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Kunstaktion am FriesenplatzKollektiv erinnert an Einsturz des Kölner Stadtarchivs

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Kunstaktion Stadtarchiv

Die Glas­con­tai­ner auf dem Frie­sen­platz sind eine Kunst­ak­tion, an der sich die Passanten be­tei­li­gen können.

Köln – Wer bestimmt, was wert ist, archiviert zu werden? Und ist eine chronologische und lineare Sortierung nach Zeiten und Themen eigentlich noch zeitgemäß? Solche Fragen stellte sich das Köln-Berliner Kollektiv „mythen der moderne“. Umso tiefgreifender unter dem Eindruck des Stadtarchiv-Einsturzes am 3. März 2009.

Denn die Katastrophe wirbelte die Ordnung durcheinander und riss Lücken, ließ aber auch Raum für intuitive Zugänge zu Archivalien. Nun ist es dem Kollektiv mit zahlreichen Unterstützern gelungen, aus dem „Gedächtnis der Stadt“, wie historische Archive oft genannt werden, die Kunstaktion „Wunderblock oder Das Imaginäre Archiv“ zu schaffen.

Wer vorbeigeht ist eingeladen

Bis Sonntag, 16. Oktober, steht auf dem Friesenplatz ein Glaskasten, in dem die Kunstfigur „Ewiger Archivar“ seiner Arbeit nachgeht. Rund um die Uhr werden elf Schauspielerinnen und Schauspieler nach Themenvorgaben mit Köln-Bezug wie Alltags- und Wirtschaftsgeschichte, Migration, Kirche, Kolonialismus, Krieg oder Kultur in Acht-Stunden-Schichten recherchieren.

stadtarchiv

Großes Entsetzen am Unglücksort: Das Stadtarchiv  stürzte vor elf Jahren an der Severinstraße in die U-Bahn-Baugrube.

Wer vorbeigeht, ist eingeladen, stehen zu bleiben und dabei zuzusehen. Vielleicht angezogen durch Selbstgespräche wie „Das habe ich die ganze Zeit gesucht“ oder Vorlesen aus Schriften. Oder durch kaleidoskopartige Projektionen von Fotos und bewegtem Bildmaterial auf die Scheiben. Dazu ist Hannes Strobls Collage von Stadtklängen zu hören.

Historisches Stadtarchiv überlässt 57 Boxen mit Material

Für die Kunstaktion überließ das historische Stadtarchiv 57 ausrangierte Boxen, die mit Dokumenten, Gegenständen oder Privatfilmen befüllt wurden, die Bürgerinnen und Bürger ausliehen oder in Kopie die wissenschaftlichen Archive.

Ein besonderer Schatz sind die Feldpostbriefe, die Waldemar Bauer 1944, damals 16-jähriger Soldat der Wehrmacht , nach Hause schrieb. Sie wurden nach seinem Tod in einem alten Koffer entdeckt. Besonders Bemerkenswert ist Bauers Notiz, wonach er seine Briefe kurz vor dem Einsturz ans Stadtarchiv übergeben wollte, jedoch nicht dazu kam, sodass sie erhalten blieben.

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Die elf Darstellerinnen und Darsteller werden nach den persönlichen Assoziationen, die der Suchauftrag auslöst, eigene Geschichten erzählen oder performen, eventuell Passantinnen und Passanten spontan einbeziehen. Nach der Kunstaktion werden die neuen Stadterinnerungen in blauen Mappen fürs Stadtarchiv aufbewahrt. „Wunderblock“, erklärt die künstlerische Leiterin Pia Janssen, fasst das Konzept der Kunstaktion zusammen. Das Wort bezeichnete früher die Zaubertafel, die immer wieder überschrieben werden kann.