Köln-Lindenthal: 101-Jährige bleibt dank Tagespflege fit

„Warum soll ich den ganzen Tag zu Hause bleiben? Ich war immer aktiv und offen für Neues, bin um die halbe Welt gereist, habe viele interessante Menschen getroffen. Da werde ich mich doch jetzt nicht zurückziehen, bloß weil ich etwas älter bin“, sagt Ilse Bräker. Die ehemalige kaufmännische Angestellte und Mathematik- sowie Deutschlehrerin feiert im Herbst ihren 102. Geburtstag. Die Feier könnte etwas größer ausfallen, denn die gebürtige Thüringerin aus Artern hat einen großen Bekanntenkreis.

Bewegung, Konzerte, Gedächtnistrainings oder Ausflüge

Seit sechs Jahren besucht Bräker regelmäßig die Tagespflege-Angebote des Clarenbachwerk im Haus Deckstein. Es richtet sich an pflegebedürftige Menschen, die noch zu Hause leben. Teilnehmende werden morgens und abends von einem Fahrservice abgeholt und zurückgebracht. Neben Frühstück, Mittagessen und Nachmittagskaffee gibt es von montags bis freitags viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: Bewegungsangebote, Konzerte, Literaturveranstaltungen, Vorträge, Gesellschaftsspiele, Gedächtnistrainings; die Besucherinnen und Besucher kochen, backen oder machen Rikscha-Ausflüge in die nähere Umgebung, beispielsweise zum Wochenmarkt oder zum Weiher.

Auch nach dem Tod ihres Ehemanns vor fast 27 Jahren blieb die Pensionärin dem Leben und nicht nur den Erinnerungen aus der Vergangenheit zugewandt. Mehrmals in der Woche nutzt die mehrfache Groß- und Urgroßmutter die Angebote der Lindenthaler Betreuungseinrichtung. „Das sind für mich die Tage, die zählen. Ich kann doch nicht nur daheim sitzen und vor mich hinstarren. Ich brauche Kontakte zu anderen Menschen. Die Stunden hier sind wahre Lichtblicke“, erzählt die Seniorin.

Ilse Bräke will so lange wie möglich selbstständig bleiben

Gymnastik, Singen und Referate über Kunst- und Kulturthemen liebt Bräke besonders, sie spielt gern Bingo und Mühle und liest regelmäßig die Tageszeitung. „Ich möchte im Alter so selbstständig und informiert wie möglich bleiben. Das wird hier unterstützt, und deshalb fühle ich mich mit über 100 noch wohl. Übrigens empfehle ich die Hausbesuche mittlerweile auch meinen Kindern“, amüsiert sich die Zeitzeugin.

Die umfangreichen Leistungen an den Standorten Lindenthal und Müngersdorf mit 51 Plätzen versteht Tagespflegeleiterin Anja Wallek-Sattelmeier als Förderung und Unterstützung für verschiedene Parteien. So lasse sich eine stationäre Betreuung von älteren oder beeinträchtigten Menschen oftmals durch kreative und bewegungsorientierte Aktivitäten hinauszögern.

Zudem würden die Familien unterstützt: „Selbst wenn die Leute noch im eigenen Zuhause leben, benötigen sie nicht selten Hilfe im Alltag. Deshalb geht es uns auch darum, die Angehörigen zu entlasten“, berichtet die Mitarbeiterin.

Schattenplätze und Wasserspender

Kölner Senioren sammeln Hitze-Tipps

Von

Heribert Rösgen

Drei ältere Damen sitzen auf einer Bank, eine stützt den Arm auf ihren Rollator.

Wer die Einrichtung kennenlernen will, kann telefonisch Schnuppertage vereinbaren. Wallek-Sattelmeier berichtet aus ihrer Arbeitspraxis: „Leider verdrängen viele Familienangehörige die Veränderungen noch, die mit dem Älterwerden ihrer Eltern einhergehen. Nicht selten kommt es dann zu persönlichen Überforderungen bis hin zu Erschöpfungszuständen, die niemandem helfen.“

Clarenbach Köln gGmbH

1945 gründete der Braunsfelder Gemeindepfarrer Heinrich Püchel den Clarenbach Köln e.V., um für wohnungslose Menschen nach dem Krieg Unterkünfte zu schaffen. 1992 wurde in Müngersdorf das „Frida Kahlo Haus“ für junge Menschen, die durch Behinderung, Unfall oder Erkrankung pflegebedürftig sind, eröffnet.

Aktuell gehören sechs Einrichtungen mit 600 Pflegeplätzen sowie barrierefreien Appartements für Seniorinnen und Senioren zum Bestand. Mehr als 50 Tagespflegeplätze in Lindenthal und Müngersdorf ergänzen das Spektrum.