„Edelweißpiraten“ erzählt in der Außenspielstätte der Tanzfaktur vom Leben jugendlicher NS-Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer.
Kölner Jugend zwischen Rebellion und FreiheitsliebeVergangenheit bleibt bei „Edelweißpiraten“ der Tanzfaktur Gegenwart
Als der damalige Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters die Mitglieder der Edelweißpiraten 2005 offiziell als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime rehabilitierte, galten die Jugendlichen in vielen Köpfen noch als Kleinkriminelle.
Trotz vorliegender Verhörprotokolle der Gestapo und detaillierter Zeitzeugenberichte tat sich die Stadt über Dekaden schwer mit einer Würdigung der humanistischen Absichten in Zeiten von Rassenhass, Willkürrecht und Meinungsunterdrückung.
Edelweißpiraten als Mischung aus historischer Dokumentation und Schauspiel
Nach mehreren Büchern sowie Filmen folgt mit „Edelweißpiraten – Kölner Jugend zwischen Rebellion und Freiheitsliebe“ eine der wenigen Theaterproduktionen zum tragischen Bündnis, das für einige der Mitglieder nach Verteilung von Flugblättern oder Angriffen auf Herrschaftsrepräsentanten in Todesurteile mündete.
Regisseurin Frederike Bohr („Borderland – frisch gestrichen“) inszeniert das Bühnenstück in der Außenstätte der Tanzfaktur in Kooperation mit der Studiobühne Köln als 60-minütige Mischung aus historischer Dokumentation und Schauspiel inklusive musikalischer Einlagen. Die Textvorlage verfasste Autor Marco Hasenkopf.
Köln wird als Hochburg der Nazis visuell hervorgehoben
Das Ensemble aus Profis (unter anderem Pierre Siegenthaler als SS-Mann, Luise Kinner als Edelweißpiratin „Mucki“ Gertrud Koch) sowie Jungdarstellern vereint nüchtern berichtete Fakten sowie intensive Personendarstellung. Auf einer reinlich-weißen, klar geordneten Bühne agiert das Kollektiv im Sinne nationalsozialistischer Tugenden zu Videoaufnahmen aus den Zeiten der Machtergreifung.
Dass Köln zu einer der Hochburgen der Nazis zählte, wird visuell deutlich hervorgehoben. Die Dramaturgie umgeht hier zwar den Aufbau eines klassischen Spannungsbogens, bleibt in der finalen Wahrnehmung dennoch erschütternd.
Als stärkstes Instrument in der Produktion erweisen sich die Gesänge. Unter der musikalischen Leitung von Singer-Songwriterin Regina Melech beschwört der achtstimmige Chor den Geist der Rebellion gegen das menschenverachtende Regime. Songs wie „Johnny's Spelunke“ oder „Wir sind eine kleine verlorene Schar“ aus den 1930er Jahren werden mit Inbrunst über den Bühnenrand geschmettert. Sie betonen die Sehnsucht nach individueller Freiheit. So heißt es in letzterem Lied „Wir sind eine kleine verlorene Schar/wir stehen für uns auf der Welt/Und jeder Kerl der mit uns war/hat für immer sich zu uns gesellt/Wir leben in Lumpen, wir lieben die Nacht/unsre Zeit heißt immer das Jetzt/Wir haben die Spießer ängstlich gemacht/und wir lachen, wenn man uns hetzt ...“.
Den nachdenklich stimmenden Sprung in die Gegenwart schafft das Ensemble mit einer Auflistung rassistisch, antisemitisch oder sexistisch motivierter Anschläge in der jüngeren Stadtgeschichte, die zu einer Kakophonie aus Namen, Zahlen und Orten schwillt.