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Mehr Hilfe für psychisch KrankeStadt erweitert Angebote Sozialpsychiatrischer Zentren

Lesezeit 5 Minuten
DPA_Krankenschein

Symbolbild.

  1. Die Sozialpsychiatrischen Zentren (SPZ) in Köln schlagen mittlerweile Alarm.
  2. Der Grund: Die Zentren benötigen Personal, um die Zahl der psychisch Kranken mit der Aufmerksamkeit und angemessenen Zeit betreuen zu können, die erforderlich ist.
  3. Nun nun unter anderem das Personal aufgestockt werden.

Köln – „Wenn die Menschen zu uns kommen, versuchen wir zunächst einmal, eine Gesprächsebene aufzubauen, um herauszufinden, welche akuten Anliegen und Probleme sie haben“, beschreibt Jochen Blume, Koordinator im Sozialpsychiatrischen Zentrum (SPZ) Kalk, den ersten Kontakt mit Besuchern. Dieser sei sehr wichtig, damit sich die Menschen bei uns wohl fühlen und wiederkommen. „Oft reicht schon ein Glas Wasser aus oder ein Lob, dass sie den Mut haben vorbeizukommen“, erläutert Blume. Denn es koste Menschen, die psychische Probleme haben und in ihrem Alltag nicht mehr klar kommen, große Überwindung, sich einzugestehen, dass sie ohne Hilfe oder Beratung ihre Probleme nicht lösen können.In den weiteren Gesprächen taste man sich dann weiter vor – natürlich immer mit dem Einverständnis der Kontaktsuchenden. Das ist nicht in zehn Minuten erledigt, sondern benötigt bei dem einen oder anderen viel Zeitaufwand, so Blume.

Mehr Personal benötigt

Um diese niederschwelligen Angebote im SPZ Kalk und in den anderen Zentren der Stadt aufrecht zu erhalten, beziehungsweise bedarfsgerecht auszubauen, wird mittelfristig mehr Personal benötigt. Aktuell arbeiten im Zentrum an der Olpener Straße 114 zwei fest angestellte Mitarbeiter, zeitweise unterstützt von einem Studierenden, der ein Praxissemester absolviert. Pro Tag kommen rund 20 und 30 Besucher in das SPZ Kalk.

Info-Kasten

Angebote der Sozialpsychiatrischen Zentren (SPZ)In Köln gibt es für jeden der neun Stadtbezirke ein Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ). Sie dienen als niederschwellige Anlaufstellen für Menschen mit psychischen Problemen. Neben Beratungsangeboten von Fachärzten und Sozialarbeitern gibt es Hilfen zur Tagesstrukturierung und Beschäftigung in den Zentren vor Ort.

Darüber hinaus helfen die SPZ psychisch Kranken bei der Wohnungssuche und organisieren ambulante psychiatrische Pflege bei den Betroffenen zuhause. Dies soll auch chronisch psychisch kranken Menschen ein weitgehend selbstständiges Leben ermöglichen. In akuten Krisen steht den Betroffenen sowie auch deren Angehörigen in jedem SPZ auch am Wochenende ein so genanntes „Krisentelefon“ zur Verfügung. (dhi)www.psychiatrie-koeln.de/sozialpsychiatrische-zentren

„Der Druck auf die Sozialpsychiatrischen Zentren ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Wir haben mehr Besucher mit multiplen psychischen Erkrankungen“, erläutert Matthias Albers. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist Leiter der SPZ in den Bezirken Mülheim und Kalk. Als Grund für die angespanntere Lage an den SPZ benennt er auch die ökonomischen Zwänge in den Krankenhäusern. „Heute werden die Patienten in den Fachkliniken früher entlassen als noch vor zehn, 20 Jahren. Die Behandlungen werden meist nur noch auf die akute Phase einer psychischen Krise reduziert“, so Albers. Die SPZ hätten diese Entwicklung im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt (s. Kasten).

„Es gibt Patienten, die früher stationär behandelt wurden, heute aber von den Krankenkassen nicht mehr so eingestuft werden“, weist Albers auf die neue Lage hin. Dies sei auch ein Grund, warum in den Straßen Kölns mehr Menschen mit psychischen Problemen zu sehen seien, „denen es offensichtlich nicht gut geht“, so der städtische Mediziner.

