Ein Essay über unbequeme Hoffnung, das Bücherregal eine Großmutter und den festen Glauben an die Menschheit.
„Mut wächst dort, wo viele sind“Klima-Aktivistin Luisa Neubauer las in Köln aus ihrem neuen Buch

Umweltaktivistin Luisa Neubauer liest, fragt beantwortet Fragen im gloria
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Rund 400 überwiegend junge Menschen strömten vergangenen Sonntagabend ins Gloria Theater in der Kölner Innenstadt, um Luisa Neubauer live zu erleben. Die Klima-Aktivistin und Autorin las aus ihrem neuesten Essay „Was wäre, wenn wir mutig wären?“ und sprach über einen neuen Angang in Sachen Klimakrise. Mit scharfer Analyse und einer Prise Humor zog sie das Publikum in ihren Bann. Dabei betonte Neubauer: Klimaschutz brauche Mut, den jeder entwickeln könne.
Schon vor Beginn der Veranstaltung amüsierten sich die Gäste. Auf einer Leinwand zeigte Neubauer Fotos und Beiträge, die ihre Meinung über die deutsche Klimapolitik deutlich machten. Zu sehen: Markus Söder, Friedrich Merz und andere konservative Politiker, mit denen Neubauer im Konflikt steht. Sie bekamen auch im weiteren Verlauf des Abends Seitenhiebe ab.
Von den zwei Arten der Hoffnung
Die Klima-Aktivistin las vier Passagen aus ihrem kürzlich erschienenen Essay. „Ich wollte das schreiben, was ich gerne früher gelesen hätte“, erzählte sie. Ausgangspunkt ihrer Gedanken ist ihre Großmutter, in deren Wohnzimmer ein großes Bücherregal steht, randgefüllt mit Literatur über das Klima. Neubauer sieht dieses Bücherregal als Sinnbild für einen aktuellen Zustand: „Das Gewicht der Bücher lastet nicht nur auf den Regalbrettern, sondern auch auf unseren Schultern.“
Im Umgang mit der Klimakrise unterscheidet Neubauer zwei Arten von Hoffnung. Die bequeme Hoffnung sei ein Zustand, in dem sich die Menschen gar nicht erst auf den Weg zur Veränderung machten. Handlungen würden nie konkret und forderten nicht heraus, Klimaschutz sei nervig und unpraktisch. Es würde nach einer Antwort auf die Krise verlangt, ohne etwas am eigenen Verhalten zu ändern. Stattdessen brauche es die unbequeme Hoffnung, die nur dort sei, wo Menschen bereit seien, zu handeln. Denn es müssten auch Wege gegangen werden, die bergauf führten. „Die Frage ist, worauf gehofft wird“, so Neubauer.
Die Menschen sind bereiter als man denkt.
Im Verlauf des Abends hatten die Zuschauer die Möglichkeit, Fragen an die Klima-Aktivistin zu stellen und zu diskutieren. Auf die Frage, ob nicht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in bequemer Hoffnung verweile, antwortete Neubauer deutlich: „Die Menschen sind bereiter als man denkt.“ Sie bräuchten aber eine ehrliche Ansprache. Für ihre Ausführungen erntete Neubauer immer wieder Applaus.
Und auch die aktuelle Politik war Thema, zu der Neubauer Position bezog. Angesichts der Herausforderungen sieht sie die zukünftige Regierung einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Sie betonte, dass es wichtig sei, das Klima bei allen Fragen mitzudenken, um zukünftige Kosten zu vermeiden. Gleichzeitig berichtete sie aber, wie viel Klimaschutz eigentlich schon auf Landes- und Kommunalebene stattfinde, wofür es nicht immer erst Entscheidungen aus Berlin brauche.
Ein weiterer zentraler Begriff an diesem Abend: eine fossile Übermacht, die Neubauer „Fossilität“ nennt. „Klima heißt auch die Auseinandersetzung mit Macht“, sagt sie. Aus ihrer Sicht sei die „Fossilität“ ein staatliches Kalkül der vergangenen 100 Jahre; als Beispiel nennt sie unter anderem die autofreundliche Politik. Um einen Ausstieg aus diesem Zustand zu schaffen, brauche es jetzt mutige Menschen. „Sterben in Schönheit ist nicht das Konzept“, sagte Neubauer. Klima-Aktivismus müsse nicht puristisch sein, sondern könne mit jedem Menschen beginnen. Denn, so Neubauer: „Mut wächst dort, wo viele sind.“