Die 80-Jährige, die sich seit ihrer Jugend um hilfebedürftige Menschen kümmert, lebt von einer kleinen Rente. Daher traf sie der Diebstahl besonders hart.
Nach KartendiebstahlWie der Chor St. Stephan „Mutter Teresa von Vogelsang“geholfen hat

Aufgrund der großen Hilfsbereitschaft ist Helga Euskirchen das Lachen nicht vergangen. Chorleiter Michael Kokott unterstützt die 80-Jährige.
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Helga Euskirchen ist immer für andere da. Besonders in schweren Stunden steht sie anderen bei, begleitet Menschen in Trauer, Krankheit oder beim Sterben. Ausgerechnet sie, die sich ihr ganzes Leben lang um andere Menschen gekümmert hat, wurde nun Opfer einer perfiden Straftat: Ihr Geldbeutel wurde gestohlen und 4200 Euro wurden von Kriminellen von ihrem Konto abgehoben.
Gerechnet hatte Helga Euskirchen ganz und gar nicht damit. An einem Freitagnachmittag Ende Januar ist die Seniorin auf der Dürener Straße unterwegs, in der Buchhandlung kauft sie ein Geburtstagsgeschenk für ihre Tochter. Auf dem Bürgersteig wird sie von hinten angerempelt, doch sie denkt sich nichts dabei. Erst als sie an der Supermarktkasse ihren offenen Rucksack sieht und bemerkt, dass ihr Portemonnaie nicht mehr darin ist, wird ihr klar, was passiert ist. „Mir ging es gar nicht gut. Ich bin sehr gläubig und habe als erstes gefragt: Lieber Gott, wo warst du?“, erinnert sie sich.
Zum Leben bleiben nur knapp 500 Euro im Monat
Im Portemonnaie ist ihr Personalausweis, das KVB-Ticket, die Versichertenkarte, 33 Euro in bar und ihre EC-Karte. Die Pin-Nummer hat sie auf einer Visitenkarte notiert. Was die Diebe nicht wissen: Auf dem Konto ist kein Geld. Das wenige Bargeld ist alles, was Helga Euskirchen für die letzte Woche im Monat noch bleibt. 23 Euro sollte der Einkauf kosten, die letzten zehn Euro sind für die Zuzahlung im Krankenhaus, in dem sie ein paar Tage später eine Augen-OP bekommen soll.
Die 80-Jährige schämt sich nicht, es auszusprechen. „Ich lebe in Altersarmut. Ich habe keine Rücklagen, ich habe kein Sparbuch“, sagt die Seniorin, der von ihrer kleinen Rente nach Abzug der Miete und aller Nebenkosten nur knapp 500 Euro im Monat bleiben. Die „Mutter Teresa von Vogelsang“, wie sie schon genannt wurde, lebt bescheiden. Geld gibt sie eher für andere aus, für ihr Ehrenamt nimmt sie keins an. Ein Teil ihrer Kleidung und ihrer Möbel stammt aus Nachlässen. „Ich bin reich im Herzen und das kann mir keiner stehlen“, sagt die Kölnerin mit Überzeugung.
Chormitglieder sammeln 4865 Euro
Der nächste Schock kommt am nächsten Tag bei der Sparkasse. 4200 Euro wurden von Helga Euskirchens Konto abgebucht - innerhalb von 20 Minuten waren die Täter oder Täterinnen zweimal am Geldautomaten, bei einem Juwelier auf der Dürener Straße und haben einen Online-Einkauf getätigt. „Ich war geschockt, denn ich besitze doch gar nichts. Ich sollte ein Darlehen aufnehmen, um die Summe der Bank zurückzuzahlen“, sagt die Seniorin. „Ich konnte in der Nacht gar nicht schlafen.“
Schnell verbreitet sich die Nachricht von dem gestohlenen Geld in Helga Euskirchens Umfeld - und eine Welle der Hilfsbereitschaft setzt ein. Vor allem in ihrem Chor, dem Erwachsenenchor St. Stephan, in dem sie seit 13 Jahren singt. „Uns war klar, da müssen wir als Chorgemeinschaft helfen“, sagt Chorleiter Michael Kokott. Innerhalb von einer Woche sammeln die 80 Mitglieder 4865 Euro für die Sopranistin. Die Pfarrgemeinde schenkte Helga Euskirchen zwei Pakete von der Rundschau Altenhilfe. Kokott selbst nahm zusammen mit ihr Kontakt mit der Opferhilfe des Weißen Rings auf - der Verein bietet Opfern von Verbrechen eine Soforthilfe und Rechtsbeistand an.
Suche nach helfenden „Engeln“ von der Dürener Straße
Für ihr ehrenamtliches Engagement auf der Palliativstation im Mildred-Scheel-Haus und jährlich rund 350 Krankenbesuche wurde Helga Euskirchen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. „Für Helga selbst ist es ein Lebensinhalt, anderen zu helfen. Sie ist das Gute in Person. Sie hat auch einige Chormitglieder begleitet“, sagt Michael Kokott. Für sie selbst war deshalb noch nicht einmal der finanzielle Schaden das schlimmste - vielmehr die Begegnung mit dem „Bösen“, wie sie sagt. „Die Kleidung, die ich getragen habe, der Rucksack, ich habe alles weggeworfen, weil ich das Böse daran nicht ertragen konnte.“
Umso größer ist ihre Dankbarkeit über die Hilfsbereitschaft ihres Chores und der Gemeinde, aber auch über die, die sie direkt nach dem Diebstahl erfahren hat. „Dank meines tiefen Glaubens geschehen immer wieder Wunder“, sagt Helga Euskirchen. Ein Mann bezahlte ihren Supermarkt-Einkauf von 23 Euro, eine Frau rief die Polizei, sperrte ihre EC-Karte und fuhr sie nach Hause. Eine Frau mit Kind schenkte ihr spontan einen Blumenstrauß, um sie zu trösten. Daher hat Helga Euskirchen einen großen Wunsch: „Ich würde mich freuen, wenn diese drei Engel das hier lesen, damit ich mich richtig bei ihnen bedanken kann.“