Das „Straßengold“-Festival soll nicht zuletzt den Ruf der Kalk-Mülheimer-Straße verbessern und deren Vielfalt betonen.
Fest soll Vielfalt zeigenTurbanbinden, Kunst und Musik lockten Besucher zum „Straßengold“-Festival in Kalk/Mülheim
Die jungen Künstler sind eifrig bei der Arbeit, sie legen eine Hand auf ein Blatt Papier und zeichnen deren Umrisse auf. Nicht alle sind voll konzentriert: „Ich will zu meinem Papi, ich muss was trinken“, kündigt ein Knirps an. Die Kids möchten den grauen Stromkasten an einer Ecke des Interkulturellen Zentrums Buchforst neu gestalten, mit Sternenhimmel, Erdkugel und Kinderhänden in unterschiedlichen Farben. „Sie basteln gerade die Schablonen, später dürfen sie auch selbst sprühen“, verrät Graffiti-Künstlern Verena Michels.
Die Kinder des arabischen Sprachkurses sind ins Zentrum gekommen, um am dritten „Straßengold“-Festival entlang der Kalk-Mülheimer-Straße zwischen Mülheim und Kalk teilzunehmen. Es steht unter dem Motto „Kalk-Mülheimer kann Kunst“ und die knapp 20 Kinder im Grundschulalter legen sich mächtig ins Zeug, um das zu beweisen.
Lesungen und Gespräche beim „Straßengold“-Festival an der Kalk-Mülheimer-Straße
Nebenan führen drei ältere Herren Besucher durch die „Kunstmeile Buchforst“. Sie müssen nichts mehr beweisen, vor zehn Jahren gehörten sie zu den Gründern der Galerie: „Hier kann jeder ausstellen, der möchte“, erzählt Heinz Diekmann. „Dafür erwarten wir, dass er sich mit einem kleinen Betrag an der Finanzierung der Galerie beteiligt. Das trägt bis heute, hätten wir damals nicht gedacht.“
Auch Heike Büngener hat hier schon ausgestellt, ihre aktuellen Werke zeigt sie aber im Freien an der Ecke Pyrmonter Straße. „Noch ist nicht so viel los“, sagt sie, als das Festival eine Stunde alt ist. „Liegt vielleicht am guten Wetter nach den Regentagen.“ Sobald Besucher kommen, bieten Erika Weiland und Bassima Khoury am Stand Lesungen aus ihren Texten an. „Wir möchten mit den Leuten ins Gespräch kommen, auch über Kalker Themen“, sagt Büngener.
Kann sie haben, denn der Begriff „Kunst“ wird frei ausgelegt: Zu den rund 30 Stationen des Festivals gehören auch Führungen der Bürgerinitiative Kalkberg, und gegenüber zeigen Sikhs in ihrem Gemeindezentrum, wie man kunstvoll einen Turban windet. „Ach, das dürfen auch Frauen?“, wundert sich eine Besucherin. „Wir dachten, in Indien würden Frauen bevormundet.“ Jasteen Kaur erklärt, ihre Religion erkenne weder Kasten noch sonstige Hierarchien an, „auch nicht die zwischen den Geschlechtern“. Der Turban sei praktisch, weil die Sikh zwar täglich ihre Haare waschen, aber niemals schneiden – aus Respekt vor der Schöpfung.
Porträts zeigen Grafikdesignerinnen, Tänzerinnen, Musiker und Schauspieler
Weiter Richtung Norden fallen die vielen Plakate an Zäunen und in Fenstern auf. Sie zeigen Grafikdesignerinnen, Tänzerinnen, Musiker und Schauspieler, die hier leben und von Sarah Schmidtlein und Stephan Strache porträtiert wurden. Einige gehören zu den Gästen in einem Hinterhof, wo früher ein Dachdecker seine Werkstatt hatte. Vor zwei Jahren zogen drei Filmausstatterinnen ein und zeigen heute ihr „Sammelsurium“, darunter eine massive Sammlung von Tapeten: „Räume erzählen Geschichten“, erklärt Katja Schlömer. An Produktionen wie „Babylon Berlin“ waren die Ausstatter schon beteiligt, jetzt steht ein weiterer historischer Stoff an, die Aufnahme des legendären ‚Köln Concerts‘ von Keith Jarrett in der Kölner Oper im Jahre 1975.
Vor dem Bürgerhaus Kalk legen zwei DJs auf, im Garten beseitigt Adrian Savulescu traurige Reste. Mit Künstlerin Schmidtlein zusammen und einigen Kindern hatte er eine große bunte Sandmandala gebaut. Dann haben die Kinder das Werk einfach zerstört. „Ist voll okay, die tibetanischen Mönche machen das auch so“, sagt der Street-Art-Künstler entspannt.
Kinder waren schon früh und zahlreich erschienen, nur jetzt, gegen Abend und vor dem Konzert von „Leylas Freunden“, wären ein paar zusätzliche Erwachsene auch ganz schön. „Leider haben viele Leute nicht verstanden, dass das Festival an verschiedenen Orten stattfindet“, meint Mitinitiatorin Tine Pfeil, Leiterin des Bürgerhauses. „Straßengold“ soll ja nicht zuletzt den Ruf der Kalk-Mülheimer-Straße verbessern und deren Vielfalt betonen. Aber jetzt freut sich Pfeil erst einmal auf die große Lichtinstallation zum Abschluss unter der Zoobrücke.