Mit ihrer Album-Jubiläumstour steht die Band Juli im Carlswerk Victoria in Köln auf der Bühne und lässt Erinnerungen an den Boom deutscher Popmusik hochleben.
Album-JubiläumstourJuli reitet in Köln noch immer die „Perfekte Welle“
Es gibt wahrscheinlich nur wenige, die sich nicht an die musikalischen Zeiten rund um die Jahrtausendwende erinnern. Als das Boygroup-Feld schon längst geräumt war, sich Bands wie Green Day oder die Foo Fighters gerade auf ihren zweiten Frühling vorbereiteten und der Britpop alle Indie-Clubs unsicher machte. Und in genau die mogelten sich auf einmal auch neue deutschsprachige Pop-Rockbands hinein. Der Mitsing- und Tanzfaktor war um einiges intensiver als bei den englischsprachigen Kolleginnen und Kollegen.
Songs wie „Geile Zeit“ von Juli liefen am Wochenende zur Primetime in den Discotheken. Die Band aus Gießen um Sängerin Eva Briegel gehörte mit ihrem beiden Album „Es ist Juli“ (2004) und „Ein neuer Tag“ (2006) zu den erfolgreichsten und prägendsten deutschen Musikgruppen dieser Zeit. Ihre ersten Hitsingle „Perfekte Welle“ trug zum Boom der deutschsprachiger Popmusik bei.
Rund 1500 Fans bei Kölner Konzert
20 Jahre später, am Montagabend, steht Eva zusammen mit ihren Freunden Simon (Gitarre), Jonas (Gitarre), Andreas (Bass) und Marcel (Schlagzeug) im Rahmen ihrer Album-Jubiläumstour noch immer auf der Bühne. Und zwar auf der im Carlswerk Victoria. Vor etwa 1500 Zuschauerinnen und Zuschauern. Eine Freundin brüllt ihrem Freund „Nein, das war 2004!“ ins Ohr und meint damit höchstwahrscheinlich den Durchbruch der Band. Ein paar der größtenteils Mittdreißiger im Publikum tragen T-Shirts der Düsseldorfer Punkrockband Broilers. Das überrascht.
Um kurz vor neun dann wird die Bühnensilhouette in tiefblaues Licht getränkt; die vier Musiker schreiten unter Jubel klammheimlich zur Tat. Die ersten Töne von „November“ bahnen sich ihren Weg ins Publikum, Eva schlendert einen kurzen Moment später hinterher. Gelassen. In einem rot-weißen Trainingsanzug. Ihre Stimme, sie ist so robust und zerbrechlich zugleich. Wie eine Lieblings-Kaffeetasse in den Tiefen irgendeines Umzugskartons. Sie singt „Frag„ nicht nach morgen / Denn er bleibt dir verborgen / Frag nicht was gestern war“.
Juli: Sozial-Pathos und Melancholie
Überhaupt Julis Texte und zum Teil auch deren Titel: Da ist ein klar-stringentes Wortfeld zu erkennen. Eine Prise Sozial-Pathos, aber vor allem eine bildstarke Melancholie, die sich an die Hinterbeine eines wie auch immer gearteten Narrativs der Hoffnung festkrallt, schlängelt sich von Song zu Song. Das Ganze textlich leicht verständlich - mal konkret, mal abstrakt - alltagbezogen und mitsingbar : Voila, fertig sind die oft seicht-radiotauglichen Melodien und Rhythmen Julis, mit denen man sich wegträumen kann.
Selbstverständlich sind die gebürtigen Gießener, aber auch die Fans mit den Jahren gewachsen, musikalisch wie auch persönlich. Nummern wie „Tage wie dieser“ hörte man zu Teenagerzeiten mit anderen Ohren als heute. Aber das ist egal an diesem Abend. Weil alle merken: Auch ein Song entwickelt sich weiter. In jedem einzelnen von uns. „Tage wie dieser / sollten nie vergessen gehen“.
Sammy Amara, Sänger der Broilers, unterstützt Eva bei „Fette wilde Jahre“. Was die Outfitwahl des erwähnten Fans erklärt. Bei der TV-Sendung „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ in Südafrika lernten sich Eva und Sammy in diesem Sommer kennen. Und sie harmonieren gut.
Das Lied „In unseren Händen“ bewegt sogar hartgesottene Musikjournalisten zutiefst. Während „Geile Zeit“ stecken alle Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Handys zurück in die Hosentasche. Weil Eva sich das so sehr wünscht. Das ist toll. Und: Ohrwurm-Vers des Abends ist „Ich liebe dieses Leben“. Ja, wir lieben dieses Leben.
Mehr gibt es wohl nicht mehr zu sagen.