Herbert Grönemeyer und Michael Lentz sprechen bei der lit.Cologne über das Buch „Grönemeyer“ - ohne klassischen Moderator.
lit.Cologne in KölnDie Schwierigkeit der „Grönemeyer“-Lesung - Autor und Thema auf einer Bühne

Herbert Grönemeyer (rechts) und Michael Lentz auf der Bühne der Philharmonie.
Copyright: Katja Tauber
Es ist schwierig. Sehr schwierig. Klassische Buchvorstellungen laufen so ab, dass der Person, die das Buch geschrieben hat, eine andere Person beigesellt wird, die das Buch gelesen und Ahnung von Literatur hat. Sie stellt Fragen zum neuen Werk, dessen Entstehung oder auch zu persönlichen Dingen. Dazwischen liest der Autor (oder die Autorin) einige Passagen. Die, die man sonst nur liest, aber weder sieht, noch hört, werden dadurch erlebbar.
Michael Lentz hat ein Buch über einen der erfolgreichsten deutschen Musiker, Sänger, Komponisten und Texter geschrieben: Herbert Grönemeyer. So heißt es auch. Ohne Herbert davor. Mittwoch sind Lentz (Autor, Musiker, Herausgeber, Literaturwissenschaftler, Historiker und Philosoph) und Grönemeyer zu Gast bei der 25. Ausgabe der „lit.COLOGNE“. Die Philharmonie ist an diesem Abend ausverkauft. Restlos.
Es ist schwierig. Sehr schwierig. Weil es niemand gibt, der, klassisch, moderiert. Das soll, irgendwie, der Autor übernehmen. Der sich dafür aber selbst befragen müsste. Oder von seinem Thema (Grönemeyer) befragen lassen, das, bestens gelaunt, direkt neben ihm sitzt. Was in etwa so wäre, als würden Hemingway und der alte Mann über das Meer sprechen. Nur dass es jetzt um Musik geht, und um die Texte dazu. Musik und Texte machen sie beide.
Herbert Grönemeyer bei der lit.Cologne: Seit 20 Jahren mit dem Autor befreundet
Das verbindet sie. Sie sind seit mehr als 20 Jahren miteinander befreundet. Für sein Buch, das keine Biografie ist, sondern der Versuch, das Phänomen Grönemeyer in Gänze zu erfassen, haben beide viele Gespräche geführt. Aber die Biografie gehört selbstredend dazu. Mit ihr beginnt der Abend sehr amüsant.
Es geht um die Zeit vor und während und nach „Bochum“, das Album, das Grönemeyer 1984 den Durchbruch brachte. 14 Jahre, von 1979 bis 1993, war Köln seine Wahlheimat: „Ich hab’ sehr gerne hier gewohnt, ich bin auch vorher oft nach Köln gefahren, zu meiner Band.“ Wobei die Stadt für den Westfalen erst einmal gewöhnungsbedürftig war: „Der Kölner ist grundsätzlich fluid, der freut sich über seine Unzulänglichkeit, der ist flexibel: Lass` uns mal die Risken einschätzen, dann reden wir darüber und dann wird das nicht gemacht.“ Aber „das Großdenken, dieses vollkommen wahnsinnige Denken der Kölner“ nötigt dem Bochumer zugleich Bewunderung ab. Auch von seinen Eltern erzählt er, von seinem Vater „ein Urgestein an Lebensfreude“ und seiner „sehr strengen“ Mutter, die aus baltischem Adel stammte und deren wunderschöne Gesangsstimme er bis heute im Ohr hat. Ebenso wie die schwermütigen, estnischen Schlaflieder der Tanten. Um eine bewegende Kostprobe folgen zu lassen.
Lentz analysiert, Grönemeyer schweigt
Am Anfang eigener Stücke steht die Melodie. In einer „Bananensprache“, die bis kurz vor Schluss als Platzhalter dient: „Musik schreib’ ich den ganzen Tach, Texte schreib’ ich nicht so gut. Als ,Mensch’ schon im Radio lief, war der Rest der Platte noch nicht getextet.“ An dieser „Bananensprache“ beißt sich Lentz fest, bescheinigt ihr eine „existentielle, fast heideggerartige Lyrik“. Meint er das ernst? Man ist unsicher. Ab da analysiert er: Grönemeyers Stücke, Melodien, Reime und Rhythmen, die Beschaffenheit von dessen Stimme. Kurz: er liest aus seinem Buch. Das Thema neben ihm lächelt – und schweigt, in dieser Phase, zumeist. Was will man dazu auch sagen?
„Ich glaube, es geht darum, mit Musik und Texten einen Raum zu schaffen, wo die Leute selbst anfangen, zu sinnieren“, hat Grönemeyer an früherer Stelle gesagt. Es ist schwierig. Sehr schwierig. Hinterher reicht die Schlange vorm Signiertisch quer durchs Foyer. Auf der Bühne kann man das Buchthema hören und sehen. Aber so nah kommt man ihm selten.
Michael Lentz: Grönemeyer. S. Fischer, 381 S., 28 Euro.