Der Druck auf die SPZ im Stadtgebiet steigt

Dies wird auch von statistischen Zahlen für Köln untermauert: Der durchschnittliche Aufenthalt eines psychisch kranken Patienten in einer Klinik hat sich von rund 65 Tagen (1991) auf rund 23 Tage verkürzt. Albers weist darauf hin, dass „bei Behandlungen mit Psychopharmaka die Wirkung erst nach rund zwei Wochen eintritt“. Bei durchschnittlich drei Wochen Behandlungsdauer bleibe dann nur noch eine Woche, um zu planen, wie man weiter vorgehe. Das sei äußert knapp und könne für den einen oder anderen zu kurz sein. „In manchen Fällen kann das auch schief gehen“, so Albers.

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Warum Menschen, die sich in der Öffentlichkeit auffällig verhalten, nicht stationär behandelt werden, habe neben den finanziellen Zwängen in den Psychiatrien aber auch noch andere Gründe, erläutert Albers. Nach dem heute geltenden Unterbringungsrecht reichen „Störungen der öffentlichen Ordnung“ nicht aus. Es müssen schwerwiegende Gefährdungen von anderen Menschen oder deren Eigentum oder der eigenen Gesundheit des psychisch Kranken vorliegen, weist Albers auf die derzeitige Rechtslage hin. „Gerade bei Suchtkranken, die zudem ein psychisches Problem haben, bewegt man sich hier auf einem schmalen Grat.“

Keiner solle vor verschlossenen Türen stehen

Die Verwaltung will nun die Sozialpsychiatrischen Zentren in den Bezirken unterstützen. Bereits im Mai hatte Sozialdezernent Harald Rau mitgeteilt, dass die SPZ mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden. „Ziel ist es, die niederschwelligen Angebote an fünf Tagen in der Woche möglichst von morgens bis nachmittags zur Verfügung zu stellen“, so Rau. Keiner solle vor verschlossenen Türen stehen, wenn er Hilfe benötige.Für Matthias Albers eine gute Nachricht. Eine psychische Krise sei immer auch eine Chance, die Betroffenen davon zu überzeugen, eine Behandlung zu beginnen, so Albers. Wie viel Mittel für die Personalaufstockungen bereitgestellt werden, darüber machte die Verwaltung keine Angaben.

Corona-Krise verhindert Ziele

Die geplanten Ziele werden aktuell jedoch noch aus einem anderen Grund verhindert – selbst wenn die Mittel schnell zur Verfügung stehen: Wegen der Corona-Krise sei der Besuch eines SPZ nur möglich, wenn man vorher einen Termin ausgemacht habe. Das verbessere die kritische Situation, in der sich einige Kranke befinden, die auf die Zentren angewiesen seien, selbstverständlich nicht.„Sicher haben wir bei der ersten Kontaktaufnahme von Besuchern in ganz akuten Krisen wegen der Zugangsbeschränkungen Schwierigkeiten. Aber wir weisen keinen vor unseren Türen ab, sondern machen dann einen Termin aus“, so Albers. Andere Angebote wie die ambulante psychiatrische Pflege oder Betreuungen in der eigenen Wohnung liefen inzwischen wieder fast normal weiter.Auch in der Kontakt- und Beratungsstelle im SPZ Kalk haben sich Mitarbeiter und Besucher an die Corona-Regeln gewöhnt. Die meisten der Angebote sind eingeschränkt wieder möglich. „Bei schönem Wetter ist die Dachterrasse ein toller Aufenthaltsort, um zu spielen oder sich zu unterhalten“, erzählt Michael Winnen, Mitarbeiter in der Kontakt- und Beratungsstelle des SPZ Kalk. Ansonsten biete das Zentrum mit dem Besprechungs- oder Rückzugsraum Möglichkeiten, sich mit einem Berater oder auch mal alleine zurück zu ziehen. Wichtig sei zudem für viele Besucher, dass bald das wichtige gemeinsame Essen wieder möglich sei.