Jubiläum in KölnVor 30 Jahren wurde der erste Wanderclub für schwule Männer gegründet
Sülz – Obwohl in den späten 70er-Jahren die ersten CSD-Feierlichkeiten in Köln stattfanden, hatte die schwule Community damals noch immer keinen leichten Stand: Immerhin gab es noch bis 1994 im deutschen Strafgesetzbuch den Paragrafen 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Auch im beruflichen und sozialen Bereich konnte ein Coming Out schwerwiegende Negativfolgen für Homosexuelle mit sich bringen.
Joachim Hoffmann aber ließ sich von alldem nicht beirren: 1990 rief er den Club „Step by Step” ins Leben, um gemeinsam mit anderen Männern auf Wanderschaft durch die Natur zu gehen: „Ich habe in Schwulenzentren Aushänge plakatiert und Anzeigen geschaltet”, erzählt der heute 74-Jährige, „ich wollte nämlich gerne wandern gehen, hatte aber niemanden, der mitgegangen wäre.”
Viele schwule Männer lebten versteckt
Galt Homosexualität während Hoffmanns Schulzeit noch als absolutes Tabuthema, war die Szene in den 90er-Jahren schon etwas freier – doch wirklich selbstbewusst konnten viele Schwule mit ihrer Orientierung dennoch nicht umgehen: „Damals lebten viele schwule Männer noch sehr viel versteckter, als sie es heute tun”, weiß Hoffmann. Entsprechend groß war der Wunsch danach, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Auf seine Aushänge und Anzeigen meldeten sich in kürzester Zeit 15 Männer, die mit ihren ersten Wanderungen den Grundstein für den heutigen Verein legten. Gegründet wurde dieser nämlich erst 2004 – aus haftungsrechtlichen Gründen, wie Joachim Hoffmann betont.
Mittlerweile zählt „Step by Step” 68 Mitglieder, die neben Köln auch aus Düsseldorf, Bonn und anderen Städten der Region kommen. Jeden ersten Sonntag im Monat treffen sich die Mitglieder am Deutzer Bahnhof, um gemeinsam durch das Oberbergische Land oder die Eifel zu wandern. Jeden dritten Mittwoch startet zudem die Wandergruppe der „Herbstzeitlosen” in die deutsche Natur, die sich speziell an Teilnehmer ab 65 Jahren richtet: „Bei uns laufen Menschen ganz unterschiedlicher Altersklassen mit, genauso, wie sich auch alle Berufsgruppen bei uns wiederfinden”, erzählt Reiner Eberhard, der derzeitige Vorsitzende des Vereins.
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Laut Eberhard sei es für viele schwule Männer auch heute noch von großer Bedeutung, sich in geschützten Räumen bewegen zu können, wie sie ihn in den Wandergruppen vorfinden: Das gemeinsame Erleben der Natur mit Freunden, die womöglich dieselben Probleme teilen, ist für viele zu einem wichtigen Ankerpunkt geworden.
Jeder ist willkommen
Detlef Thamm zum Beispiel ist bereits seit 1994 mit dabei und schätzt neben der sportlichen Betätigung auch die Zwanglosigkeit der Wanderungen – eine Kontaktbörse sei der Verein schließlich nicht, betont er: „Wir wurden auch schon gefragt, ob wir nackt wandern würden oder was sonst noch so bei uns los sei“, erzählt Thamm amüsiert, „da haben viele Leute eine etwas verquere Vorstellung.“ Tatsächlich richten sich die Angebote des Vereins nicht nur an homosexuelle Männer und Frauen, sondern an alle Mitglieder der LGBTIQ+-Community – ebenso wie an Heterosexuelle: „Das ist uns im Grunde wirklich egal”, bekräftigt der Vorsitzende Reiner Eberhard, „bei uns ist jeder willkommen.”
In diesem Jahr holt der Club seine Feier zum 30. Jubiläum nach, auf die er wegen der Pandemie im letzten Jahr verzichten musste: „Ich freue mich sehr darüber, dass sich unser Verein so weiterentwickelt hat und die Wanderungen über all die Jahre fortgeführt wurden”, sagt Gründervater Joachim Hoffmann, „gerade jetzt, wo der Szene wieder etwas Gegenwind entgegenschlägt, ist das umso wichtiger.”