„Es reicht hinten und vorne nicht"Keine Corona-Hilfen für Kölner Yogastudio
Köln-Sülz – Es ist ein schlechter Film mit Überlänge, eine Dystopie, die in den Alptraumschmieden Hollywoods entstanden ist. So jedenfalls kommt Anke Francovich das vor, was sie erlebt, seitdem das Coronavirus das Leben in der Stadt lahmgelegt hat.Im September 2019 hat die studierte Medienwirtin ihren Traum verwirklicht und sich selbstständig gemacht: Im Souterrain des Hauses am Manderscheider Platz 8 in Sülz liegt ihr Yogastudio mit dem Namen „White Room“, ein weiß getünchter großer Raum, liebevoll eingerichtet mit Schalen, Kissen und Decken.
Doch kaum hatte es seine Türen geöffnet, wurde das junge Unternehmen ausgebremst: Der erste Lockdown im März, sechs Monate nach dem Start, brachte Francovich Schwierigkeiten. Wegen der pandemiebedingten Kontaktverbote durften – und dürfen auch aktuell – Sportstätten nicht öffnen. Als einzige Einkunftsquelle verblieben der frisch gebackenen Unternehmerin Online-Yogakurse. Sie deckten die Mietkosten. Was daneben blieb, reichte nicht zum Leben. Und die staatliche Hilfe? Die blieb aus, beziehungsweise sie kam zunächst, wurde aber später wieder zurückgefordert.
Staatliche Hilfe wurde zurückgefordert
Für März bis Mai 2019 erhielt Francovich, wie viele andere Soloselbstständige, schnell 9000 Euro. Doch schon im Sommer folgte eine E-Mail, mit der sie aufgefordert wurde, für den veranschlagten Zeitraum ihre Einnahmen und betrieblichen Ausgaben offenzulegen. Private Lebenshaltungskosten, wie Wohnungsmiete, Rentenversicherung, Altersvorsorge, Krankenkasse, Lebensmittel durften nicht als Ausgaben abgerechnet werden. Weil sie nur die Mietkosten für ihr Yogastudio in Rechnung stellen konnte, hatte Francovich aufgrund ihrer Zoom-Kurse einen geringen Gewinn von ein paar hundert Euro – und musste das Geld zurückzahlen, abzüglich eines Betrages von 2000 Euro, den das Land den Soloselbstständigen für die drei Monate schließlich überließ.
Kölner Yogalehrerin fällt durch das Raster durch
Im Dezember, als der zweite Lockdown gerade begonnen hatte, erhielt sie die Aufforderung, 7000 Euro zurückzuzahlen – und wieder keine finanzielle Unterstützung. Für die damals anlaufende November/Dezember- und die Überbrückungshilfe war die Berechnungsgrundlage geändert. Francovich musste über den Steuerberater nachweisen, dass sie einen Anspruch hat: Für die November/Dezemberhilfe wurde ihr Umsatz von November 2020 mit dem aus dem November 2019 verglichen.
Doch Francovich hatte im November 2019 kaum Einnahmen, weil ihr Yogastudio gerade erst aufgemacht hatte, also 2020 im Vergleich auch keine Einbußen. Für die Überbrückungshilfe konnte sie zwar auch wahlweise den Novemberumsatz mit den Vormonaten vergleichen. Für diese Hilfe wäre es aber erforderlich gewesen, dass sie einen Einnahmeneinbruch von mehr als 50 Prozent nachweisen konnte, doch aufgrund ihrer Online-Kurse war dieser geringer – und somit entfiel ihr Anspruch.
„Also bin ich wieder durchs Raster gefallen“, ärgert sie sich. „Mein Steuerberater hat gesagt: „Du hast zwei Optionen, entweder Du gibst weiter Zoomkurse und verdienst zu wenig oder Du machst ab sofort gar nichts mehr, dann bekommst Du Geld vom Staat.“ Francovich entschied sich dafür, zu arbeiten: „Ich habe richtig Gas mit den Online-Kursen gegeben, aber es reicht hinten und vorne nicht.“
Kritik an den Versprechen der Politiker
Damit ist sie ist kein Einzelfall. Das weiß Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Er ärgert sich: „Die Menschen haben geglaubt, was ihnen in Fernsehtalkshows von Politikern erzählt wurde“, sagt Lutz, „dass sie unbürokratische Hilfe erhalten.“
Doch das Gegenteil sei der Fall. Der Antrag auf „Soforthilfe“ in Höhe von 9000 Euro Euro war mit „Kleingedrucktem“ versehen, Bedingungen, die dazu führen, dass die Allermeisten sie wieder zurückzahlen müssen, eben weil sie nur für fixe Betriebskosten wie Büro- oder Studiomiete geltend gemacht werden konnte. Diese haben aber sehr viele Soloselbstständige nicht oder nur in geringer Höhe. Ihnen fehlen schlicht ihre Einkünfte, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
Dafür werden sie nun auf Hartz IV verwiesen. Auch hierzu es ein unerfülltes Fernsehversprechen gegeben, wie Lutz schildert: „In Talkshows sagten Politiker, man würde in diesem Falle auf eine Vermögensprüfung verzichten. Tatsächlich gibt es aber sehr wohl eine solche Prüfung, die dazu führt, dass die meisten keine Hilfe erhalten, weil sie privat für ihr Alter vorgesorgt haben.“
Viele würden nun ihre Ersparnisse aufbrauchen. Die an die Soforthilfe anschließenden Überbrückungshilfen seien extrem bürokratisch, ebenfalls nur für Betriebskosten vorgesehen und an die Bedingung geknüpft, einen Steuerberater zu beauftragen, kritisiert er. Die November/Dezemberhilfe würde nur tröpfchenweise gezahlt. „Zahlreiche mittlere und größere Betriebe haben eine Anzahlung bekommen und warten seitdem auf den Rest des Geldes“, so Lutz. Sie müssten die Miete weiterbezahlen und hätten Personalkosten.
Das Hilfesystem ist zu kompliziert
Die Unternehmer könnten zwar Kurzarbeitergeld beantragen, aber das müssten sie erstmal vorschießen. „Da kann mancher aufgrund seiner Existenzängste nicht mehr schlafen“, so Lutz. Der Bund hat die Hilfsprogramme nun wieder geändert: Die Überbrückungshilfe III setzt nun nur noch 30 Prozent Umsatzrückgang voraus.
Alternativ gewährt er Selbstständigen als Neustarthilfe die Hälfte des Umsatzes aus dem Vorjahr für sechs Monate, bis allerdings höchstens insgesamt 7500 Euro, vorausgesetzt sie haben Einbußen von mindestens 60 Prozent. Lutz lobt den längeren Förderzeitraum, aber: „7500 Euro ist für ein halbes Jahr zu wenig.“ Fest steht für ihn vor allem eins: „Das Hilfesystem ist viel zu kompliziert. Es ist maximal großes Chaos statt unbürokratischer Hilfe.“ Francovich hat mittlerweile resigniert: „Ich blicke da echt nicht mehr durch“, so ihr Kommentar.