio-Metzgerei ist hinzugekommen. Auch der Trend zu vegetarischen oder gar veganen Lebensmitteln habe nicht zum Aus geführt, sagt Jakob Höller: „Aber man findet keinen Nachwuchs mehr, das ist das Problem.“ Enkel hat er auch nicht. Und sein Sohn, Jakob Höller junior, möchte seinem nun 83-jährigen Vater die anstrengende Arbeit nicht mehr zumuten. „Deshalb muss ich mir jetzt irgendwo eine Stelle als Metzger suchen, aber da findet sich schon was.“ Das sei „sehr traurig“, aber ohne den Vater gehe es nicht weiter.
Nichts gegen die derzeitigen sechs Mitarbeiter, die seien engagiert, aber häufig eben Aushilfen, oder „Quereinsteiger“, wie Höller sagt. Und wer in einem Supermarkt eine Lehre als Fleischfachverkäuferin absolviert habe, könne häufig die Kunden nicht richtig beraten, wisse nicht, wie eine bestimmte Fleischsorte zubereitet werden muss. Von der sachgerechten Herstellung von Würsten ganz zu schweigen: „Das muss man mit Liebe machen, wir kommen da aus einer ganz anderen Zeit.“
Aus einer Zeit, als die Frauen noch fürs Wochenende Suppenfleisch, Braten und vier Koteletts bestellten, als man noch nicht alles gleich in die Mikrowelle schob. Als Vater und Sohn noch Schweine und Rinder im Schlachthof in der Liebigstraße abholten und in Dellbrück vor Ort schlachteten. Bis in die 80er Jahre ging das noch so, heute gebe es zu viele Auflagen, zu viel Bürokratie – ein anderes Problem.
Lieblingsspeise des Dellbrücker Metzgers ist Sauerkraut
„Töten könnte ich die Tiere allerdings auch nicht mehr, immer wenn ich in den letzten Jahren zusehen musste, brauchte ich einen Schnaps“, sagt Jakob Höller. Auf das Thema Tierschutz und Nutztierhaltung angesprochen, bleibt er vage: „Da hat sich vieles gewandelt.“ Ein Fleischfanatiker ist er ja nicht: „Seine Lieblingsspeise ist Sauerkraut“, sagt seine Frau Edith Höller. Er selbst fügt hinzu: „Wenn wir an der Ostsee Urlaub machen, esse ich nur Fisch.“
Aber es war eine gute Zeit, ein schöner Beruf, sagt Jakob Höller, der nun endlich, mit 83 Jahren, kürzertreten kann. Auch wenn ihm das noch nicht ganz geheuer ist. Und in die alte Metzgerei soll wieder ein Metzger einziehen. „Möglichst einer, der nicht nur den Laden braucht, sondern auch selbst Wurst macht.“ Vielleicht stellt er sogar den Sohn ein.