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Lebenssituation in Köln-WiddersdorfUmstrittene TV-Doku mobilisiert die Einwohner

Lesezeit 3 Minuten

Eifrig diskutiert wurde die Lebenssituation in Widdersdorf, dessen Einwohnerzahl stark gestiegen ist.

Widdersdorf – Die Empörung schlug hohe Wellen in Widdersdorf, nachdem der Fernsehsender WDR am 25. Februar den Film „Was Deutschland bewegt – Heimatland“ über den Stadtteil ausgestrahlt hatte, dessen Einwohnerzahl sich seit 2006 auf über 12 000 verdoppelt hat. Zahlreiche Widdersdorfer waren verärgert. Sie meinten, dass die Dokumentation ihr Zuhause in dem wahrscheinlich größten privaten Baugebiet Deutschlands als Arbeits- und Schlafstadt ohne nennenswertes Sozialleben dargestellt habe.

Der Folgesendung sahen die Widdersdorfer gelassen entgegen, denn Ratsmitglied Teresa de Bellis-Olinger, die Dorfgemeinschaft und die Interessengemeinschaft (WiG) sind den Filmautoren in einem Bürgergespräch zuvorgekommen. Sie betrachteten den Film als „Anstoß für bessere Bündelung, Vernetzung und Transparenz“.

Tatsächlich gelang es in Ralph's BBQ im Rath-Mengenicher-Weg, Vertreter der Vereine, Kirchen, örtlichen Geschäftswelt und engagierte Bürger zu versammeln. Ein Signal, dass die Stadt das Widdersdorfer Imageproblem ernst nimmt, setzte die Anwesenheit der Bürgeramtsleiterin für den Bezirk Lindenthal, Ulrike Willms. Außerdem interessierte sich Ulrike Neuß von der Dorfgemeinschaft Rondorf für die Situation in Widdersdorf, „weil wir dasselbe Problem durch neue Baugebiete noch vor uns haben.“

Regelmäßiger Austausch

Was Widdersdorf bewegt und was jetzt tatsächlich in Gang kam, ist der Austausch über vorhandene Angebote, deren öffentliche Darstellung und mögliche Zusammenarbeiten. „Ich hoffe, dass künftig zwei-, sogar dreimal im Jahr Treffen stattfinden, bei denen wir auf die Bedarfe hier schauen“, sagte Quartiersmanagerin Marlene Stotko. De Bellis-Olinger, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Ratsfraktion, schlug vor, die Stadtteilkonferenz wiederzubeleben, die vor einigen Jahren eingeschlafen war. Bürgeramtsleiterin Willms will sich darum kümmern.

Die angebliche Knappheit von Treffpunkten im Stadtteil stellte sich schnell als Informationsmangel heraus. So überraschte zum Beispiel Michael Boden vom Kirchenvorstand St. Jakobus mit der Ankündigung, dass die integrative Betriebsgesellschaft In Via im September an der katholischen Kirche St. Jakobus eine Gaststätte eröffnen wird. Andreas Schenk von der Freiwilligen Feuerwehr bot Räumlichkeiten in der Straße Neue Sandkaul 11 an und schlug zudem vor, alle Veranstaltungen in Widdersdorf in einem Kalender zusammenzuführen. Er wies für den regelmäßigen Austausch über Missstände und Meinungen außerdem auf die Facebook-Gruppe „Widdersdorfer Familien“ hin.

Markus Rau, der vor sechs Jahren in die Wohnanlage am Kreisverkehr Hauptstraße/Unter Linden einzog, gab in diesem Zusammenhang allerdings zu bedenken, dass viele Bürger Vorbehalte gegen soziale Medien im Internet haben.

Alt- und Neu-Widdersdorf sollen zusammenwachsen.

Verlust von Einzelhandels- und Dienstleistungsfirmen

„Nach meiner Erfahrung laufen Verabredungen auch über Nachbarschaftsportale wie nebenan.de nicht gut, da die meisten nur schwer aus täglichen Lebensverpflichtungen herauskommen“, so Rau. Ihn beschäftigt vor allem die Verkehrssituation, die seiner Meinung nach das Zusammenwachsen von Alt- und Neu-Widdersdorf verhindert. De Bellis-Olinger hatte bereits bei der Eröffnung des Bürgergesprächs angeschnitten, dass die Stadtteilplaner bewusst die Durchlässigkeit zwischen der alten und der neuen Siedlung einschränkten, um Verkehr aus den Wohnstraßen herauszuhalten. Dieses komplexe Thema wurde nicht weiter verfolgt, hingegen richtete sich der Blick auf den fortschreitenden Verlust von Einzelhandels- und Dienstleistungsfirmen entlang der Hauptstraße.

Den Widdersdorfern müsse vermittelt werden, dass sie Angebote vor Ort finden, meinten Christian von Bock von der WiG und der Vorsitzende der Unternehmervereinigung „Wir schaffen für Widdersdorf“ Wouter Kremers. „In unserem Sessionsheft ist das lokale Handwerk drin“, betonte die Sprecherin der Dorfgemeinschaft, Melanie Bollhorst. Lebhaften Beifall bekam sie für ihren Appell: „Bei der Außendarstellung müssen wir Widdersdorfer an uns arbeiten.“